Light & Magic

von Matthias Kastl / 2. August 2022

Es war alles einfach perfekt. Dieses Fazit zieht am Ende der sechsten und letzten Folge von Disneys „Light & Magic“ einer der interviewten Mitarbeiter, als er an seine Arbeit bei der berühmten Special-Effects-Schmiede Industrial Light and Magic (ILM) zurückdenkt. Angesichts der wilden und wirklich faszinierenden Anfangsjahre der Firma, die das unterhaltsame Herz der ersten Hälfte dieser Doku-Serie bilden, nimmt man ihm diese Aussage auch ab. Doch in der zweiten Hälfte wird das Bild der „perfekten Firma“ von den Machern der Serie dann doch ein wenig überstrapaziert. Dazu beraubt der Einzug moderner Computertechnik und die stetig fortschreitende Professionalisierung der Branche das Geschehen auch etwas seines rebellischen Charmes, der die ersten Folgen noch so faszinierend macht. Wer aber kein Problem damit hat, dass Disneys Marketingabteilung hier am Ende gefühlt noch einmal mit dem Bügeleisen drübergefahren ist, der kommt gerade als Film- und vor allem „Star Wars“-Fan trotzdem auf seine Kosten.

Man könnte die sechsteilige Doku-Serie eigentlich auch schon fast als eine Art Making-Of-Light von „Star Wars“ bezeichnen. Die komplette erste Hälfte der Mini-Serie dreht sich nämlich nur um die Entstehung der Original-Trilogie von George Lucas Weltraumsaga. Was auch nicht ganz überrascht, denn schließlich waren dies die wilden ersten Jahre des Unternehmens. Mit Lawrence Kasdan hat man für die Serie darum auch gleich den passenden Insider für den Regieposten eingestellt. Schließlich war Kasdan unter anderem an den Drehbüchern von „Das Imperium schlägt zurück“, „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ und „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ beteiligt.

Mit einem Mix aus altem Archivmaterial und zahlreichen neu aufgenommenen Interviews möchten Kasdan und sein Team nun die Geschichte von ILM nachzeichnen. Neben Firmengründer George Lucas und ein paar dessen berühmter Regiekollegen lässt er dabei vor allem auch zahlreiche ehemalige und aktuelle Angestellte von ILM zu Wort kommen. Die Serie möchte dabei aber nicht nur den Blick auf die kreative Arbeit hinter den Kulissen lenken, sondern vor allem auch den besonderen Spirit der Mitarbeiter herausarbeiten.

Und das ist ein ziemlich faszinierender Spirit – zumindest, wenn man die Anfangsjahre von ILM betrachtet. Die größte Stärke von „Light & Magic“ ist das schillernde Firmenpersonal der ersten Jahre, das sich aus einem Haufen wilder Quereinsteiger zusammensetzte. Eine bunte Truppe, die damals keine Ahnung davon hatte, dass sie bald Filmgeschichte schreiben würde. Natürlich geht einem als Filmfan schon alleine dann das Herz auf, wenn man dank alter Archivaufnahmen diesem Haufen kreativer Improvisationskünstler bei der Arbeit an den praktischen Effekten über die Schulter schauen darf. Wohlwissend, dass aber viele dieser alten Aufnahmen gerade „Star Wars“-Fans wohl schon ziemlich vertraut sein dürften, belässt es die Dokumentation glücklicherweise nicht dabei.

Stattdessen versucht man uns auch die Biographien der einzelnen Beteiligten ein klein wenig näher zu bringen. Dazu bedient man sich nicht nur zahlreicher neu aufgenommener Interviews, sondern lässt die alten Recken dabei auch noch stolz den ein oder anderen selbstproduzierten Monsterfilm aus ihrer Kindheit präsentieren. Das sind dann auch mit die schönsten da persönlichsten Momente der Serie, die noch einmal deutlich machen wieviel persönliche Leidenschaft damals in die Arbeit von ILM eingeflossen ist. Und es ist auch eine kleine Liebeserklärung an den legendären Tricktechnik-Pionier Ray Harryhausen, ohne dessen Einfluss „Star Wars“ wohl nie das Licht der Welt erblickt hätte.

Es ist dabei bezeichnend für diese erste Generation an ILM-Mitarbeitern, dass sie auch fast 50 Jahre später beim Interview immer noch rebellisch und wild daherkommt. Mit ihren teils langen buschigen Bärten wirken die meisten von ihnen wie Mitglieder einer etwas in die Jahre gekommenen Rockertruppe. Echte Typen eben. Im Vergleich dazu kommt George Lucas hier in seinen Interviews eher etwas blasser daher – auch wenn die Serie ganz gut herausarbeitet, was dessen Antrieb hinter der Gründung von ILM war.

Immer wieder zeichnet „Light & Magic“ dabei das Bild der „großen Familie ILM“, bei der alle stets an einem Strang zogen und alles eigentlich wie eine große tolle Party war. Dass es selbst in den intaktesten Familien auch mal etwas Stress geben kann, wird in den ersten Folgen eigentlich nur einmal kurz angedeutet, als einer der wichtigsten Mitarbeiter von Lucas kurzerhand ausgebootet wird. Wirklich auf die Gründe eingehen tut die Serie aber nicht, man will sich ja schließlich den „Magic“-Teil nicht kaputtmachen. Das ist aber natürlich auch nicht verwerflich, denn hier liegt ja nicht der Fokus der Dokumentation.  

