Renny Harlins Karriere befindet sich seit gut einem Jahrzehnt auf dem absteigenden Ast. Einst Hollywoods neuer Action-Hotshot nach der erfolgreichen "Stirb langsam"-Fortsetzung und dem passablen Bergsteiger-Reißer "Cliffhanger", scheiterte Harlin wie manch ein großer Name vor ihm an der Revitalisierung des Seeräuber-Kinos und ruinierte mit "Die Piratenbraut" nicht nur die Produktionsfirma Carolco, sondern auch gleich seine eigene Karriere. Es folgte Mittelprächtiges wie der Haifisch-Schocker "Deep Blue Sea" und schlichtweg Peinliches wie der Rennfahrer-Streifen "Driven", und als für den nächsten Harlin-Film mit Christian Slater und Val Kilmer zwei Namen die Castingliste anführten, die auch schon wesentlich bessere Tage gesehen hatten, roch es schon heftig nach Rohrkrepierer.
Denkste. Denn "Mindhunters" erweist sich als unerwartet einfallsreicher und hochgradig unterhaltsamer Psycho-Reißer, der geschickt die eigenen Schwächen durch rasant angezogenes Tempo kaschiert. Größtes Lob dafür gebührt indes Drehbuchautor Wayne Kramer, der Anfang des Jahres mit seinem Regiedebüt "The Cooler" ein beachtliches Independent-Juwel ablieferte. Für "Mindhunters" bedient sich Kramer einer Vielzahl an Genre-Konventionen aus dem Serienkiller- und Psychothriller-Bereich und mischt sie dreist zu einer Story zusammen, die eigentlich gar nicht funktionieren kann: Da wird eine Gruppe junger FBI-Auszubildender (u.a. Slater, Jonny Lee Miller aus "Trainspotting" und Rapper LL Cool J, der sich als Schauspieler nun lieber korrekt James Todd Smith nennt), allesamt angehende Profiler, von ihrem exzentrischen Ausbilder (Val Kilmer) zu einem letzten großen Test auf eine kleine Insel verfrachtet, die sonst das Militär für Übungseinsätze nutzt. Hier sollen sie - völlig auf sich allein gestellt - ein simuliertes Mordszenario lösen und so ihre Talente unter Beweis stellen. Doch als sie am ersten Morgen pünktlich den vermeintlichen Tatort in Augenschein nehmen wollen, lauert da eine überhaupt nicht simulierte, sehr tödliche Falle. Einer hinüber, sieben bleiben übrig, und für die beginnt ein permanentes Rennen gegen die Zeit: Mit jeder Falle setzt der unbekannte Serienkiller einen neuen Countdown fest, an dessen Ende unerbittlich der nächste Profiler dran glauben muss - doch keiner weiß wo, oder wer, oder wie. Die panische Suche nach Hinweisen wird für die Truppe nicht gerade erleichtert durch die Tatsache, dass sich niemand außer ihnen auf der Insel befindet, und somit einer von ihnen der Täter sein muss ....
Dass "Mindhunters" mit einem derart konstruierten Grundszenario überhaupt durchkommt, grenzt bereits an ein Wunder, denn bei näherer Betrachtung ist die Story schon fast eine Frechheit. Gerade, wenn man nach dem Film genauer darüber nachdenkt, tun sich riesige Logiklöcher auf, erscheint schon die Präzision, mit welcher der Täter die Handlungen seiner Opfer scheinbar bis auf die Sekunde genau voraus berechnen kann, als hochgradig unglaubwürdig.
Was einem für die 100 Minuten Laufzeit aber erstaunlicherweise ziemlich egal ist, denn die machen einfach viel zu viel Spaß: Sich der löchrigen Logik seines Plots wohl voll bewusst, setzt Autor Kramer dreist und geschickt auf pausenlose Ablenkung, so dass der Zuschauer am Besten gar nicht erst zum Nachdenken komme. Und das gelingt: Flugs dem Serienkiller eine Obsession mit Zeit unterstellt, schon kann man sich von einem "Hinrichtungs-Countdown" zum nächsten hangeln, während das Publikum von dieser mehrkapiteligen Chronik eines angekündigten Todes angespannt in den Kinosessel gefesselt wird. Unterdessen verschiebt Kramer permanent das Verdachtsmoment, lässt jeden aus der Gruppe kurzzeitig als vermeintlichen Killer dastehen und hält auch die ratefreudigen Zuschauer selbst dann noch bei der Stange, als sich die Zahl der Überlebenden (und somit der verbleibenden Verdächtigen) auf drei reduziert hat.
Gerade weil die erfolgreiche Wirkung von "Mindhunters" davon abhängt, dass der Zuschauer gar keine Zeit zum Ausruhen und Nachdenken findet, erweist sich Renny Harlin als Regisseur als entscheidender Glücksgriff. Mit viel Schwung inszeniert er den Psycho-Thriller stellenweise wie einen Actionfilm, sorgt für ordentlich Rasanz und hilft dem Skript so elegant über manch zu offensichtlichen Logik-Hänger hinweg, fährt gegen Ende sogar zu richtiger Hochform auf und formvollendet einen kongenialen Showdown, für dessen Kreierung man Autor Kramer fast noch einen Extrapunkt geben möchte.
Auch wenn dessen Skript einige der gelungensten und einfallsreichsten Überraschungen des jüngeren Thriller/Killer-Genres parat hält, so kann man ihm dennoch nicht vergeben, dass er sich gezielt um ein zentrales Element herum drückt: das Psychogramm des Täters. Bedenkt man, dass die zentralen Charaktere allesamt FBI-Profiler sind und die Suche nach Motiven und Beweggründen somit ihr eigentlicher Broterwerb, erweist sich die schlussendliche Motivation des Killers als lahme Entschuldigung, ist sogar so dünn, dass man sie als nicht existent bezeichnen kann. Was insofern nur konsequent ist, als dass man sich hier ganz klar auf die reißerischen Aspekte des Serienkiller-Genres konzentrierte, wo Aufbau und Ausführung eines komplexen Szenarios viel mehr Spaß machen als die letztliche Frage, wie es motiviert ist. Wer allerdings "Das Schweigen der Lämmer" oder "Sieben" gesehen hat, weiß, dass ein wirklich brillanter Serienkiller-Thriller einen Großteil seiner Faszination durch das detaillierte Psychogramm seines Bösewichts gewinnt. Und das fehlt hier einfach.
Was vermeintlich der letzte Sargnagel für die Karriere der meisten Beteiligten hätte werden können, wandelt sich insgesamt trotzdem zu einem zumindest superb unterhaltenden Kino-Spaß, der den Zuschauer gekonnt an der Nase herumführt. "Mindhunters" kann man deshalb nicht wirklich böse sein, weil er sich über seine Schwächen ganz genau im Klaren ist und sie immerhin sehr elegant zu kaschieren versucht. Und wer sich auf diese Ablenkungsmanöver einlässt, kriegt immerhin einen unerwartet clever ausgeführten Film serviert.
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