Welch eine Überraschung war es, als im Februar diesen Jahres der Oscar für den besten fremdsprachigen Film nicht an unser deutsches Kleinod "Das weiße Band" ging, sondern an den argentinischen Außenseiter "El secreto de sus ojos", der jetzt unter dem Titel "In ihren Augen" auch endlich hierzulande startet. Auch wenn "Das weiße Band" ästhetisch in einer anderen Liga spielt, so ist "In ihren Augen" trotzdem ein würdiger Sieger gewesen. Regisseur Juan José Campanella mixt hier virtuos Genres, setzt hervorragende Schauspieler ein, schreibt auch noch fantastische Dialoge und hat einen Kameramann, der sich hinter dem Rest nicht zu verstecken braucht. Buenos Aires im Jahr 2000. Der ehemalige Gerichtsangestellte Benjamín Esposito möchte einen Roman schreiben über den einen Fall in seiner Karriere, der ihn nie losgelassen hat und den er nie zufriedenstellend abschließen konnte. Doch dieser Mord aus dem Jahre 1974 an einer jungen Frau will sich einfach nicht in passende Worte stecken lassen. Da wendet sich Esposito an seine ehemalige und viel jüngere Vorgesetzte Irene Menéndez Hastings, mit der ihn nicht nur dieser alte Fall, sondern auch eine alte, unerfüllte Liebe verbindet. Nach und nach decken die beiden eine ungeheure Geschichte aus dem letzten dunklen Kapitel ihres Landes auf. "In ihren Augen" basiert auf einem Buch von Eduardo Sacheri und ist schon der zweite Film Campanellas, der Oscar-nominiert wurde: Sein erster Film "Der Sohn der Braut" (2001) verlor seinerzeit jedoch gegen den bosnischen Beitrag "No Man's Land". "In ihren Augen" ist erst der zweite Film überhaupt, der für Argentinien diesen Academy Award gewann, der erste ging 1986 an "Die Verschwundenen" (La historia oficial), der ebenfalls die Zeit der Todesschwadronen mit ihren politischen Gefangenen, Verschleppten und Getöteten am Beispiel einer Familie zeigte. Dem sicheren Gefühl für Dialog und der wunderbar komplex ausgearbeiteten Handlung ist anzusehen, dass Campanella nicht nur Regisseur ist, sondern auch Drehbücher schreibt. Und was für welche. Seiner Arbeit sind viele sicher schon unbewusst über den Weg gelaufen, denn von ihm stammen Episoden von sowohl "Law & Order" und "Dr. House" als auch der Comedy-Serie "30 Rock". Den geübten Drehbuch-Profi erkennt man auch an der Sicherheit, mit der Campanella seine Zuschauer durch eine von Rückblenden zwischen den Jahren 1974 und 2000 gespickte Geschichte manövriert. "In ihren Augen" ist ein bisschen Film Noir und eine große Romanze, dabei aber auch ein bisschen Buddy-Movie und gleichzeitig ein politischer Film. Und das Verblüffende: All dies funktioniert auch noch. Einzig, dass hier der Zuschauer am Anfang überfordert und nicht mehr an die Hand genommen wird, kann man diesem Film überhaupt vorwerfen. Ansonsten muss man sagen: Hut ab, Señor Campanella. |
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