"Kiwi Ingenuity", was frei übersetzt soviel wie "neuseeländischer Einfallsreichtum" bedeutet, ist eine Eigenschaft, derer sich Peter Jacksons Landsmänner mit stolz geschwellter Brust nur allzu gerne rühmen. Burt Munro, das reale Vorbild von Neuseelands gleichnamigen und neuestem Leinwand-Export, dürfte diesbezüglich wohl ein mehr als überzeugendes Beweisstück abgeben. Noch mit über 60 Jahren werkelte der alte Burt in dem Provinznest Invercargill an seinem eigentlich hoffnungslos veralteten Motorrad und, entgegen aller Vernunft und Logik, trug sich auch noch im hohen Alter gleich mit mehreren Geschwindigkeitsrekorden in die Geschichtsbücher ein. Mehr als 25 Jahre nach Munros Tod hat sich Regisseur Roger Donaldson ("Der Einsatz", "Thirteen Days") nun einen Lebenstraum erfüllt und die Geschichte des seltsamen Eigenbrötlers auf die Kinoleinwand gebannt. Im Vergleich zu den oftmals üppig ausgestatteten Film-Biografien der Kollegen Scorsese ("Aviator") oder Hackford ("Ray") mag das Portrait des nur in Fachkreisen bekannten Rennfanatikers vielleicht unspektakulär wirken, doch trotz eines im Mittelteil etwas stotternden Motors erwartet den Zuschauer, vor allem dank Anthony Hopkins, ein durchaus bewegendes Kinovergnügen.
Dieses beginnt in der kleinen Garage des alten Burt (Anthony Hopkins), der in den 1960er Jahren versucht, seiner alten Rennmaschine, einer Indian aus dem Jahre 1920, Beine zu machen. Während die Nachbarn den lärmenden alten Kauz nur schwer ertragen können, unterstützen der junge Tom (Aaron Murphy) und Burts Freundin Fran (Annie Whittle) dessen ehrgeiziges Vorhaben. Munro möchte nämlich an der diesjährigen "Speed Week" in den Bonneville Salt Flats der USA teilnehmen, ein alljährliches Zusammentreffen von rennbegeisterten Motorradfahrern, die alle nur ein Ziel vor Augen haben: das Brechen sämtlicher Geschwindigkeitsrekorde. Doch neben veraltetem Equipment und einem Herzleiden steht Burt auch noch vor dem Problem der weiten Anreise. Ausgestattet mit nur einer handvoll Dollar wagt Munro aber das Unterfangen, und es beginnt für ihn eine abenteuerliche Reise fernab der beschaulichen Heimat.
Im Jahr 1971 hatte Roger Donaldson den damals noch lebenden Munro bereits für seine kurze Dokumentation "Offerings to the God of Speed" besucht. Der alte Mann war damals so begeistert über das Interesse des jungen Filmemachers, dass er für ihn bereits direkt bei dessen Ankunft minutenlang stolz den Motor seiner alten Indian aufheulen ließ. Wohlgemerkt um 10 Uhr nachts. Die Folge war eine Hasstirade der Nachbarn, die den alten Burt aber ziemlich unbeeindruckt ließ. So begann Donaldsons Faszination für Munro, den er mit seiner damaligen Dokumentation aber nie wirklich ausreichend gewürdigt gefühlt hatte. Mehr als 30 Jahre später hat sich Donaldson zu einem erfolgreichen Hollywoodregisseur gemausert und nimmt nun, ausgestattet mit einem höheren Budget, reichlich Regieerfahrung und Oscar-Gewinner Anthony Hopkins an seiner Seite, ein zweites Mal Anlauf.
