Foundation (Folge 1+2)

von Matthias Kastl / 24. September 2021

Sony Pictures, 20th Century Fox, Warner Bros und HBO – sie alle hatten schon Pläne in der Tasche Isaac Asimovs berühmteste Buchreihe "Foundation" filmisch umzusetzen. Und sie alle haben sie letztlich wieder verworfen. Zu anspruchsvoll und komplex ist die ein ganzes Jahrtausend überspannende Science-Fiction Reihe rund um den Untergang und Wiederaufbau eines galaktischen Imperiums. Ausgerüstet mit einem knackigen Budget und der Hoffnung auf jede Menge Zeit (es sind 80 Episoden angedacht) wagt sich Autor und Produzent David S. Goyer ("The Dark Knight", "Man of Steel", "Terminator: Dark Fate") nun aber daran, für Apple TV+ diese harte Vorlagennuss zu knacken. Optisch erwartet den Zuschauer dabei ein wahrer Leckerbissen. Doch der Serienmotor stottert spürbar wenn es darum geht, dem Publikum zum Start auch ein inhaltlich starkes Fundament zu präsentieren.

Ein starkes Fundament ist dabei genau das, was das riesige galaktische Reich nach der Meinung des Mathematikers Hari Seldon (Jared Harris) bald benötigen wird. Seldon ist Erfinder der sogenannten Psychohistorik, bei der auf Basis statistischer und soziologischer Verfahren die Zukunft berechnet werden kann. Und nach Seldons Berechnungen steht das Reich direkt vor dem Untergang und sollte schon jetzt mal lieber den Wiederaufbau vorbereiten.

Eine Theorie, die der herrschenden und sich durch gezieltes Klonen ständig selbst replizierenden Königsfamilie rund um Brother Day (Lee Pace) natürlich so gar nicht schmeckt. Zusammen mit dem jungen Mathegenie Gaal (Lou Llobell) und einer kleinen Schar von Anhängern wird Seldon darum ans andere Ende der Galaxie verbannt. Aber natürlich hat der Meister auch das schon kommen sehen. Nun kann er endlich ungestört seinen Masterplan umsetzen: die Gründung einer von Wissenschaftlern geleiteten Foundation. Die soll ganz gezielt den Wiederaufbau eines genauso friedlichen wie perfekten neuen Reiches vorbereiten. Doch was, wenn Seldons Theorie vielleicht doch nicht so wasserdicht ist, wie er selbst immer glaubt?

Ein riesiges galaktisches Reich, die Vorboten eines dramatischen Krieges und das alles verbunden mit großen philosophischen Fragen rund um die Errichtung einer perfekten Utopie – bei der Inhaltsbeschreibung von "Foundation" geht einem als Science-Fiction-Fan wahrlich das Herz auf. Nichts geringeres als den Untergang des heiligen römischen Reiches hatte sich Asimov einst als Inspiration für seine Buchreihe herangezogen, die er in den 1940ern mit ein paar Kurzgeschichten startete und in den 1980ern noch mal um zwei Fortsetzungen und zwei Prequels erweiterte. Nur um dann selbst für zahlreiche Science-Fiction-Klassiker zur Inspiration zu werden. "Dune", "Star Wars" oder "Per Anhalter durch die Galaxis" griffen Motive aus der Reihe auf oder zitierten den Meister gar direkt.

Doch ist ein derart philosophisch angehauchtes und eher "trocken" geschriebenes Science-Fiction-Werk wirklich das richtige, um für AppleTV+ die Massen zu mobilisieren? Nun, die ersten beiden Folgen bestätigen den Verdacht, dass man die großen philosophischen Fragen für den Mainstream hier doch lieber etwas abfedern möchte. Und so setzt man sich, abgesehen von einer kurzen Diskussion über die Wahl des perfekten Zahlensystems für den Neustart des Reiches, noch nicht wirklich tiefsinnig mit der Idee der Foundation auseinander. Stattdessen fokussiert man sich darauf eine möglichst beeindruckende Welt mit vielen schillernden Figuren zu etablieren und würzt das alles mit ein bisschen Action und Romantik.

Dabei entfernt man sich teilweise allerdings deutlich von der literarischen Vorlage. Das mit der Romantik zwischen Mann und Frau war dort alleine schon deswegen schwierig, da Asimov fast nur männliche Figuren in seinem Foundation-Zyklus auftreten ließ. Das geht im Jahr 2021 natürlich nicht und so bekommen wir gleich zwei starke schwarze Heldinnen präsentiert (wovon eine aber erst später so richtig eingreifen wird). Trotzdem kommt es nicht ganz überraschend, dass sich Hari Seldon als die mit Abstand spannendste Figur der ersten beiden Folgen entpuppt.

Das liegt natürlich auch an dem wie immer fabelhaften Jared Harris, der einfach wie geboren für die Darstellung des charismatischen Intellektuellen ist. Ähnlich wie schon in der großartigen Mini-Serie "Chernobyl" spielt er auch hier wieder überzeugend den geistreichen Wissenschaftler, dessen düstere Prognosen bei den Entscheidungsträgern erst einmal auf taube Ohren stoßen. Dabei avanciert Seldon sogar zu einer Art Messias, dessen hartnäckige aber eben auch empathischen Appelle an die Vernunft und Wissenschaft das Publikum schnell auf dessen Seite ziehen. Und so hat man schon bald richtig große Lust darauf diesen Mann bei der Umsetzung seines ambitionierte Plans zu begleiten.

