
Die
Geschichte vom Jungen, der niemals erwachsen werden will, kennt
nun wirklich jedes Kind. Für die ist das ursprüngliche
Theaterstück ja eigentlich auch mal gedacht gewesen und die
spätere Buchfassung von J.M. Barrie gilt als einer der ganz
großen Klassiker der Jugendliteratur. Auch im Kino haben Peter
Pan und Captain Hook schon des Öfteren die Klingen gekreuzt,
und so scheint eine weitere Verfilmung eigentlich nicht unbedingt
nötig. Weitere Verfilmung? Falsch gedacht, denn dies ist die
erste Verfilmung des Stoffes seit der frühen Stummfilmzeit,
zumindest mit realen Darstellern. Neben dem Zeichentrickklassiker
von Disney und seiner halbgaren Fortsetzung gab es zwar auch noch
den aufwändigen "Hook", aber darin präsentierte
uns Starregisseur Steven Spielberg dann seine höchst eigenwillige
Version des schließlich doch noch erwachsen gewordenen Peter.
Also eigentlich doch ganz gute Gründe für eine berauschende
Neufassung der ursprünglichen Geschichte im Zeitalter der fortgeschrittenen
Tricktechnik aus dem Computer. Doch leider entpuppt sich diese trotz
großen Aufwands als ein eher laues Lüftchen.
Für
die sicher übersichtliche Zahl der noch Unwissenden (vielleicht
ein paar Kinderhasser?) hier noch mal eine kurz Einführung
in die Märchenwelt von Nimmerland: Im viktorianischen London
erzählt Wendy ihren jüngeren Brüdern aufregende Abenteuergeschichten.
Diese sind begeistert, den etwas biederen Eltern ist es recht, doch
Tante Millicent beschließt aus dem temperamentvollen Mädchen
jetzt eine anständige junge Dame zu machen und sie unter ihre
Fittiche zu nehmen. Am letzten Abend im Haus ihrer Eltern bekommt
Wendy dann jedoch Besuch von dem fliegenden Jungen Peter Pan und
seiner kleinen Begleiterin, der Fee Glöckchen. Peter nimmt
gleich alle drei Geschwister mit in seine Heimat, die sagenhafte
Insel Nimmerland. Dort lebt er mit seiner Bande der "verlorenen
Jungen" ein sorgloses Leben, immer bereit den fiesen Piraten
um Captain Hook einen Streich zu spielen. Doch dieser sinnt auf
Rache, seit ihm ein hungriges Krokodil dank Peters Mithilfe einen
Arm abgebissen hat (wie hieß Herr "Hook" eigentlich
vor diesem Ereignis?). Eigentlich hat der Schurke zwar keine Chance,
aber die Eifersucht einer kleinen Fee bringt Peter Pan und seine
Freunde schließlich doch in große Gefahr.
Und
alle sind sie dabei, vom gefräßigen Krokodil mit verschluckter
Uhr im Magen, über das Indianermädchen Tiger Lily bis
zum unbeholfenen Maat Smee. Tricktechnisch ansprechend in Szene
gesetzt, aber das darf man ja heutzutage auch so erwarten. Bei dem
Bestreben dementsprechend aufzutrumpfen, haben die Macher dann aber
etwas zu tief in die Pixelkiste gegriffen. Und so quillt der Film
geradezu über von glitzerndem Feenstaub und funkelnden Sternen.
Es ist unglaublich bunt hier in Nimmerland und leider auch unglaublich
künstlich, kalt und steril. Ein visueller Overkill, dem dabei
jedoch Charme und Wärme fast völlig abgehen. Und das ist
nahezu unverzeihlich bei einer Geschichte über Träume,
kindliche Begeisterung und Freundschaften.
Die Entscheidung die Rolle der Hauptfigur, im Gegensatz zu den Gepflogenheiten
im Theater, diesmal tatsächlich mit einem Jungen und nicht
mit einer Frau zu besetzen ist dabei sicher an sich akzeptabel.
Doch leider erweist sich der farblose Jeremy Sumpter nicht als die
ideale Wahl. Der ist hier lediglich hübsch und nett, aber nicht
der charismatische und dabei oft ziemlich egoistische und rücksichtslose
Peter Pan aus der Vorlage. Die anderen Kinderdarsteller machen ihre
Sache ordentlich, bleiben aber auch nicht allzu lange im Gedächtnis
haften und an dem von Jason Isaacs verkörpertem Hook gibt es
eigentlich nichts auszusetzen. Wenn nicht dummerweise gerade erst
ein gewisser Johnny Depp gezeigt hätte, was man aus einer schrägen
und überzeichneten Piratenfigur AUCH machen kann - dagegen
sieht der gute Mr. Isaacs dann leider doch keinen einzigen Säbelstich.
Die
Einführung der im Original nicht vorhandenen Figur der strengen
Tante bleibt ebenfalls ein ziemliches Rätsel, hat diese doch
im weiteren Verlauf der Handlung keinerlei Funktion mehr. Mag sein,
dass man da Einiges herausgeschnitten hat, ist der Film doch mit
rund zwei Stunden eh schon recht lang geraten, und diese Zeit vergeht
auch in Begleitung eines Peter Pan leider keineswegs wie im Fluge.
Nun mag man vielleicht darauf hinweisen, dass Kritikpunkte wie "kitschig bunt" aus der Sicht eines erwachsenen Zuschauers einem in erster Linie für Kinder gedachten Film nicht unbedingt gerecht werden. Doch der offensichtliche Mangel an Herz und Wärme bleibt davon unberührt und ist auch dem Zielpublikum in den USA nicht entgangen. Dieses hat nämlich die dort zur letzten Weihnachtszeit gestartete, aufwändige und teure Produktion zu Recht ziemlich ignoriert. Wer Interesse an einer originellen und gelungenen Adaption des Stoffes hat, sei daher lieber auf die Comicfassung des Franzosen Regis Loisel verwiesen, von der in Deutschland bisher fünf Alben im Ehapa-Verlag erschienen sind. Eine interessante Bemerkung noch zum Schluss: Ausführender Produzent des Filmes ist Mohamed Al Fayed, der Vater des 1997 beim Unfall mit Prinzessin Diana ums Leben gekommenen Dodi Al Fayed. Dem ist dieser Film laut Abspann auch gewidmet, da es sich bei "Peter Pan" um eines seiner Lieblingsbücher handelte. Ob er den neuen Film genau so gerne gemocht hätte darf bezweifelt werden.
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