Nein, da braucht man wirklich nicht drum herumreden: Wer die vorigen Filme von Baz Luhrmann gesehen hat, wer die Pracht, Kraft und Magie von "Moulin Rouge", "Romeo + Julia" und "Strictly Ballroom" erleben durfte und wer nun schon bei den Ankündigungen zu "Australia" erkennen konnte, dass der Meister sich nach einer viel zu langen kreativen Pause nun wohl an sein Opus Magnum gewagt hat, der baut hier zwangsläufig etwas auf. Eine gewaltige Erwartungshaltung und Vorfreude nämlich, die dann naturgemäß vielleicht kaum zu erfüllen ist. Und so kommt es also, wie vielleicht im Hinterkopf befürchtet, aber doch keinesfalls wahr haben wollend. Nach mehr als zweieinhalb Stunden eines Films, in den so ziemlich alles hineingepackt wurde was vorstell- und machbar ist, weiß man als Betrachter gar nicht so recht, wie man das jetzt finden soll. Weil es natürlich nicht schlecht war, nicht langatmig und man eine Menge geboten bekam. Aber trotzdem setzt sie ein, eine gewisse Ernüchterung, verbunden mit jenem frevlerischen Gedanken, den man doch nach Genuss dieses Films nun ganz gewiss nicht haben wollte: So what?
Es ist eine reichlich affektierte Zicke namens Lady Ashley (Nicole Kidman), die sich da Ende der 30er Jahre aus dem feinen England auf den Weg ins ferne Australien macht, wo sie gedenkt ihrem vermutlich untreuen Ehemann mal eine ordentliche Szene zu machen. Dieser entgeht dem Anschiss aber einfach, indem er spontan aus dem Leben scheidet, angeblich dahin gemeuchelt von einem eingeborenen Stammeszauberer. Plötzlich mit der Verantwortung für das Anwesen und die Bediensteten ihres Mannes belastet, wählt Sarah Ashley jedoch nicht den einfachen Weg eines Verkaufs an den Viehbaron King Carney (Bryan Brown) und dessen Helfershelfer Fletcher (David Wenham), sondern beschließt die 1.500 Rinder starke Herde selbst durchs Outback und zur Hafenstadt Darwin zu treiben. Unterstützt lediglich von einer Handvoll Viehtreiber und Angestellter, unter denen sich zwei befinden zu denen Sarah bald eine intensivere Beziehung aufbaut: Eine liebevoll-mütterliche zu dem Aborigine-Mischling und Waisen Nullah (Brendan Walters) sowie eine eher angespannt-streitvolle zu dem groben Treiber Drover (Hugh Jackman).
Dieser Treck durch die Wildnis ist zwar schon mal eine gewaltige Aufgabe, aber trotzdem nur der Auftakt zu einem Epos, das seinen Handlungsbogen von hier bis zu den Wirren des zweiten Weltkriegs spannt, inklusive eines spektakulären Angriffs der japanischen Flugstreitkräfte von fast "Pearl Harbor"-mäßigen Dimensionen. Den Punkt "Auftakt" müssen wir aber noch etwas ausführlicher besprechen. Denn was Luhrmann hier in der ersten Viertelstunde bei der Ankunft der Lady Ashley inszeniert ist eine Satire reinsten Wassers auf diese Art romantischen Abenteuerfilms. Komplett überdreht wie in einem Cartoon geht es da zu, ein Lacher folgt auf den anderen und spätestens, als ein paar allzu offensichtlich computeranimierte Kängurus den grotesk überladenen Wagen unserer beiden Helden überholen, fragt man sich, ob das jetzt die ganze Zeit so abgefahren weitergehen wird oder darf. Einerseits zeigen diese ersten Minuten also genau das, was man von diesem Regisseur (für den genussvoll-überzogene Verspieltheit quasi ein Markenzeichen ist) im Grunde auch erwartet, nämlich eine Art "Jenseits von Afrika" auf Speed. Sie führen aber auf eine falsche Fährte, denn der gute Baz schummelt uns da zunächst eine Richtung vor, die er im weiteren Verlauf nicht einhalten wird und wohl auch überhaupt nicht kann.
