
Will Stanton (Alexander Ludwig) hat es nicht leicht. Als jüngster von sechs Brüdern hat er in der Familie eh nicht viel zu melden und dann zieht diese auch noch von den USA in ein kleines englisches Kaff. Die neue Schule hält zwar eine hübsche Traumfrau (Maggie Barnes) bereit, aber die müsste Will dann irgendwann auch mal ansprechen. All diese Schwierigkeiten entpuppen sich jedoch bald als unbedeutende Problemchen, denn der 14jährige erfährt, dass er der Letzte einer Gruppe von Kämpfern ist, die sich die Uralten nennen und von Merriman Lyon (Ian McShane) angeführt werden. Will besitzt sogar besondere Fähigkeiten, die ihm bei der Erfüllung seiner Aufgabe helfen sollen. Denn er ist der "Sucher der sechs Zeichen" und wenn nicht er sondern der dunkle Reiter (Christopher Eccleston) diese in die Hände bekommen sollte, droht nicht weniger als das Ende der Welt wie wir sie kennen.
Klingt das nicht aufregend und interessant? Es klingt wohl vor allem ziemlich vertraut, denn ein Junge im Teenageralter, in dem gewaltige übernatürliche Kräfte schlummern und der die größte Hoffnung im Kampf gegen das Böse verkörpert, hat sich ja bereits als erfolgversprechendes Konzept bewährt. Nicht nur weil auch diese Geschichte in England spielt ist sie dabei deutlich näher am Grundkonzept des Zauberlehrlings Potter als etwa an den "Chroniken von Narnia", welche ebenfalls von der erzkonservativen Walden Media Gruppe produziert werden. Auch die "Wintersonnenwende" beruht zudem auf einer mehrbändigen erfolgreichen Jugendbuchreihe, so dass das Ganze selbst bei fehlender Originalität ein recht sicherer kommerzieller Hit hätte werden können.
"Können" weil sich dieses Ziel bereits vor dem deutschen Kinostart erledigt hat. Und das keineswegs nur aufgrund des bereits bekannten enttäuschenden US-Startwochenendes. Vielmehr scheint es, als ob von Seiten des Verleihs spätestens nach Sichtung des fertigen Films komplett das Vertrauen in den Erfolg verloren gegangen wäre. Denn nur so lässt sich der äußerst zurückhaltende und kaum von nennenswerten Marketingmaßnahmen begleitete Einsatz des Films nicht nur hierzulande erklären. Eine Pressevorführung im begrenzten Kreis gerade mal drei Tage vor dem Filmstart, für ein Produkt, welches eher der Öffentlichkeit ins Bewusstsein gebracht werden als vor etwaigem "Geheimnisverrat" geschützt werden müsste? Seltsam und selbst dann schwer nachzuvollziehen, wenn es sich hier qualitativ um eine absolute Gurke handeln sollte. Denn wenn das ein Argument wäre, hätte ja für "Eragon" schließlich kein einziger Euro in die Werbung investiert werden dürfen.
Und ganz so übel ist das Werk ja auch gar nicht geworden (doch, doch wir sprechen in dieser Rezension auch noch über den Film selbst). Visuell und im Bereich der Spezialeffekte bekommt man hier zumindest guten Durchschnitt geboten, die Story ist auch nicht viel alberner und unwahrscheinlicher als in vergleichbaren Genreproduktionen und die meisten Figuren sind an sich gar nicht mal unsympathisch. Woran es aber ganz gewaltig hapert ist die Charakterisierung der einzelnen Personen und der nicht vorhandene Aufbau von Spannung und Atmosphäre. Wenn der Zuschauer den Eindruck bekommt, dass diese Vision vom "Ende der Welt" nicht einmal in den Beteiligten AUF der Leinwand besondere Emotionen auslöst, dann bleibt man halt auch VOR derselben recht unbeteiligt.
Ob nun unser Held Will Stanton selbst diese gewaltige Veränderung in seinem Leben mit einem lapidaren "Aha, cool" abtut oder seine Schwester sich nicht weiter über Zeitsprünge wundert - allzu große Aufregung ist selten vorhanden und selbst der Bösewicht und "Dunkle Reiter" gibt sich zwischendurch recht nett und umgänglich. Die Krone setzt dieser Tendenz dabei der gute Ian McShane auf, der viele zuletzt mit seiner charismatischen Darstellung in der Serie "Deadwood" begeisterte, hier aber nicht nur in der Filmhandlung vom unerfahrenen und unwilligen Will genervt ist, sondern auch sonst so agiert, als wenn man ihn für diese Produktion zwangsverpflichtet hätte.
Fantasy, ob nun in der etwas erwachseneren "Herr der Ringe"-Version oder in der kinderfreundlicheren "Harry Potter"-Variante, benötigt vor allem Eines um überzeugen zu können: Nämlich eine Ausstrahlung, die man für gewöhnlich mit dem nur schwer übersetzbaren Begriff "Sense of Wonder" umschreibt. Und von dieser Begeisterung am Unbekannten und Geheimnisvollen ist in dieser bemerkenswert unspektakulären Verfilmung des ersten Buchs der "Wintersonnenwende" leider erschreckend wenig zu spüren. Das ist erstens schade und zweitens in diesem Genre unverzeihlich. Und deshalb dürfte auch bereits jetzt feststehen, dass wir auf die Adaption der Folgebücher nicht zu warten brauchen, denn es wird sie kaum geben. Was die Wenigen, die vom ersten Abenteuer des "Suchers" überhaupt etwas mitbekommen werden, wahrscheinlich aber auch verschmerzen können.
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