30.03.2001 - Die jüngste Blitzscheidung hat der Gerüchteküche in Hollywood wieder neues Feuer gegeben. Wer im Falle Cruise/Kidman eigentlich wen abgeschossen hat, darüber kursieren nicht weniger gegensätzliche Statements wie nach der Achterbahn-Beziehung von Russell Crowe und Meg Ryan. Die interessantere Frage beim schönen Tom und der unterkühlten Nicole ist allerdings ohnehin nicht das Wer, sondern das Wieso.
Neben zahlreichen Vermutungen, die Trennung hätte, wie die gesamte Beziehung selbst, etwas mit der Scientology-Sekte zu tun, wird im kleinen Kreis ein weiteres Mal über die sexuellen Vorlieben der beiden Stars getuschelt. Die beliebteste Verschwörungstheorie: Ohnehin nur als Promotion-Stunt für Scientology eingerichtet, diente die Cruise/Kidman-Ehe zugleich als Absage an alle Gerüchte, die Frischvermählten seien beide homosexuell. Solcherlei Gerüchte wurden erstmalig nach Cruise's Scheidung von seiner ersten Frau Mimi Rogers laut, die ihn in Interviews als impotenten Schwächling beschimpfte. Daß die zwei Kinder von Cruise/Kidman beide adoptiert sind, trug dem Abbau dieses Rufes nicht gerade bei.
Ein anderer Megastar, über den ähnliche Vermutungen kursieren, ist Leonardo di Caprio. Seine Inszenierung als rastloser Schwerenöter in den Boulevard-Blättern dieser Welt - u.a. soll er schon eine Affäre mit der damals noch verheirateten Demi Moore gehabt haben, bevor er angeblich seine Filmpartnerin Virginie Ledoyen schwängerte, die aktuelle Beziehung mit Supermodel Giselle Bündchen nicht zu vergessen - wirkt dem zwar bisher erfolgreich entgegen, wird aber immer wieder von leisen Gerüchten untergraben.
Fakt ist jedoch, daß selbst wenn es so wäre (und das soll hier ausdrücklich als reine Hypothese verstanden werden), das Versteckspiel der Superstars hinter gezielt und kunstvoll gesäten Gerüchten und Beziehungen in der Tat ihre einzige Chance ist, ihren Marktwert zu halten. Denn selbst in hochgradig toleranten Zeiten wie den unseren, in denen Homosexualität schon fast in, auf jeden Fall aber irre sympathisch ist, wäre es für Stars wie Cruise oder di Caprio das marketing-technische Todesurteil, sollten sie sich als schwul outen. Denn bei aller Liebe zur Kunst verkauft sich der Schauspieler in Hollywood nun mal primär über seine Persönlichkeit, und nicht über seine Arbeit.
Homosexuelle Darsteller haben so gut wie keine Chance, in einer heterosexuellen Rolle ernst genommen zu werden. Rupert Everett, ein begnadeter Akteur, der den Leading Ladies in seinen Filmen systematisch die Show stiehlt, ist offen schwul und wird auch nur noch für solcherlei Parts besetzt. Anne Heche wäre nach Bekanntwerden ihrer Beziehung zu Ellen DeGeneres fast aus der laufenden Produktion von "Sechs Tage, sieben Nächte" geflogen, weil die Macher fürchteten, das Publikum würde ihre romantischen Spielereien mit Harrison Ford in dem Film nicht mehr ernst nehmen. Der wackere "Indiana Jones"-Recke setzte sich nachhaltig für Heche ein und konnte sie im Projekt halten, der Film floppte. Rock Hudson wurde in den 50ern jahrelang mit Doris Day zusammen als das Traumpaar Hollywoods verkauft. Jahrzehnte später sorgte erst sein AIDS-Tod dafür, daß das offene Geheimnis seiner Homosexualität endlich gelüftet wurde. Und im Falle von James Dean hat es ähnlich lange gedauert.
Dean war dabei, ähnlich wie di Caprio oder Cruise, gefangen in einer Schizophrenie von Klischee und Image. Einerseits bedienen Frauen und Mädchen stetig die stereotypen Annahmen, schwule Männer sähen besser aus, hätten mehr Stil, wären verständnisvoller, sensibel und einfühlsam. Andererseits will dann allerdings kaum eine Vertreterin der "Die tollsten Typen sind schwul"-Theorie wahrhaben, das die schauspielernden Traumobjekte vielleicht genau in diese Schublade fallen. Die Distanz lädt zum Fantasieren und Verdrängen ein, zum Glauben an den perfekten Mann, der all die Eigenschaften besitzt, die für gewöhnlich nur Schwulen zugeschrieben werden, und dessen größtes Glück darin besteht, Frauen zu beglücken.
Womit der Kasus Knacktus erreicht wäre: Cruise und di Caprio brauchen ihre heterosexuelle Medieninszenierung, damit ihr enormes weibliches Fan-Potential weiter träumen kann. Die finden schwule Männer zwar total nett und sympathisch, ins Kino gehen würden sie indes nicht für einen. Rupert Everett könnte in einer höheren Liga spielen, wenn er sich nicht frühzeitig für Ehrlichkeit entschieden hätte. Er braucht sich nicht zu verstecken, hat aber auch nur eine begrenzte Schar an Fans, die einen Schauspieler eben noch als Schauspieler sehen. Cruise und di Caprio haben zweifelsohne die künstlerischen Fähigkeiten, in beliebigen Rollen zu glänzen, ganz egal, was über sie bekannt ist. Allein, das Publikum will sie als Objekt sehen, als die berühmte Persönlichkeit hinter der Filmfigur. Ein schwuler Schauspieler in einer heterosexuellen Rolle verlangt nach einer Trennung von Fiktion und Realität, wie sie vielen Zuschauern wahrscheinlich nicht zuzumuten ist. Zumindest, wenn man den Marktstrategen in Hollywood glaubt.
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