Es liegt was Katholisches in der Luft. Die "Passion Christi" führte zu Massenpilgern in die Kinosäle, das Sterben Johannes Paul II. wurde medial ausgeschlachtet und sorgte für traumhafte Einschaltquoten, der neue Papst ist ein Deutscher und bald ist auch noch Weltjugendtag in Köln. Die Gunst der Stunde dieser spirituell sowie telegen aufregenden Zeit nutzt nun ein Film, der eigentlich vor zwei Jahren als Fernsehfilm produziert wurde und sich dem Leben und Sterben von Papst Johannes XXIII. widmet.
Diese Biografie eines der wichtigsten Menschen des 20. Jahrhunderts umspannt das bewegte Leben Angelo Guiseppe Roncallis (1881-1963), seinen Aufstieg vom Sohn eines Bauern im dörflichen Sotto il Monte zum Oberhaupt der Katholischen Kirche, in einer Welt, die von Kriegen und Bedrohungen durch Nuklearmächte gezeichnet ist. Sein Leben wird in Rückblicken vom Sterbebett des Papstes erzählt, wobei sich der Film an dem Werden und Wirken Johannes XXIII. orientiert, aber auch an einer Männerfreundschaft zwischen drei Männern, die sich im Priesterseminar kennen lernten. Einer von ihnen wurde Papst, einer Kardinal und der Dritte wurde für seine kommunistischen Sichtweisen exkommuniziert.
Papst Johannes XXIII. war ein Hoffnungsträger für viele, darunter auch nicht-katholische Menschen. Er berief das 2. Vatikanische Konzil ein, welches die katholische Kirche innerlich reformierte, aber auch einen Dialog mit anderen Konfessionen und Weltreligionen ermöglichte und die Kirche aus dem Mittelalter hob (unter anderem wurde erst hier die Sitte abgeschafft, dass alle Messen auf Latein gehalten werden). Im Gegensatz zu vielen Päpsten vor ihm sah er den Vatikan nicht mehr als Gefängnis an, er war ein Papst des Volkes und öffnete die Institution der Kirche für ihre Gläubigen. Er schreckte auch nicht davor zurück, sich in internationale Politik einzumischen und für Frieden und Menschenrechte zu plädieren, und besuchte sogar das Gefängnis in Rom, um auch den Häftlingen Hoffnung zu geben. So legte er den Grundstein für das spätere Wirken Johannes Paul II., der Johannes XXIII. im Jahr 2000 selig sprach. Das Werk dieses Papstes und die Themen, mit denen er sich in seinen Enzykliken auseinandergesetzt hat, sind auch im 21. Jahrhundert von großer Bedeutung - schließlich sind Frieden, Menschenrechte und das Verständnis der Religionen immer noch keine Selbstverständlichkeit.
All dies sollte eigentlich einen Film ergeben, der das Publikum in seinen Bann ziehen kann, doch webt Regisseur Ricky Tognazzi diese Geschichte zu einem zähen Stoff zusammen, der die Zuschauer, die wenig von der Materie wissen, ratlos zurücklässt mit einer Fülle an Informationen, die eher verwirren als aufklären. Sein platt glorifizierendes Heiligenfilmchen stößt eher vor den Kopf und wird schließlich weder der historischen Figur, noch ihrer Bedeutung, noch den Erwartungen des Kinopublikums gerecht. Das 2. Vatikanische Konzil wird in wenigen Minuten abgehandelt, und auch sonst rast der Film förmlich durch die verschiedenen Stationen des Lebens Johannes XXIII. Die Rahmenhandlung um die drei Freunde hat wenig auszusagen, wirkt eher eingeschoben, weil dem Autorenteam anscheinend nichts Besseres einfiel, und lässt zudem die Motivationen der Figuren auch noch teilweise im Dunkeln.
Kurz: Hier wird simplifiziert und glorifiziert, was das Zeug hält. Ab und zu werden kleine Häppchen aus Dokumentarfilmen eingestreut, um dem Ganzen einen authentischen Anstrich zu verpassen. Sterbenskranke Kinder werden schamlos als Hintergrund genutzt und noch schnell im Vorbeigehen 600 jüdische Kinder vor den Nazis gerettet.
Diesem Film halfen leider weder das Drehen an Originalschauplätzen noch die Beteiligung des Großneffen Johannes XXIII., Marco Roncalli, am Drehbuch. Traurig ist dies nicht nur für das Kinopublikum, sondern auch für Hauptdarsteller Bob Hoskins ("Falsches Spiel mit Roger Rabbit", "Duell - Enemy at the Gates"), der in der Rolle des Papstes sein Repertoire an historischen Figuren erweitert (er war bereits als Benito Mussolini, J. Edgar Hoover, Manuel Noriega und Nikita Chruschtschow zu sehen) und hier eigentlich wunderbar spielt. Traurig ist auch die Leistung vom Großmeister der Filmmusik, Ennio Morricone. Der hat schon an über fünfhundert Filmen mitgearbeitet und ewige Klassiker wie "Spiel mir das Lied vom Tod" komponiert - doch hier ist seine Musik so pathetisch-überhöht, dass sie im Film eher abschreckt als unterstützend wirkt.
Das Bild, das dieser Film vom Papst und der katholischen Kirche zeichnet, ist den heutigen Gegebenheiten nicht angemessen und hinterlässt ein unangenehmes Gefühl angesichts solcher Verklärung. "Johannes XXIII." war ursprünglich als Miniserie für Silvio Berlusconis Fernsehsender Canale 5 produziert worden, von der Mediengruppe Mediaset ( bei der Berlusconi Hauptanteilseigner ist). Wenn es vielleicht bald einen Film über Johannes Paul II. gibt, so bleibt nur zu hoffen, dass statt Tognazzi und Berlusconi andere beteiligt sind, die dieser komplexen Figur gerechter werden. Wie man hört, arbeitet schon der passionierte Mel Gibson an einem solchen Projekt….
P.S.: Als besonderer Filmtipp und Beweis, dass Verklärung nicht immer notwendig ist: Der für viele immer noch beste Jesus-Film ("Das erste Evangelium nach Matthäus", 1964) stammt von einem kommunistischen, atheistischen und offen homosexuellen Regisseur: Pier Paolo Pasolini.
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