Grindhouse - das Filmprojekt = Grindhouse - die Kontroverse. Warum aus einem Filmprojekt plötzlich zwei wurden, darauf gehen wir an anderer Stelle ausgiebig ein, interessanterweise ist aber auch "Deathproof", Quentin Tarantinos Teil des B-Filmdoppels ein Film der zwei Teile. Seine Geschichte über den verrückten Killer Stuntman Mike (Kurt Russell), der mittels seines Stuntautos Jagd auf Frauen macht, beginnt in Austin, Texas. Dort macht er Bekanntschaft der Clique um die Radiomoderatorin Jungle Julia (Sydney Poitier), die mit ihrer Mädelstruppe in einer TexMex-Bar einen schön alkoholgetränkten Abend verbringen möchte, während Stuntman Mike eher Böses im Sinn hat. Nach Abschluss dieses Storyteils treffen wir eine neue Frauenclique, bestehend aus den Schauspielerinnen und Stuntfrauen: Abernathy (Rosario Dawson), Lee (Mary Elizabeth Winstead), Kim (Tracie Thoms) und Stuntfrau Zoe (Zoe Bell). Und auch sie machen Bekanntschaft mit Stuntman Mike und seinem (für ihn) "todessicheren" schwarzen Killerauto…
Was vor ein paar Wochen für David Lynch galt, muss man nun leider auch Quentin Tarantino attestieren. Sie wissen schon, die Butter, die Fische, die heilige Kuh, die Schlachtbank: Quentin Tarantino hat den ersten ziemlich schlechten Film seiner Karriere gedreht. Die Intelligenz und Kreativität, die zu Zeiten von "Reservoir Dogs" und "Pulp Fiction" noch in fast jedem Meter Film zu spüren war, ist so gut wie nicht mehr vorhanden. Was immer man den bisherigen Tarantino-Filmen vorwarf - plakative Gewalt hin, Popkulturreferenz her - eines einte sie: Es ging immer um etwas. Ehre unter Dieben ("Reservoir Dogs"), Läuterung und Vergebung ("Pulp Fiction"), Altern mit Witz und Würde ("Jackie Brown"), selbst abstruses Familiendrama ("Kill Bill"). Natürlich war auch das schon ziemlich überzeichnet, wirkten manche Figuren wie Karikaturen, war vieles Selbstzweck, aber es war ein Kern vorhanden, um den sich alles drehte.
In "Deathproof" geht es um nichts. Schlimmer noch, es wird pompöses Gewese gemacht, obwohl es um nichts geht. Und noch schlimmer: Das einzige, um das es dann überhaupt geht, ist nur noch der Filmemacher Tarantino und sein elitäres Geek-Wissen, seine angeberischen Referenzen und Spielereien, sein Ego. Deutlicher als in jedem anderen seiner Filme sind die Figuren hier nur noch Lautsprecher, die Witz und Weisheit von Quentin Tarantino verkünden. Und von beidem ist hier nichts zu sehen und spüren.
An deren Stelle gibt es nur noch In-Jokes noch und nöcher, die wohl nur Tarantino selbst für genial hält: Regisseurkumpel Eli Roth ("Cabin Fever", "Hostel") spielt einen Aufreißer, Uma Thurmans Stuntdouble aus "Kill Bill" spielt gleich mal sich selbst und darf mit ihren Schauspielkollegen aus der zweiten Filmhälfte Witze über u.a. das Stand-In-Double von Daryl Hannah ("Kill Bill") machen. Amüsement sieht anders aus. Die Struktur ist gleich - und gleich bleibend erfolglos. Tarantino präsentiert seine zwei Damenquartette zu Beginn des jeweiligen Storyteils, die anschließend über ihre Dialoge vorgestellt werden sollen. Und dann wird erstmal gequatscht. Und noch mehr gequatscht.
Es wird viel gequatscht, unendlich viel, bis zur Schmerzgrenze, aber es wird nichts gesagt. Es kann ja auch nichts gesagt werden, weil es um nichts geht. Und so hört man nur endlose Belehrungen Tarantinos, die aus den Mündern der Jungdarstellerinnen wenig überzeugend hervorkommen. Da lernt man wieder, welche wenig bekannten Serien, Schauspieler und Filme gerade in Tarantinos Heimkino laufen und dass er echte Stunts CGI-Trickserei vorzieht.
Zu dumm nur, wenn er obendrein dann sein eigenes Geschwafel binnen Minuten Lügen straft. Denn wer in Interviews zum Film und durch seine Figuren im Film selbst die falschen CGI-Stunts abstraft und sich wie ein Möchtegern-Ghettobruder gebärdet, der so irrational wie dämlich "Keep it real" schreit, der sollte nicht bei der ersten Actionszene direkt CGI einsetzen, um seine Darsteller in Slow-Mo und en Detail zu massakrieren. Er sollte auch nicht eben jene Szene aus drei verschiedenen Blickwinkeln wiederholen, denn das sind Mätzchen der MTV-Generation, die Old School Quentin ja grade noch abgelehnt hat. Apropos Mätzchen: Dazu gehört auch die mutwillig auf alt getrimmte Erscheinung des Films, inklusive Bild- und Tonfehlern. Aber auch hier fehlt es an Konsequenz. Nach der Hälfte der Spielzeit verschwinden diese Elemente komplett und man fragt sich, warum es sie eigentlich überhaupt gebraucht hatte. "Keepin' it real"? Nee, lass mal.