Dabei entpuppt sich Hopkins als größter Glücksfall für den Film, denn fernab von der zuletzt abgenutzt wirkenden Hannibal-Figur läuft der Oscar-Gewinner von 1991 nun endlich wieder zu Höchstform auf. Es ist eine wahre Freude, den britischen Charakterminen bei der Arbeit zu beobachten. Erfolgreich gelingt ihm der Spagat, einerseits der Exzentrik seiner Figur gerecht zu werden, andererseits ihr aber auch genau die Bodenständigkeit und Sympathie zu verleihen, welche den Zuschauer ihr nicht befremdet den Rücken zukehren lässt.
Hopkins' Leistung erfüllt aber noch eine weitere bedeutende Aufgabe, welche der Film dem Briten aber lieber erst gar nicht hätte stellen sollen. Hopkins muss nämlich auch die Schwächen eines Filmes überspielen, der im Mittelteil gehörig ins Straucheln kommt. Wird einem zu Beginn noch auf charmante und feinfühlige Art und Weise Burt und dessen Umgebung näher gebracht, verliert der Film mit der Ankunft in den USA dann doch vorübergehend deutlich an Tempo.
Das Drehbuch verpasst Burt hierbei einen gehörigen Kulturschock, in dem es ihn mit Transvestiten oder Vietnam-Soldaten konfrontiert. Doch was der Ausgangspunkt für ein paar nette Gags und moralische Seitenhiebe hätte werden können, entpuppt sich leider nur als bedingt fesselnde Kinounterhaltung. So wirken die Nebenfiguren in diesem Abschnitt teilweise sehr klischeehaft und die Dialoge oft sperrig und gezwungen. Lediglich Hopkins kann den Film durch seine beeindruckende Leinwandpräsenz hier noch auf Kurs halten. Doch das starke Band zwischen Publikum und famos aufspielendem Hauptdarsteller entpuppt sich dabei leider auch als zweiseitiges Schwert. Da Burt immer nur den Geschwindigkeitsrekord vor Augen hat, begegnet er nämlich dem restlichen Geschehen oft mit einem deutlichen Anflug von Gleichgültigkeit. All die Erlebnisse, die Burt auf seinem Weg sammelt, scheinen nicht wirklich einen bleibenden Eindruck bei ihm zu hinterlassen. Dieses Desinteresse Munros und sein alleiniger Fokus auf die "Speed Week" machen zwar in Punkto der Figur mehr als Sinn, übertragen sich aber eben auch auf den Betrachter, der ebenso wie der Protagonist die alte Indian gerne in Action sehen möchte. Davon hat sich scheinbar auch Regisseur Donaldson anstecken lassen, handelt der Film Burts zahlreiche neue Bekanntschaften doch relativ kurz und bündig ab, was oft den Eindruck erweckt, als sei hier am Schnitttisch doch noch so einiges der Schere zum Opfer gefallen.
Einmal in den Salt Flats eingetroffen ist es aber dann auch keine große Überraschung, dass dem Film schließlich doch noch der erlösende Befreiungsschlag gelingt. Und was für einer! Auf einmal passen alle Puzzleteile wieder und es beginnen wohl mit die schönsten 30 Minuten dieses noch so jungen Kinojahres. Angekommen unter Gleichgesinnten blüht nicht nur Burt, sondern auch der ganze Film endlich wieder auf und erobert die zwischenzeitlich verlorengeglaubten Sympathien zurück. Donaldson findet wieder den richtigen Erzählrhythmus, die Nebenfiguren gewinnen allesamt deutlich an Farbe und man beginnt endlich wieder mitzufiebern. Das ist dann stellenweise schon wieder so mitreißend und anrührend, dass man wehmütig daran denken muss, welche kleine Perle aus diesem Film hätte werden können, wäre da nicht dieser besagte Hänger im zweiten Akt aufgetaucht.
Nichtsdestotrotz, das Interesse, mehr über diesen tollkühnen Mann in seiner rasenden Kiste zu erfahren, ist jedenfalls nach dem Kinobesuch deutlich gestiegen, und damit erfüllt der Film schlussendlich eine seiner wichtigsten Pflichten. Also, es lohnt sich allemal den alten Burt Munro kennen zulernen.
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