Liebesparade

MOH (16): 3. Oscars 1931 - "Liebesparade"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 7. November 2023

So ist Kino: In der letzten Folge unserer Oscar-Reihe haben wir uns noch mit dem nur mäßig aufregenden britischen Politikbetrieb in "Disraeli" auseinandergesetzt, jetzt springen wir in "Liebesparade" mal eben in ein fiktives Königreich, um einfach nur etwas Spaß zu haben.


Liebesparade

Originaltitel
The Love Parade
Land
Jahr
1929
Laufzeit
107 min
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
7
7/10

Der Siegeszug der Tontechnik hatte viele Produktionen Anfang der 1930er ja dazu verführt, ihre Story immer wieder um Musik und Tanzeinlagen anzureichern. Auf die Idee, Lieder in einem Film aber dabei konsequent auch zum inhaltlichen Vorantreiben der Story einzusetzen, kam ausgerechnet ein deutscher Regisseur. Ernst Lubitsch, der nach ersten Stummfilmerfolgen 1922 von Deutschland in die USA übersiedelte, gelang mit "Liebesparade“ so etwas wie das erste wirklich waschechte Musical.

Die mit zahlreichen Gesangseinlagen ausgestattete Komödie folgt dabei dem Botschafter des fiktiven Königreichs Sylvania Graf Alfred (Maurice Chevalier), der aufgrund seiner Liebeseskapaden von Paris zurück an den Hof seiner Königin Luise (Jeanette MacDonald) beordert wird. Die Königin ist zufälligerweise gerade auf der Suche nach einem Ehemann und das lässt sich Alfred natürlich nicht zweimal sagen. Leider ahnt er da noch nicht, wie langweilig und frustrierend das Leben an der Seite einer so mächtigen Frau sein kann.  
 


Nachdem Hollywood in den letzten Jahren kaum noch richtig begeisternde Komödien produziert hat, möchte man die erste halbe Stunde dieses Filmes einfach nur umarmen. Mit welcher Spielfreude, Charme und cleverem Witz sich Alfred und Luise während ihres Kennenlernprozesses gegenseitig necken, ist ein kleiner Komödientraum. Dabei gelingt Lubitsch hier eine wundervolle Mischung aus Liebeskomödie und Gesellschaftssatire, deren Humor auf positive Art und Weise immer ein klein wenig anarchisch und kindlich frech daherkommt.

Unweigerlich muss nun natürlich der berühmte Begriff des “Lubitsch-Touch“ fallen, mit dem unter anderem berühmte Filmemacher wie Billy Wilder versucht haben, den ganz eigenen Stil von Lubitschs Komödien in Worte zu fassen. Ob das Timing der messerscharfen Dialoge, die Art und Weise wie Lubitsch Gags andeutet und dann doch wieder clever hinauszögert oder wie er geschickt nicht ganz jugendfreie Passagen alleine durch Suggestion der Phantasie des Publikums überlässt, all das sorgt für einen auch heute noch unglaublich unbeschwert, frech und frisch wirkenden Komödienstil.  

So zieht Lubitsch vor allem den unnützen Beraterstab am Hof der Königin wundervoll durch den Kakao und hat auch noch Zeit einen schlüpfrigen Song über die Nutzlosigkeit von Alfreds Geschlechtsorgan einzubauen. Pre-Code-Cinema lässt grüßen. Ausgestattet mit einem wundervoll charismatischen Dauergrinsen, spitzbübischem Charme und herrlich dick aufgetragenem französischen Akzent eroberte Maurice Chevalier dabei zu Recht die Herzen des Publikums im Sturm und stieg zum Weltstar auf.
 


Umso ärgerlich ist es aber, dass das phantastische Niveau der ersten halbe Stunde vom Film in der restlichen (durchaus reichlichen) Laufzeit nicht gehalten werden kann. Sobald unser Traumpaar sich gefunden hat, beginnt der eher frustrierende Ehealltag und damit enden auch die neckischen Wortgefechte und die Leichtigkeit des Geschehens. Der Film und seine Konflikte werden deutlich träger, dazu sind die Auftritte mancher Nebenfiguren weniger gelungen, wie die zwar schön choreographierten aber eher banalen physischen Gags rund um Alfreds Diener Jacques.

Gefühlt verlieren auch die Gesangseinlagen mit weiterem Fortschreiten der Handlung einiges von ihrem kreativen Witz. Angesichts des wirklich grandiosen Beginns ist das sehr frustrierend, aber in den Momenten, wo der Film dann später doch wieder mal funktioniert, ist er auch hier wieder wundervolles Comedy-Gold.

So fällt das Fazit zwar etwas zwiegespalten aber doch deutlich positiv aus, und so ist "Liebesparade" Freunden schnippischer Komödien durchaus ans Herz zu legen. Und es wird auch nicht das letzte Mal sein, dass wir in unserer kleinen Reihe dem Lubitsch-Touch begegnen.

"Liebesparade" ist aktuell als DVD nur als Import auf Amazon in Deutschland verfügbar. Der Film ist aber auch auf Youtube zu finden (Suche nach "The Love Parade 1929").
 

Regielegende Billy Wilder erklärt uns den Lubitsch-Touch
 

Die von Billy Wilder beschrieben Szene (die ursprünglich aber aus "Die lustige Witwe" stammt)


Ausblick
In unserer nächsten Folge widmen wir uns dem Gewinner der dritten Academy-Awards und der Verfilmung eines der berühmtesten Antikriegsromane der Weltgeschichte.
 


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