Denn auch wenn es aus Sicht eingefleischter Luhrmann-Fans sicher noch eine Weile hätte so weitergehen dürfen, wären zweieinhalb Stunden Over the Top-Verrücktheiten wohl irgendwann für die allermeisten Nervenkostüme zuviel und dem bei Produktionskosten von rund 130 Millionen Dollar nicht gerade komplett unwichtigen "Normalpublikum" auch kaum zuzumuten. So ändert sich der Ton bereits mit der Ankunft der Lady auf der Farm, wo die im Angesicht des Toten durchgeführten Rituale zum ersten Mal auch eine Atmosphäre der Bedrohung simulieren sollen, die sich dann spätestens mit dem auf recht brutale Art zum Waisenkind mutierenden Nullah sogar schon ins Tragische bewegt. Und so wird es nach diesem recht abrupt erfolgenden Stilwechsel auch weitergehen, denn für den Rest des Films sind nun große Gefühle und gewaltige Abenteuer angesagt. Gelegentlich durch ein paar Scherze aufgelockert, aber im Großen und Ganzen doch erstaunlich ernst gemeint von einem Mann, der der Inszenierung eben solcher großer Gefühle anscheinend so schmerzfrei und unbefangen gegenübersteht wie sonst kein zweiter Filmemacher dieser Tage.
Wie sich die Beziehung zwischen den beiden Kratzbürsten Lady Ashley und Drover entwickeln wird ist dabei genauso klar, wie die Bösen und Guten hier eindeutig erkennbar und zuzuordnen sind und sie allesamt das Schicksal erleiden werden welches ihnen typbedingt vorgegeben scheint. Die Figuren als eindimensional zu bezeichnen ist dabei aber die falsche Betrachtungsweise, es sind einfach Archetypen - genauso gewollt, genauso benötigt. Ein schematischer Aufbau und eine höchst konventionelle Erzählweise wie man sie aus unzähligen farbenprächtigen Abenteuerschinken der 40er und 50er Jahre gewohnt ist, inszeniert mit den technischen Mitteln von heute also.
Das ist schön anzuschauen, das ist auch allemal sehr unterhaltend, das ist aber irgendwie trotzdem ein Anachronismus. Und gerade weil man dem Film die Lust des Regisseurs, hier mal einen auf Epos und dicke Hose zu machen so anmerkt, bleibt es dann eben auch bei dem eher unbeteiligten, amüsanten Zuschauen, ohne dass es gelingt (oder dass es überhaupt nötig wäre) an dem dargebotenen Geschehen emotional besonderen Anteil zu nehmen. Nein, zu einem der unvergesslichen Paare der Filmgeschichte, die einem ans Herz wachsen und dort für lange Zeit bleiben, werden es der Viehtreiber und die englische Lady wohl nicht oder nur bei sehr wenigen bringen, dafür fehlt deren Drama dann tatsächlich - und man möchte es eigentlich gar nicht aussprechen - das Herz und die Tiefe.
Dabei gibt es nichts Grundsätzliches zu bemängeln an den Leistungen der Hauptdarsteller, denen man auch nicht nachsagen kann, die Chemie zwischen ihnen würde nicht stimmen. Das tut sie und wenn die Frau Kidman dann sogar wieder singt für den Herrn Luhrmann (wenn auch nur in einer Szene), ist sie auch wieder ganz kurz zu spüren und zu greifen, die Wärme genauso wie die Magie eines "Moulin Rouge". Überhaupt gibt es noch einige nette (das mehrfache Einbinden des im Jahre 1939 entstandenen Farbfilms vom "Wizard of Oz") und einige sehr ehrenwerte Einfälle. Dazu gehört das Bemühen um Authentizität bei der Besetzung sämtlicher Hauptrollen mit Australiern, wie auch der Versuch absolut seriös auf die Rassenproblematik und die Verbrechen an den ihren Familien weggenommenen Aborigine-Kindern einzugehen. Allerdings tragen auch diese Einschübe zur inneren Zerrissenheit eines Films bei, der zu oft auf einem schmalen Grat nicht nur zwischen Komödie und Drama, sondern sogar zwischen Parodie und ernsthaftem Gesellschaftsportrait wandelt, um nicht das eine oder andere Mal hinunter zu fallen.
Es ist beileibe kein Fehler sich "Australia" anzuschauen, schon alleine deshalb nicht weil man solche Bilder, so etwas Prachtvolles und Verschwenderisches nur sehr selten zu sehen bekommt und es im Grunde genau diese Art Film ist, für die man ins Kino gehen sollte. Man bekommt eine Menge geboten und gewinnt den Eindruck, alle Beteiligten hätten ihr Bestes gegeben. Doch am Ende bleibt trotz aller Wucht, die auch dieses Baz Luhrmann-Werk zweifelsohne besitzt, eine gewisse Leere zurück und es ist viel leichter als bei dessen früheren Werken möglich, eine gewisse Distanz zu wahren. Ein Rückschritt auf hohem Niveau zweifellos und deshalb am Ende vielleicht doch alles nur eine Frage der Erwartungshaltung?
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