Ich, du und alle, die wir kennen

Originaltitel
Me and you and everyone we know
Land
Jahr
2005
Laufzeit
90 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Simon Staake / 1. Januar 2010

In diesem Film geht es um gescheiterte Kommunikation. Sagt man so. Man könnte auch denken, es geht um lauter merkwürdige Leute und deren Merkwürdigkeiten. Aber bitte sehr. Wer kann hier also nicht mit wem? Kommunizieren, halt. Da wäre der Schuhverkäufer Richard (John Hawkes), der nach der Trennung von seiner Frau seinen beiden Kindern Peter (Miles Thompson) und Robby (Brandon Ratcliff) ratlos und wie ein Fremder gegenübersteht. Oder die Taxifahrerin Christine (Miranda July), die sich über ihre Performancekunst ausdrücken möchte. Oder die beiden gelangweilten Teenager Heather (Natasha Slayton) und Rebecca (Najarra Townsend), die zwar wissen, was Sex ist, aber nicht unbedingt, wofür er da ist. Oder das traurige kleine Mädchen Sylvie (Carlie Westerman), welches schon im zarten Alter von zehn Jahren Mitgift-Utensilien für ihre zukünftige Ehe in einer Truhe aufbewahrt. Und all diese Personen verbinden zwei Dinge: Sie sind exzentrisch und viele von ihnen werden sich bis zum Ende des Films getroffen haben.

Man merkt Miranda Julys Film doch sehr oft ihren Hintergrund als Performance- und Allroundkünstlerin (Musik, Bücher, Fotografie) an. Und so ist manches hier künstlerisch und originell, vieles aber schon wieder prätentiös und zu gewollt exzentrisch. Zusammen mit der episodischen Erzählstruktur des Film als Collage (was Filme wie "Shorts Cuts", "Magnolia" oder "Lantana" freilich um Längen besser gemacht haben) bleiben so eher Einzelszenen hängen: Etwa eine Autoverfolgungsjagd, in der es um Leben und Tod geht - wenn auch nur eines Goldfischs. Oder das Ende von Christines Bewerbungsvideo. Oder das kuriose Zusammentreffen zweier Menschen, die sich in einem bizarren Sex-Chat kennen lernen. Es gibt einige sehr schöne, einfallsreiche und bemerkenswerte Szenen in "Ich und Du und alle, die wir kennen", aber es bleiben leider nur gelungene Einzelmomente in einem insgesamt nur mittelguten Film.
Denn durch die oftmals überzogene Exzentrik wirkt kaum eine der Figuren wie eine richtige Person, mit deren Belangen man etwas anfangen kann. Natürlich ist Richards Einsamkeit und Traurigkeit immer zu spüren und John Hawkes gibt seiner traurigen Gestalt das passende Antlitz. Aber die irritierende Art von ihm und fast allen anderen Figuren hier erinnert zu sehr an Frau Julys vorherige Passion, die Performancekunst. Natürlich regt das zum Nachdenken an, natürlich ist das interessant. Aber es ist eben auch zu sehr Kunst um der Kunst willen, Exzentrik um der Exzentrik willen. Alle und Alles ist hier ein Stück zu quirky, um wirklich zu berühren, um einem irgendwas Persönliches zu sagen.

Daher: Man gönnt sie diesem eigenwilligen, beizeiten auch charmanten Film ja, all die Preise in Cannes und Sundance und das Kritikerlob, auch wenn es vielleicht etwas viel ist. Wer Geschmäcklerisches außerhalb des Mainstreams mag, der darf gerne ein bisschen Zeit mit den Figuren hier verbringen. Und hinterher darf man dann unter der Baskenmütze beim Capuccino-Schlürfen tuscheln über den Film, den kaum einer gesehen hat außer, du weißt schon, Ich und Du und alle… Autorenfilmgutfinder. Während im Multiplex am anderen Ende der Stadt wieder mal die Leinwand explodiert. Jedem das Seine.


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