Als prominentestes Opfer des kleinen Gruselfilmchens "Paranormal Activity" entpuppte sich soeben die erfolgsverwöhnte "Saw"-Franchise. Deren sechster Teil sollte nach dem bewährten, jährlich wiederkehrenden Rezept am vermeintlich konkurrenzfreien Oktober-Startwochenende mal locker wieder seine üblichen 30 Millionen Dollar einspielen, blieb diesmal aber völlig unerwartet bei nur knapp der Hälfte hängen. Das Zielpublikum hatte nämlich Besseres zu tun und strömte lieber in Massen zum nun landesweit laufenden und schwer gehypten No Budget-Thriller "Paranormal Activity". Eine, trotz des leicht manipulativen Marketings, goldrichtige Entscheidung, denn auch wenn sich Regiedebütant Oren Peli eigentlich altbekannter Methoden und Inhalte bedient, ist sein Film doch eine rundum erfreuliche Frischzellenkur fürs Genre.
Ein junges Paar in seiner Wohnung, mehr gibt es hier nicht zu sehen. Nachdem sich seine Freundin Katie (Katie Featherston) seit einigen Tagen immer unwohler fühlt und meint, dass um sie herum merkwürdige Dinge geschehen, beginnt Micah (Micah Sloat) seine Kamera auf Dauerbetrieb zu schalten. Während der Nacht zeichnet das Gerät die Geschehnisse im Schlafzimmer auf, und die sind zumindest leicht beunruhigend. Merkwürdige, undefinierbare Geräusche und eine Tür, die sich wie von Geisterhand kurz vor und zurück bewegt, machen Micah eher neugierig, während Katie die Sache deutlich weniger amüsant findet. Denn schon seit Jahren hat sie das Gefühl von einer fremden Macht beobachtet zu werden und in ihrer Angst konsultiert sie schließlich sogar einen Experten fürs Okkulte (Marc Fredrichs). Der nimmt ihre Ängste zwar durchaus ernst, kann aber auch nicht weiterhelfen, da er hier einen Dämon vermutet und das sei nicht sein Gebiet. Entschlossen, sich nicht zum Narren halten zu lassen, bleibt das junge Paar in der Wohnung und versucht den Vorkommnissen auf den Grund zu gehen. Doch die Attacken werden heftiger und die Nächte zusehends unheimlicher….
Man muss sich ja eigentlich wundern. Wundern, dass diese Masche immer noch so gut funktioniert. Ein kleiner Horrorfilm, der zunächst nur mit "Mitternachtsvorstellungen" in ausgewählten College-Städten gestartet wird und bei dem die Interessierten im Internet abstimmen durften, wo man ihn denn danach zu sehen bekommt, Ein kolportiertes, absolut lächerliches Budget von 15.000 Dollar, gefilmt mit Laiendarstellern im Haus des Regisseurs und das alles - natürlich - per Handkamera. Das "Blair Witch Project" reloaded sozusagen, aber auch eine Dekade nach diesem legendären Hit aus dem Nichts geht die Rechnung noch auf.
Sympathischerweise jedoch nicht nur in kommerzieller Hinsicht, wo der Film stramm auf die 100 Millionen Dollar-Marke zu marschiert. Auch qualitativ gibt es nichts zu meckern, und das nicht nur, weil man dem Werk die extrem günstige Produktion und die Unerfahrenheit seines Regisseurs zu keinem Zeitpunkt anmerkt. Wie der Amerikaner mit israelischen Wurzeln namens Oren Peli hier auf der Klaviatur des geschickten Spannungsaufbaus spielt und anscheinend völlig mühelos genau das richtige Timing und die passenden Bilder findet, um seinem Publikum einen unvergesslichen Abend zu bereiten, darf man allemal erstaunlich finden. Dabei klingt es doch wirklich weder sehr originell noch besonders viel versprechend einen Geist bzw. Dämon in einem Haus herumspuken zu lassen und dabei ein paar erschreckende Geräusche und sich von selbst bewegende Türen oder Bettlaken zu inszenieren. Aber getreu der genauso alten wie meist auch wahren Weisheit, dass es doch viel effektiver ist das Böse nur anzudeuten und im Kopf des Zuschauers entstehen zu lassen, als es allzu deutlich zu zeigen, zieht das Regietalent überzeugend alle Register.
Und wer sich jetzt gelangweilt über den erneuten Einsatz einer leicht wackeligen Handkamera beklagt, bekommt gleich mal was auf die Finger, denn ohne diese würde der Film nicht annähernd so gut funktionieren. Nicht nur, dass die Kamera als Hilfsmittel zur Aufzeichnung dessen, was die Protagonisten im Schlaf zwangsläufig nicht selbst sehen können (bekanntlich ja eine der Urängste des Menschen) absolut nützlich und sinnvoll ist. Auch der Rest dieser Geschichte ist so überzeugend in der Realität verankert wie es eben möglich ist, denn Regie und Drehbuch verkaufen ihr Publikum keinesfalls für dumm und ersparen sich und uns billige Effekthascherei und unmotivierte Aktionen der Figuren. Ersteres macht allein schon der völlige Verzicht auf untermalende Musik deutlich, letzteres das Bemühen um ein möglichst glaubwürdiges Verhalten der beiden Hauptcharaktere. "Die benehmen sich ja tatsächlich wie Menschen in einer echten Beziehung" möchte man verblüfft ausrufen, wenn die mit ihren echten Vornamen agierenden Katie und Micah sich in ihren halb-improvisierten Dialogen streiten, wieder versöhnen und irgendwann fast verzweifeln.
Das ist eine starke Gesamtleistung, die einigen Respekt verdient, obwohl wie bereits erwähnt selbst bei diesen clever umgesetzten und vermarkteten paranormalen Aktivitäten das Rad des Gruselfilms nicht komplett neu erfunden wird und sich die Aufgabe, das Ganze dann auch noch zu einem einigermaßen runden Abschluss zu bringen, auch hier wieder als eine Knifflige erweist. Aber im Großen und Ganzem darf man dem Hype diesmal schon glauben und sollte sich das Vergnügen nicht entgehen lassen - das Vergnügen mit einem echten "Scary Movie", im besten Sinne des Wortes.
Neuen Kommentar hinzufügen