Nachtzug nach Lissabon: Interview mit Hauptdarsteller Jeremy Irons

von Volker Robrahn / 5. März 2013

irons 0Den Oscar als bester Hauptdarsteller nahm er bereits 1991 mit nach Hause, zuletzt sah man Jeremy Irons im Kino eher in einigen Genre-Rollen und auf dem kleineren Schirm als Papst in der TV-Serie „Die Borgias“. Gemeinsam mit seinem Regisseur Bille August, mit dem er vor zwanzig Jahren schon „Das Geisterhaus“ drehte, kehrt Irons nun aber mit einem großen Melodram auf die Leinwand zurück. Bei der Vorstellung des Films „Nachtzug in Lissabon“ in Hamburg nahm sich der Brite zwischen zwei Alsterspaziergängen auch die Zeit für ein Interview mit Filmszene.

Filmszene: Mr. Irons, Sie wirken sehr entspannt. Liegt das an unserer schönen Stadt?

Jeremy Irons: Auch, denn ich bin tatsächlich zum ersten Mal in Hamburg und so ein See mitten in der Stadt ist schon etwas sehr Ungewöhnliches, ich muss da unbedingt gleich nochmal hin. Und ich war halt letzte Woche auf der Berlinale, wo es naturgemäß viel hektischer und stressiger zugeht. Dagegen haben wir heute wirklich viel Zeit und ein wenig mehr Ruhe. Diese Stadt hat noch Raum und auch nicht allzu viele hohe Gebäude, das gefällt mir sehr gut.

Was mir gut gefällt, ist diese Art eines beinahe schon altmodischen, etwas ruhigeren Films wie Sie ihn jetzt mit „Nachtzug nach Lissabon“ gedreht haben. So etwas bekommt man heutzutage ja nicht mehr allzu oft zu sehen.

Nein, leider nicht. Und es tut gut von Zeit zu Zeit auch mal wieder einen Film zu machen, der sich dem Publikum nicht auf die laute und bombastische Art nähert, sondern der etwas freundlicher und geschmeidiger arbeitet, der sich seine Zeit nimmt und den Zuschauer im Kopf bearbeitet. Was ja auch eine der Stärken beim „Geisterhaus“ war, den ich mit Bille August vor zwei Jahrzehnten gedreht habe.

irons 1Der musste Sie dann vermutlich hierfür nicht erst lange überzeugen?

Überhaupt nicht. Weil ich die Art mag, wie Bille arbeitet. Wissen Sie, das Geschäft hat sich seit unserer ersten Zusammenarbeit doch sehr verändert. Es ist heutzutage unglaublich schwierig diese Art Filme finanziert zu bekommen. Ich meine damit so mittelgroße Produktionen, die weder ein weltweit vermarktbarer Blockbuster zu einer bekannten Marke sind, noch eine kleine Independent- oder reine Arthouse-Produktion. Das gesamte „Mittelfeld“ ist gerade dabei wegzubrechen. Vor allem in den USA wechseln die Autoren und Schauspieler daher zum Fernsehen, wo ja mittlerweile ganz großartige Sachen entstehen, ich denke da an Serien wie „Mad Men“ oder „The Wire“. Filme wie unser „Nachtzug nach Lissabon“ sind dagegen sehr schwer überhaupt noch in bestimmte Märkte zu verkaufen, weil sie für diese zu teuer sind.

Auch Sie machen ja mittlerweile eine TV-Serie.

„Die Borgias“, ja. Da drehen wir auch gerade eine neue Staffel und auch das ist eine interessante Arbeit, mal eine Figur über mehrere Jahre zu entwickeln.

Sind Sie selbst religiös?

Ich bin jedenfalls kein Clubmitglied in irgendeiner Kirche, aber ich halte mich zumindest für spirituell. Der Buddhismus ist dabei wohl die Glaubensrichtung, die mir noch am meisten gibt.

Ihre Figur in „Nachtzug“ scheint dagegen sehr unzufrieden mit ihrem Leben zu sein.

Er selbst hält es für unerfüllt, aber das heißt nicht, dass es das auch wirklich ist. Es ist nur so, dass man sich sehr an bestimmte Sachen gewöhnt und sie einem banal vorkommen, wenn man über Jahre stets das Gleiche tut.

irons 2Hatten Sie je das Gefühl in ihrem Leben irgendwie festgefahren zu sein?

