"Ich liebe die neuen Medien" meinte Moderator Jon Stewart bei der Oscar-Verleihung 2008 und blickte dabei gebannt auf sein kleines iPhone. "Ich schaue gerade "Lawrence von Arabien"... einfach klasse" fügte er hinzu und das Publikum johlte. Kein Wunder, denn kaum einen Film verbindet man so eng mit der Idee des bildgewaltigen Epos, das nur auf der großen Leinwand seine wahre Kraft entfalten kann, wie David Leans ("Die Brücke am Kwai", "Doktor Schiwago") 218-minütiges Meisterwerk über das aufregende Leben des berühmten britischen Offiziers Thomas Edward Lawrence. Sieben Oscars gab es 1963 für das Wüstenepos, darunter die Auszeichnungen für den besten Film, die beste Regie und die beste Kamera. Im kollektiven Gedächtnis der Zuschauer und der Filmgeschichte blieben dabei vor allem die atemberaubenden Aufnahmen der arabischen Wüstenlandschaft, und so schwärmen die meisten Menschen auch noch heute in erster Linie von den majestätisch anmutenden Sanddünen, der berühmten Fata Morgana-Szene oder dem mitreißenden Angriff auf die Küstenstadt Akaba. Doch bei all der Bewunderung für die auch noch heute spektakulär wirkenden Bilder darf nicht vergessen werden, dass "Lawrence von Arabien" noch viel mehr zu bieten hat. Der Film ist nämlich auch ein großartiges Beispiel für eine sich perfekt ergänzende Besetzung aus alten Haudegen und unbekannten Newcomern, und besitzt nebenbei auch noch ein grandioses Drehbuch mit einigen der geschliffensten Dialoge und eine der wohl schillerndsten Hauptfiguren der Filmgeschichte. Mit anderen Worten, Vorhang auf für ein weiteres Meisterwerk der Filmkunst. Es ist die faszinierende Lebensgeschichte des britischen Offiziers Thomas Edward Lawrence, der im ersten Weltkrieg an vorderster Front den Aufstand der Araber gegen das Osmanische Reich unterstützte, die David Lean dabei als Vorlage diente. Gleich vorneweg, die Betonung liegt dabei natürlich auf "Vorlage", denn zu Gunsten der Dramatik hat sich Hollywood ja schon immer gerne ein paar künstlerische Freiheiten genommen, und das ist auch in diesem Fall nicht anders. Die wichtigsten Eckpfeiler der wahren Ereignisse blieben allerdings erhalten, und so wird auch im Film der aufstrebende Lawrence (Peter O'Toole) von seinen Vorgesetzten auf die arabische Halbinsel gesandt, um dort den arabischen Führer Prinz Faisal (Alec Guiness) zu einem Aufstand gegen das Osmanische Reich zu überreden - natürlich im Interesse der britischen Krone. Getrieben von seinem unbändigen Ehrgeiz und einer schon fast naiven Liebe zur Wüste übernimmt Lawrence dabei schnell eine aktive Rolle in diesem Kampf und sieht sich, dank eindrucksvoller militärischer Erfolge, schon bald als Befreier und neuer Führer der arabischen Welt. Die Bewunderung, welche ihm viele seiner arabischen Mitstreiter, darunter auch sein engster Freund Sherif Ali (Omar Sharif) nun entgegenbringen, verstärkt diesen Eindruck nur noch bei ihm. Prinz Faisal und auch der mit Lawrence kooperierende Stammesführer Auda abu Tayi (Anthony Quinn) sehen die Heldentaten des selbstverliebten "Retter Arabiens" dagegen mit einem deutlich skeptischeren Blick. Beiden ist klar - lange wird das so bestimmt nicht gut gehen. Omar Sharif hat es einmal wundervoll auf den Punkt gebracht. Es sei ein Wunder, dass dieser aufwendig produzierte Film überhaupt entstanden ist, schließlich hatte er keine großen Stars und keine Liebesgeschichte, dafür