Leider sieht das die Serie aber nur teilweise so und rückt im weiteren Verlauf stattdessen die junge Mathematikerin Gaal immer stärker in den Fokus. Und hier beginnen dann auch die Probleme. Dass Gaal komplett unglaubwürdig wirkt liegt dabei nicht an Darstellerin Lou Llobell, denn die wirft sich mit spürbar viel Engagement in ihre erste große TV-Rolle. Das Problem ist die Figur und vor allem auch ihre Einführung, denn Gaal wird uns ohne jegliche Vorgeschichte als das große Mathegenie präsentiert. Was angesichts ihres jugendlichen Alters und ihrer Herkunft (Gaal stammt aus einer sehr primitiven Stammeskultur) einfach schwer zu schlucken ist. Man gibt sich hier auch nicht einmal die Mühe, irgendwie die Figur clever wirken zu lassen. Stattdessen darf Gaal sich nach kurzer Zeit gleich einmal naiv in die erste wilde Romanze stürzen. Die Mainstream-Zielgruppe lässt grüßen.

Angesichts dessen, was hier auf dem Spiel steht, wirkt diese Figur leider einfach viel zu naiv und die große Bewunderung von Seldon für Gaal mehr erzwungen denn verdient. Als Anker für das Publikum taugt Gaal also zumindest in den ersten beiden Folgen nicht. Und so bleibt nur zu hoffen, dass die Serie für dieses wirklich gravierende Problem bald eine vernünftige Lösung findet. Etwas mehr Zeit für die Figurenentwicklung wäre hier definitiv ratsam. Überhaupt sprinten die ersten beiden Folgen gefühlt durch unzählige verschiedene Storystränge, um auch möglichst viel mysteriöse Entwicklungen anzuteasern. Was natürlich in der Natur eines Serienbeginnes liegt, doch ein wenig übertreibt man es hier dann doch. Und das zusätzlich auch noch mit der Zeitebene gespielt wird und ein mysteriöser Tresor am anderen Ende der Welt etabliert wird, vereinfacht die Sache nicht gerade.

Es gibt aber auch Positives zu berichten. Auch wenn die Serie zu Beginn in ihrer Hast vielleicht noch nicht so richtig inhaltlich zünden kann, bietet sie trotzdem noch genug faszinierende Bausteine, um das Publikum weiter am Ball zu halten. Neben Hari Seldons Masterplan hat dabei vor allem die Idee einer sich durch Klonen ständig selbst reproduzierenden Königsfamilie, die übrigens so in der Originalvorlage nicht auftaucht, durchaus ihren Reiz. Wenn am Essenstisch drei verschiedene Klongenerationen (Sohn, Vater, Opa) über die richtige Politik für das Reich diskutieren, dann knistert es dank kleiner Spitzen und erster Intrigen doch sehr angenehm in der Luft. Auch wenn Brother Day, die treibende Kraft des Klon-Trios, angesichts kaum vorhandener Graustufen bisher noch in die Rubrik "einseitiger Hollywood-Bösewicht" fällt.

Und dann wären da ja noch die Effekte. "Foundation" sieht teuer und großartig aus. Prächtige Paläste, weite Landschaften, kreativ designte Raumschiffe – das ist schon richtig beeindruckender Augenschmaus. Auch wenn man sich, zum Beispiel angesichts eines riesigen Aufzuges zwischen einer Raumstation und einer Planetenoberfläche, hier und da schon fragt, ob das Design nun auch wirklich alltagstauglich wäre. Immerhin sorgt es in diesem Fall aber für eine sehr coole Actionsequenz. Und so gibt es bei allen inhaltlichen Stolpersteinen dank des visuellen Einfallsreichtums der Macher doch immer wieder etwas schönes zu entdecken.

Man merkt schon, hier steckt jede Menge drin in den ersten Folgen. Allerdings eben auch die Tatsache, dass man es offensichtlich möglichst vielen Zielgruppen recht machen will und so ein wenig den Anspruch zugunsten eines möglichst unterhaltsamen und abwechslungsreichen Geschehens herunterschraubt. So ist es schon fast Ironie, dass ausgerechnet bei "Foundation" das Fundament für einen gelungenen Serienstart noch etwas zu wackelig daherkommt. Sollte man den dramaturgischen Schluckauf aber abstellen, steckt hier wirklich jede Menge Potential drin, um am Ende vielleicht doch noch ein wirklich erstklassiges Science-Fiction Highlight abzuliefern.

Die weiteren acht Folgen der ersten Staffel werden zeigen, ob die Macher die Steilvorlage von Isaac Asimov noch besser nutzen können. Angesichts der von Apple verhängten Sperrfrist wird es aber noch etwas dauern, bis wir hier unser finales Urteil über die erste Staffel fällen können. Vielleicht kann man aber ja schon so viel anmerken: Einfacher werden die Herausforderungen an die Macher angesichts der komplexen Buchvorlage sicher nicht.

"Foundation" startet mit den ersten beiden Folgen am 24. September 2021 auf AppleTV+. Danach erscheinen die ausstehenden Folgen jeweils im Wochenrhythmus jeden Freitag.

Bilder: Copyright

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