1974 trat der Bundeskanzler Willy Brandt, dessen symbolträchtiger Kniefall von Warschau die Entspannungspolitik im Kalten Krieg eingeleitet hatte, überraschend zurück, unter anderem, weil sein persönlicher Referent Günter Guillaume als ostdeutscher Spion enttarnt worden war. Guillaume war kurz zuvor mit seiner Frau verhaftet worden. Doch mit diesem Ereignis änderte sich nicht nur die deutsche Politik, sondern auch das Leben zweier unschuldiger Söhne: Matthias Brandt (13 Jahre) und Pierre Guillaume (17 Jahre, trägt heute den Namen Boom). Beide Söhne wurden Scheidungskinder (der eine früher, der andere später), denen die Aufmerksamkeit, die die Väter bekamen, eher unangenehm war. Auch als erwachsene Männer blieben sie den Vätern fremd, die sie eigentlich als Kinder schon kaum gekannt hatten. Die Geschichte dieser beiden Männer porträtiert die Regisseurin Doris Metz in diesem parallel montierten Dokumentarfilm, in dem die Söhne Matthias und Pierre einzeln interviewt wurden und an die Orte ihrer Kindheit zurückkehrten. Die Beschäftigung mit den Vätern hatte für die beiden
Protagonisten jedoch schon früher im Licht der Öffentlichkeit
begonnen: Im TV-Film "Im Schatten der Macht" (2003) über
die Guillaume-Affäre trat der Sohn von Willy Brandt in der
Rolle des DDR-Spions auf, während 2004 Pierre Booms Buch über
seinen Vater ("Der fremde Vater") veröffentlicht
wurde. Obwohl die Geschichte dieser Söhne interessant ist, inszeniert
Metz sie leider allzu langweilig. Man glaubt manchmal, in einem
Film über Architektur zu sitzen und nicht in einem Film über
zwei Männer und ihre Väter, so statisch sind die Bilder.
Hinzu kommt, dass die Interviews zwar manchmal emotional anrühren,
sich an anderen Stellen jedoch viel Leerlauf einschleicht. So sind
Sätze wie "Früher war die Hecke kleiner" nur
von geringer Aussagekraft für die Auseinandersetzung mit dem
eigentlichen Thema. Ein Gespräch der beiden Männer untereinander
vermisst man leider, da Metz dies bewusst umging. Als Doris Metz sich an beide Männer wandte, um sie für ihren Film zu gewinnen, sagte Boom, der sich gerade lange mit dem Thema seines Vaters auseinandergesetzt hatte, sofort zu. Doch Matthias Brandt sperrte sich zuerst, weil er befürchtete, man würde ihn wieder nur im großen Schatten seines Vaters betrachten. Zu einem gewissen Teil hatte er tatsächlich Recht, denn viele Zuschauer werden sich diesen Film mit Sicherheit deshalb anschauen, weil sie sich für die Geschichten hinter den politischen Kulissen der Väter interessieren und nicht, weil sie mehr über die Söhne als Individuen erfahren möchten. Dass sich dieser "Psycho-Voyeurismus" durchaus gut verkaufen lässt, beweisen die hohen Umsatzzahlen der Bücher von Kindern berühmter Eltern, die mit ihren bekannten Erzeugern abrechnen. Es ist Metz zu verdanken, dass "Schattenväter" nicht anklagt, sondern stattdessen die Auswirkungen auf die Söhne dokumentiert, die es wahrlich nicht leicht hatten, sich aus dem Schatten ihrer Väter zu lösen. |
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