aber reichlich Araber und Kamele. Keine Liebesgeschichte ist dabei noch untertrieben, in "Lawrence von Arabien" gibt es nicht einmal eine einzige weibliche Sprechrolle. Wohlgemerkt, wir reden hier von 218 Minuten Film. Doch glücklicherweise spielt die Filmgeschichte den scheinbar festgeschriebenen Gesetzen des Marktes eben manchmal einen Streich und es entstehen trotz widrigster Umstände cineastische Meilensteine, die noch Generationen von Zuschauern zu verzaubern wissen. Auch nach fast 50 Jahren wirken die Bilder, die Kameramann Freddie Young in der Wüste eingefangen hat, dabei noch immer wie ein Märchen aus 1001 Nacht. Kamele stolzieren elegant riesige Sanddünen hinauf, einzelne Reiter verlieren sich in den scheinbar bis in die Unendlichkeit reichenden Ebenen oder stoßen auf farbenprächtige Oasen. Wer als Zuschauer vom Kino in ferne und exotische Länder entführt werden möchte, bitte schön, kaum ein Film erreicht dieses Ziel eindrucksvoller als "Lawrence von Arabien". Dabei nutzt Regisseur David Lean die ganze visuelle Bandbreite der Wüste, und zeigt uns eben nicht nur Dünen und Oasen, sondern auch spektakuläre Felsenlandschaften und, zum ersten Mal in der Geschichte des Kinos, eine wahrhaftig gefilmte Fata Morgana. Ein visuelles Meisterwerk in jeglicher Hinsicht also, keine Frage, doch bei all den überschwänglichen Komplimenten, die der Film dafür in den letzten Jahrzehnten erhalten hat, vergisst man leicht, dass unter der prachtvollen Verpackung noch eine Menge weiterer bewundernswerter Arbeit zum Vorschein kommt. Steven Spielberg meinte einmal, dass Robert Bolt und Michael Wilson für nichts anderes verantwortlich sind als das wohl beste Drehbuch, welches je für die Kinoleinwand geschrieben wurde. Das nennt man mal ein Kompliment. Es ist aber auch wirklich zu beeindruckend, was die beiden aus der ja sowieso schon so faszinierenden Lebensgeschichte von T.E. Lawrence machen. Nämlich eine der wohl längsten Charakterstudien der Filmgeschichte. Doch auch den besten Dialogen muss erst einmal Leben eingehaucht werden und "Lawrence von Arabien" ist einer dieser Fälle, bei denen man sich einfach kaum vorstellen kann, wie andere Schauspieler als die auserwählten das auf die gleiche Weise hätten bewerkstelligen sollen. Was dabei besonders fasziniert, ist der Mut der Produzenten sich gleich für zwei Newcomer zu entscheiden und einem von ihnen sogar die so dominante Hauptrolle zu geben. Peter O'Toole und Omar Sharif gelangten so beide über Nacht zu Weltruhm und insbesondere der britische Theatermime hat sich mit dieser Rolle gleich ein filmisches Denkmal gesetzt. Es sind nicht einfach nur die intensiven blauen Augen, die blasse Haut und die etwas arrogante Ausstrahlung, die O'Toole erlauben, Lawrence als eine so illustre Figur im Kreise der Araber zu etablieren. Nein, es sind vor allem die Momente des Wahns, der Verzweiflung und der Zerrissenheit, in denen O'Toole zu Höchstform aufläuft und den Zuschauer noch stärker ans Geschehen bindet. Klasse ist auf jeden Fall das richtige Wort für dieses Meisterwerk in Überlänge, das eben mehr ist als nur eine Ansammlung beeindruckender Bilder. Was aber an einem trotzdem nichts ändert: auf einem iPhone hat dieser Film überhaupt nichts verloren. |
Originaltitel
Lawrence of Arabia
Land
Jahr
1962
Laufzeit
218 min
Genre
Regie
Bewertung
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