Palm Springs

Originaltitel
Palm Springs
Land
Jahr
2020
Laufzeit
90 min
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Frank-Michael Helmke / 23. September 2021

"Palm Springs" feierte seine Premiere auf dem Sundance Filmfestival im Januar 2020 und stellte dort einen neuen Rekord auf: Noch nie wurden auf dem Festival die Auswertungsrechte für einen Film für so viel Geld verkauft. Satte 22 Millionen Dollar legten der Independent-Verleiher Neon und der US-Streaming-Anbieter Hulu gemeinsam auf den Tisch (ein Rekord, der übrigens ein Jahr später schon wieder gebrochen wurde, aber das ist bei Gelegenheit eine Geschichte für einen anderen Filmtipp). Das Kalkül dahinter war offensichtlich: Neon würde einen Film in die Kinos bringen, der anmutete wie ein garantierter Comedy-Knaller, grandiose Mundpropaganda würde haufenweise Zuschauer ins Kino treiben, und Hulu würde mit der Zweitverwertung dann von dieser auf der Leinwand generierten Bekanntheit profitieren. 

Und warum dieser Plan nicht aufging, wissen wir ja alle... Als die amerikanischen Kinos wegen Corona im Frühling 2020 erstmal allesamt die Pforten dicht machten, fehlte "Palm Springs" sein Tanzparkett. Der Film lief schließlich im Sommer nur in einigen Autokinos, spielte lächerliche 164.000 Dollar ein, und gilt seitdem als ein untergegangenes Juwel, das seine allermeisten Zuschauer überhaupt erst über Video on Demand entdeckt haben. Eine Schande, aber auch eine Chance, denn "Palm Springs" ist eine der lustigsten, originellsten und schlausten Komödien der letzten Jahre. Und davon kann man sich mittlerweile auch hierzulande überzeugen: Am 10. Juli erschien "Palm Springs" als Heimkino-Premiere, seit kurzem können Kunden von Amazon Prime Video ihn sogar gratis sehen.

Es ist fast schade, den zentralen Kniff von "Palm Springs" zu verraten, weil die ersten 15 Minuten ganz herrlich skurril und merkwürdig erscheinen, wenn man (noch) nicht weiß, was hier eigentlich los ist. Aber andererseits kann man halt auch schlecht über den Film reden, ohne darauf einzugehen, was er eigentlich für ein Streifen ist - nämlich: ein Zeitschleifen-Film. Nyles (Adam Samberg) und Sarah (Cristina Milioti) lernen sich als Gäste auf einer Hochzeitsfeier im titelgebenden Palm Springs kennen. Was Sarah noch nicht weiß: Nyles hat diesen Abend schon öfter erlebt - unzählige Male. Nach einem sehr befremdlichen Zwischenfall folgt Sarah Nyles in eine seltsame Höhle, und erwacht kurz darauf erneut am selben Morgen. Von nun an hängen die beiden zusammen in dieser Zeitschleife fest, aus der es offenbar kein Entrinnen gibt - eine Tatsache, mit der Nyles schon vor einer Ewigkeit seinen Frieden gemacht hat. Doch für Sarah ist das alles noch neu, und dementsprechend schwer zu akzeptieren. 

Seit dem Quasi-Erfinder dieses kleinen Sci-Fi-Subgenres "Und täglich grüßt das Murmeltier" hat es so einige Zeitschleifen-Filme gegeben. Dementsprechend ist es schwierig, auf diesem Feld noch mit Originalität zu glänzen. Umso beachtlicher, wie frisch und ideenreich sich "Palm Springs" anfühlt. Das liegt auch an dem grandiosen Tempo, das der Film an den Tag legt. Das Verhältnis von Nyles und Sarah und ihre jeweilige Einstellung zu ihrer Situation durchläuft während des Films verschiedene Stadien, doch in keinem verweilt die Handlung allzu lange. In quirliger Rasanz brennt der Film stattdessen an jedem Wegpunkt ein kurzes Feuerwerk an sich bietenden Gags ab, um seinen Plot dann gleich weiterzutreiben. Resultat ist eine Komödie von einer selbst für ihr Genre bemerkenswerten Kurzweiligkeit, die nahezu perfekt dahinschnurrt und ihr Publikum immer wieder aufs Neue überrascht, wenn es sich gerade in der Situation zurechtgefunden hat. 

Nicht weniger beachtlich ist dabei, wie "Palm Springs" immer wieder changiert zwischen brüllend komischen Gags, den verschiedenen Entwicklungspunkten in der romantischen Beziehung von Nyles und Sarah (denn natürlich ist das hier letztlich auch eine Liebesgeschichte) und Augenblicken unerwarteter Tiefe. Nicht nur, da Nyles und Sarah sich als fürs RomCom-Genre eher untypisch gebrochene und komplexe Figuren erweisen, sondern auch, weil das kongeniale Drehbuch es den beiden erlaubt, in kurzen Ausbrüchen von Existentialismus in die philosophischen Untiefen ihrer ganz besonderen Situation abzutauchen. In der man letztlich gar nicht anders kann, als in Nihilismus zu enden. 

Es sind diese Momente unerwarteter Tiefe, die zeigen, wie sehr die Köpfe hinter "Palm Springs" - Regisseur Max Barbakow und sein Autor Andy Siara - sich wirklich mit ihrem Szenario auseinandergesetzt haben, und nicht nur darüber nachgedacht haben, wieviel absurden Unsinn man damit treiben kann. Wobei es davon in ihrem Film auch mehr als genug gibt. Schnell, einfallsreich, saukomisch, niemals offensichtlich, immer wieder überraschend und wahnsinnig unterhaltsam - was kann man sich mehr von einer Komödie wünschen? Auch wenn es eine Schande bleibt, dass man dieses Juwel nicht auf der großen Leinwand entdecken konnte - im Heimkino sollte man sich "Palm Springs" nicht entgehen lassen. 

Bilder: Copyright

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