"With a movie you're creating from the beginning this particular work,
let's not call it work of art, because very few movies are works of art,
let's just call them bits of popular culture, whatever they are,
sometimes very rarely by accident a movie becomes a work of art."
- Sydney Pollack
Robert Redford knattert über die dicht befahrenen Avenues von New York. Am Lenker seines Mopeds baumelt eine Tüte voller Sandwiches. Es ist der Lunch für ihn und seine Kollegen einer kleinen, harmlosen CIA-Büroeinheit. Und wie es nun mal ab und zu so ist, benutzt Redford genau an diesem Tag nicht den üblichen Eingang, sondern kommt durch die Hintertür. Glück im Unglück. Beim Betreten des Büros findet er alle seine Kollegen ermordet vor. Redford soll dieses Schicksal teilen, und er hat keine Ahnung, wieso. Auf diese denkwürdige Weise beginnt der legendäre Thriller "Die drei Tage des Condors" aus dem Jahr 1975, der auf beispielhafte Weise viele Grundmotive des Regisseurs Sydney Pollack vereint.
Zu allererst ist es einer der vielen Filme, die Pollack mit seinem Lieblingsdarsteller Robert Redford drehte. Eine Zusammenarbeit, die große Früchte getragen hat und sich in verschiedenen Genres manifestierte, in diesem Thriller ebenso wie im Western "Jeremiah Johnson" oder den großen Melodramen "Jenseits von Afrika" und "Havana". Redford war die zentrale Figur der Pollack-Universen, sein erschrockener Blick und der leicht melancholische Gestus durchtränkte die Geschichten, die selbst oft etwas Verlorenes und Nostalgisches hatten mit ihrem Hang zu altmodischer Romantik und großen Gefühlen.
Doch in Pollacks Filmen ging es immer auch um den Gegensatz von Innen und Außen. Von Sicherheit und Paranoia. Von Gefahr und Zuflucht. Der eng verwinkelte Agententhriller "Die drei Tage des Condors" bietet der Redfordfigur entweder die tödliche Realität einer Agentenhetzjagd in den nebligen Straßen eines unheimlichen New York oder die inszenierte Künstlichkeit der Wohnung einer Theaterdarstellerin (Faye Dunaway). In dem Melodrama "So wie wir waren" suchen Barbara Streisand und Robert Redford in der emotionalen Sicherheit einer Liebesbeziehung den nötigen Schutz vor dem politisch aufgeladenen Alltag ihrer Zeit. Doch im Amerika der McCarthy Ära und in der Atmosphäre des Kalten Krieges ist die Liebe eines angepassten amerikanischen Posterboys zu einer kommunistischen Aktivistin alles andere als eine Privatangelegenheit.
Pollack, das wird jetzt in der Welle der Nachrufe deutlich, war ein klassischer Darstellerliebling. Ein Regisseur, dem sich die Stars anvertrauten und gerne in seinen Filmen mitspielten. Das liegt vielleicht auch daran, dass Pollack selber immer den großen Traum einer Darstellerkarriere hatte und durch viele kleine Nebenrollen bis zum Schluss zu kompensieren versuchte. Einmal sagte er dazu: "I didn't believe that I'd ever be lucky enough to be able to make a living as an actor."
1961 bei den Dreharbeiten zu John Frankenheimers "The Young Savages", in dem Pollack eine kleine Nebenrolle spielte, sprach ihn irgendwann zwischen zwei Takes der damalige Hauptdarsteller Burt Lancaster an und empfahl ihm, es doch mal mit der Regie zu versuchen. Der Sohn russischer Emigranten, der nie ein College besucht hatte und in New York an einer kleinen Schauspielschule sein Können erlernte, folgte dem Rat und schuf so einige der bekanntesten Mainstreamfilme der 70er und 80er Jahre. Doch war er nie ein klassisches Kind Hollywoods, wie er selbstironisch betonte: "I've made films in Japan, in Yugoslavia, all over Europe, all over the United States, Mexico, but not in Hollywood."
Pollacks Filme mit ihrem Hauch des Vergangenen (oft betont von einem sanften Sepiaton der Bilder) spiegeln eine Sehnsucht nach einer anderen Welt wieder, und nach einem anderen Kino. Schon in seiner Hauptschaffensphase haftete seinen Inszenierungen immer ein Hauch der Nostalgie an. Was aber in den 70ern und 80ern noch funktionierte, schien in den 90ern mehr und mehr fehl am Platz zu sein. Mit dem klassischen Justiz-Thriller "Die Firma" von 1993 feierte Pollack zwar noch einen großen Erfolg, doch das Billy Wilder-Remake "Sabrina" von 1995 floppte an der Kasse und bei der Kritik, ebenso wie die Melodramen "Havana" (1990) und "Begegnung des Schicksals" (1999).
Doch Pollack war klug genug, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten. Er gründete mit dem ebenfalls vor kurzem tragisch verstorbenen Anthony Minghella eine Produktionsfirma und half so hinter den Kulissen, bemerkenswerte Filme zu machen (u.a. die Oscar-nominierten "Der talentierte Mr. Ripley", "Unterwegs nach Cold Mountain" und "Michael Clayton"). Vor drei Jahren wollte er es dann nochmal selbst wissen. Aber auch "Die Dolmetscherin", mit dem Pollack auf gewohnte Thriller-Pfade zurückkehrte, wurde eher gemischt aufgenommen. Die postkoloniale Thematik wirkte nach dem Schrecken von 9/11 etwas altbacken und nicht mehr so recht en vogue. Den Glauben an eine sichere Zuflucht schien Pollack hier langsam zu verlieren: Nicole Kidman und Sean Penn in den Hauptrollen fanden kaum noch einen Rettungsanker zwischen den Wolkenkratzern der UNO. Immerhin konsequent: Das Ende des Films war klassisches Melodrama.
"Michael Clayton" war einer der letzten Filme, die Sydney Pollack produzierte. Der Film ist eine konsequente Weiterführung seiner Motive. Die trüben Bilder und die paranoide Atmosphäre rufen immer wieder einige von Pollacks älteren Werken ins Gedächtnis, doch ganz zeitgemäß findet Michael Clayton keinen Raum der Ruhe oder Sicherheit mehr, nur in seinem Job findet er noch Bestätigung. In der Welt, die ihn auch zerstört. Es wundert daher nicht, dass Pollack diesen Film nicht selbst drehte. Vielleicht wäre es ihm unmöglich gewesen so weit zu gehen, solch ein Abbild unserer Welt zu zeichnen. Dazu war er ein viel zu sehnsüchtiger Nostalgiker, ein klassischer Romantiker, der meisterhaft große Gesten und Emotionen für die Leinwand einfing und mit Klassikern wie dem mehrfach Oscar-gekrönten "Jenseits von Afrika" ein riesiges Publikum berührte. Für so etwas scheint heutzutage kein Platz mehr in unseren Kinos zu sein.
Trotzdem: Seine Filme sind herausragende Beispiele einer Kinoepoche, die auch im Mainstream noch genügend Platz für nostalgische Utopien fand, ohne dabei allzu prätentiös zu werden oder vollends im Kitsch zu versinken. Pollack war einer der größten Erzähler und geistigen Väter dieses Kinos, und dafür wird er in die Geschichte eingehen.
Neuen Kommentar hinzufügen