Exzess und Redundanz scheinen die neuen Merkmale von Tarantino, Version 21. Jahrhundert, zu sein. Das betrachtete man schon mit Sorge im mit diversen Längen versehenen zweiten Teil von "Kill Bill", und hier gibt es dann eigentlich nur noch Längen und In-Jokes ob der In-Jokes willen, die den Film kein Stück voranbringen.
Bestes Beispiel der erneute Auftritt vom schon aus "From Dusk Till Dawn" und "Kill Bill" bekannten Texas Ranger Earl McGraw (nebst Sohn Nummer Eins), gespielt von Tarantinos Lieblingsschauspieler Michael Parks. Dessen Szene ist so dermaßen überflüssig und belanglos, dass man sich fragt, was sie in diesem Film zu suchen hat und warum zum Teufel sich Tarantino nicht einmal im Schneideraum zusammen nehmen kann und kritisch aussortiert.
Und dann kommt man zwangsläufig zur laut Harvey Weinstein eigentlichen "Essenz" des Films, die für den separat vertriebenen "Deathproof" wieder integrierte "fehlende Filmrolle": Tja, und was findet man hier? Mehr sinnloses Gequatsche und die obligatorische Fußfetischismus-Sequenz. Wenn das die Essenz des neuen Streifens oder gar Tarantinos künstlerischen Schaffens allgemein ist, dann muss man all seinen Kritikern nachträglich Recht geben, dann gibt es keine Essenz.
Tatsache ist, dass durch das zusätzliche Material der Film, der selbst in seiner kürzeren US-Version zu lang war, hier auf die Länge eines Epos aufgeblasen wird, und das mit Material, das gerade mal einem Kurzfilm zur Ehre gereicht hätte. Man wollte ihm ja schon bei "Kill Bill" im Schneideraum helfen, aber es bestätigt sich, dass Tarantino sich in jeden Schnipsel Film, das er dreht, verliebt, und seine Werke immer ausufernder, dabei aber auch belangloser werden. Wäre er bei den ursprünglich geplanten 60 Minuten und einem stringenten, schnörkellosen B-Film geblieben, "Deathproof" hätte vielleicht funktioniert. So ist "Deathproof" allerdings D.O.A. - dead on arrival.
Die Dialoge, zu Hochzeiten noch Prunkstück eines Tarantino-Werks, sind läppisch; die Rollen eine Zumutung. Außer Sexprotzerei oder "Wir sind so hart wie jeder Mann"-Gefluche ist Tarantino in dieser angeblichen Liebeserklärung ans starke schwache Geschlecht nichts eingefallen, außer der Ablichtung von Ärschen, Beinen, und Füßen, wo man ihm ja dank seiner starken Heldinnen keinen Sexismus mehr vorwerfen kann, gell?! Einzig Zoe Bell als "sie selbst" kann mit natürlichem Charme in ihrer Rolle ein wenig glänzen, während Tracie Thoms als ihre Stuntfrau-Kollegin zu viele mit dem bösen N-Wort durchsetzte Passagen der Marke "Ich spreche Samuel L. Jacksons motherfucking Dialoge als motherfucking hartes Weib" hat. Von den anderen Damen, selbst Hauptdarstellerin Rosario Dawson, bleibt nicht viel hängen.
Daher ist das Ganze nicht, wie Tarantino gern glauben möchte, sein "Eugene O'Neil-Stück mit heißen Tussis", sondern eine Ansammlung unglaubwürdiger und überzeichneter Frauenrollen, die überflüssige Dialoge runterrasseln. Eindimensionaler als hier waren Tarantinos Figuren nie. Die raren zusätzlichen guten Momente gehören auf Schauspielerebene dann auch der einzig erwähnenswerten männlichen Rolle: Der für Mickey Rourke (mit dem sich Tarantino kurz vor Drehbeginn überwarf) an Bord gekommene Kurt Russell zeigt, warum er sich ursprünglich als charismatischer Anti-Held in den B-Filmen John Carpenters ("Die Klappperschlange", "Das Ding") in Hollywood profilierte. Gerade seine herrlich überzogene Hysterie gegen Ende des Films sorgt noch mal kurzzeitig für Stimmung.
Aber wie sagen die Amerikaner so schön: Too little, too late. Passender geht es hier kaum, denn wenn sich dieser selbstverliebte, über weite Strecken schlicht sterbenslangweilige Film nach anderthalb Stunden dann endlich aufmacht, mit einer gut inszenierten Verfolgungsjagd den Zuschauer und sich selbst aus der Lethargie zu reißen, ist schon alles zu spät. Dieser Versuch, den Trashfilmen der 1970er zu huldigen, wird seinen Vorbildern daher nur auf eine sehr ernüchternde Weise gerecht: "Deathproof" ist schlichtweg nicht sonderlich gut, und das trifft auch auf viele der verehrten Filme zu. Wenn dies Tarantinos Ziel war, dann ist es ihm ohne Zweifel gelungen, den Vorbildern treu zu sein. Aber sind wir ehrlich, das war nicht das Ziel, wie Tarantino selbst zugibt. Er wollte den besten schlechten B-Film aller Zeiten machen, mit der aufregendsten Autoverfolgungsjagd aller Zeiten. Aber er hat nur einen lahmen schlechten B-Film gemacht, mit einer akzeptablen Verfolgungsjagd. Too little, Too late.
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