Ich unterscheide mich doch sehr von Raimund, denn jeder neue Job, den ich annehme, ist für mich eine Art „Nachtzug“. Aber ja, es gab da mal eine Zeit, als ich Ende Vierzig war, wo mich meine Arbeit beim Film begann etwas zu langweilen. Deshalb habe ich damals dann auch für zwei Jahre komplett aufgehört und mir ein altes mittelalterliches Schloss in Irland gekauft und damit begonnen es zu renovieren. Ich wollte einfach etwas haben, das mich wirklich herausfordert und beschäftigt, so wie es die Filmarbeit damals leider nicht mehr tat.

Was reizt und fasziniert Sie denn daran so?

Ich liebe es Dinge wieder zum Leben zu erwecken. Energie und Liebe in Möbel zu stecken gehört dazu, das habe ich schon in dem allerersten Theater getan in dem ich damals in Bristol gespielt habe. Was mein kleines Schloss betrifft, so gefiel mir die Vorstellung darin zu leben ganz außerordentlich. Gut, ich habe natürlich einiges Geld dafür investiert und ich hatte viele Helfer. Aber mir war es das auch wert.

Helfen solche Dinge und Erfahrungen einem dann auch dabei wieder zurück auf den Boden zu kommen, nachdem man im Rest der Welt auf dem roten Teppich entlanggeht und als Star gefeiert wird? Falls Sie das überhaupt brauchen…

Oh doch, das brauche ich schon um nicht auch hin und wieder die Bodenhaftung zu verlieren. Aber da gibt es verschiedene Dinge, die mich „runterholen“. Meine Familie oder auch meine Pferde und Hunde zum Beispiel.

Ihre Figur in „Nachtzug nach Lissabon“ ist nicht wirklich Teil der „Action“, die sich hier ja in der Vergangenheit abspielt. Raimund entwickelt sich zwar, dies geschieht jedoch hauptsächlich durch Gespräche und spielt sich in seinem Kopf ab. Ist so eine „passive“ Rolle dann eine ganz besondere Herausforderung?

Ja schon, aber das ist ja letztlich das, was von einem Schauspieler auch verlangt werden darf - sich in andere Personen hineinzuversetzen. Aber das stimmt schon, es ist nicht gerade eine dramatische, durch Aktionen betonte Rolle. Aber ich liebe es ganz besonders solche normalen, durchschnittlichen Menschen zu spielen. Sie werden festgestellt haben, dass diese Figur auch rein äußerlich und von ihrer Haltung und der Art sich zu bewegen nur wenig mit mir gemeinsam hat.

Das stimmt, Sie wirken im Film deutlich älter und erschöpfter, ganz im Gegensatz zu heute hier. Wobei es für Männer doch nach wie vor immer noch etwas leichter ist im Kino mit Würde zu altern.

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Jeremy Irons beim Interview mit Filmszene-Redakteur Volker Robrahn

Das ist es wohl, vermute ich. Es ist halt so, dass das Kinopublikum überwiegend jung ist und sich wohl besser mit gleichaltrigen Leuten identifizieren kann. Ich persönlich mag es älter zu werden, so wie ich eben auch gerne ältere Dinge mag. Ich mag auch wenn Frauen altern, aber die hassen es meist und versuchen deshalb mit allen möglichen Mitteln dagegen anzukämpfen.  Das was dabei herauskommt hasse ich dann wiederum meistens, während ich mich an natürlichen älteren Damen wie etwa Helen Mirren oder Judi Dench sehr erfreuen kann. Es scheint für britische Frauen offenbar etwas einfacher zu sein in Würde zu altern.

Der Film hat meiner Meinung nach ein perfektes Ende und stoppt genau im richtigen Moment. Das Buch endet anders, hier bleibt dagegen offen, ob Raimund in sein altes Leben zurückkehrt oder nicht. Sie haben die Figur gespielt, wissen Sie, wie sie sich entscheiden wird?

Ein Buch funktioniert anders als ein Film und hier brauchten wir ein zwar nicht zuckersüßes, aber doch runderes Ende. Aber was denken Sie denn?

Ich glaube, dass er in Lissabon bleibt.

Das glaube ich auch.  


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