Dass die Magie des Ganzen in der zweiten Hälfte der Serie aber trotzdem etwas flöten geht liegt an anderen Gründen. Nach dem Erfolg von „Star Wars“ wurde ILM deutlich erwachsener und zu einem starken Wachstum gesellte sich nun auch eine deutliche Professionalisierung. Der wilde Spirit der Anfangsjahre ist vorbei und damit verliert die Serie spürbar ein wenig ihren emotionalen Anker. Auf der Suche nach neuen interessanten Facetten hetzt man nun eher vergeblich durch die 1980er Jahre. Angesichts von Namen wie „E.T.“ oder „Indiana Jones“ liegen dort zwar auch noch wahre Schätze begraben, aber leider bleibt es hier bei ein paar zwar ganz netten aber doch eher oberflächlichen Blicken hinter die Kulissen. 

Erst als die Computertechnik aufkommt blüht die Serie wieder etwas auf, da sich nun ein spannender Konflikt zwischen alter und neuer Spezialeffekte-Generation auftut. Jetzt wird die Serie endlich auch wieder etwas persönlicher und zwar in Form der tragischen Rolle des Stop-Motion-Künstlers Phil Tippett. Dessen für „Jurassic Park“ in liebevoller Handarbeit erstellte Saurier-Modelle mussten schlussendlich moderner Computertechnik weichen, und das mit anzuschauen bricht einem als Zuschauer dann schon ein wenig das Herz. Dies war eine Art Zäsur, was die Arbeit im Bereich der visuellen Effekte angeht, welche die Serie aber nun auch vor ein gehöriges Dilemma stellt. Denn Computerspezialisten über die Schultern zu schauen ist nun mal deutlich weniger sexy als die Arbeit von Modellbauern zu begleiten. Und spätestens jetzt zeigt sich ein klein wenig die Krux und auch Ironie dieser Doku-Serie.

Der Einsatz praktischer Effekte versprüht für viele Menschen immer noch mehr Charme als digital erzeugte Computertricks. Diese Meinung wird von der Serie aber komplett ignoriert. Stattdessen lässt man neben George Lucas nur Regisseure wie Robert Zemeckis oder auch James Cameron zu Wort kommen – allesamt leidenschaftliche Verfechter digitaler Spezialeffekte. Es ist schon fast penetrant wie die Serie im Schlussdrittel digitale Effekte als das Allheilmittel für das Kino propagiert. Und da ist es dann schon eine gewisse Ironie, dass die Serie spürbar dabei strauchelt dieser neuen Phase etwas Faszinierendes abzugewinnen. Kein Wunder, denn statt wilder Quereinsteiger sitzen da nun top ausgebildete Experten, die statt liebevoller Handarbeit nun stundenlang auf einen Bildschirm blicken. Cineastisch ist das natürlich nur bedingt.

Und so handelt die Serie alles nach „Jurassic Park“ im Wesentlichen in wenigen Minuten ab. Als ob man selbst gelangweilt davon ist, was diese Leute da auf ihren Computern so zusammenbasteln. Nur für die Effekte von „Star Wars: Episode 1“ und „The Mandalorian“ nimmt man sich noch einmal ein paar Minuten Zeit. Das ist auch durchaus nett anzuschauen, aber leider möchte man dabei auch noch unbedingt das emotionale Bild von ILM als große Familie weiter aufrechterhalten. Nur lässt man jetzt unter anderem Business-Menschen über diesen tollen Spirit sprechen und das wirkt dann doch schon nicht mehr ganz so charmant und eher nach einstudierten Marketingfloskeln. Und dass man nach Spielberg, Cameron und Zemeckis nun ausgerechnet Regisseur Barry Jenkins („Moonlight“) über die Effekte der Mini-Serie „The Underground Railroad“ sprechen lässt, liegt wohl auch allein nur daran, dass dieser dann brav von seinem inspirierenden Filmerlebnis mit „Star Wars: Episode 1“ schwärmen kann.

So kommt die Serie gegen Ende einfach ein klein wenig zu glattgebügelt und werblich daher. Vielleicht hätte man sich einen besseren Gefallen getan, wenn man sich wirklich nur auf die Anfangsjahre von ILM konzentriert hätte. So aber stolpert man nachher gefühlt eher etwas ungeschickt ins Ziel, was angesichts der durchaus charmanten ersten Hälfte der Serie ein bisschen schade ist. Filmliebhaber kommen aber bei den vielen auch später ja immer noch durchaus interessanten Blicken hinter die Kulissen trotzdem auf ihre Kosten. Und egal ob große Familie hin oder her, ILM hat mit seiner Arbeit das Kino ja wirklich revolutioniert. Und da ist es dann eigentlich ja doch auch wieder in Ordnung, wenn man sich einfach mal selbst feiert.

"Light & Magic" ist seit dem 27. Juli 2022 auf Disney+ verfügbar.

Bilder: Copyright

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.