Hwal - Der Bogen

Originaltitel
Hwal - The Bow
Land
Jahr
2005
Laufzeit
90 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Patrick Wellinski / 1. Januar 2010

Gewalt. Bei Kim Ki-Duk geht es meistens um Gewalt. Sie ist in seinem filmischen Werk allgegenwärtig. Mal obszön-pervers, mal befreiend-unschuldig und manchmal auch sinnlos-gelangweilt. Aber letztendlich ist es immer wieder das Symptom der Gewalt, das seine meist verzweifelt umherirrenden Protagonisten als einzigen Ausweg aus ihren inneren (manchmal auch äußeren) Isolationen begreifen. Die Ursachen sind wahrscheinlich in der Vergangenheit des Regisseurs zu suchen: "Ich wurde sehr militärisch aufgezogen. Schläge gehörten zur Tagesordnung", sagt Kim. Dabei will der Südkoreaner gar nicht provozieren, sondern nutzt diese Darstellung geschickt als Mittel der Reduktion. Seine Figuren bringt er damit zurück zu den Ursprüngen des menschlichen Verhaltens. Also, wenn man so will, zu ihren natürlichen Instinkten. Gesprochen wird in Ki-Duks Filmen daher eher selten.

Und auch in seinem neusten Werk "Hwal - Der Bogen" konfrontiert uns der 45-jährige mit zwei stummen und namenlosen Figuren. Da ist der alte Mann (schätzen wir ihn mal auf 60), der mit dem 16-jährigen Mädchen auf einem kleinen, einsam auf hoher See treibenden Fischerboot wohnt. Er, das wird mit der Zeit ersichtlich, liebt das Mädchen, dass er gefunden und bei sich aufgenommen hat. Nervös zählt er im Kalender die Tage bis zu ihrem 17. Geburtstag, dann wird er sie heiraten. Den Lebensunterhalt verdienen sich die beiden, indem sie ab und zu ein paar Angler vom Festland holen und auf ihrem Boot angeln lassen. Eines Tages kommt mit den Anglern auch ein junger Student mit. Er verliebt sich in das junge Mädchen und will es aus dem schwimmenden Exil befreien. Dabei stößt er, wie nicht anders zu erwarten war, auf den Unmut des verzweifelten alten Mannes.

Die Konflikte die Kim Ki-Duk nun aufkochen lässt, löst er immer wieder in kleineren oder größeren Exzessen der Gewalt auf. Hierbei spielt der titelgebende Bogen eine gewichtige Rolle als ambivalente Metapher. Er dient dem alten Mann als Musikinstrument. Er ist natürlich auch eine exzellente Verteidigungswaffe, um das Mädchen vor sexuellen Übergriffen der stürmischen Angler zu schützen. Und zum Angriff eignet er sich ebenfalls vorzüglich. Dann benutzen ihn beide noch zum Wahrsagen. Bei diesem Prozess fungiert der Bogen als Damoklesschwert.
Die äußere Ästhetik von "Hwal" ist gewohnt spartanisch. Der Regisseur kehrt nach seinem grandiosen Ausflug "Bin-Jip" zu gestochen scharfen Cinemascope-Aufnahmen wieder zurück zu den verwackelten, kalten Bildern der Handkamera. Alles in allem ist sein neuer Film überhaupt eher ein "old-school"-Ki-Duk. Die verstörende Ruhe des Meeres, auf dem das Fischerboot sich fast gar nicht zu bewegen scheint, mit dem sich darauf abspielenden Drama erinnert stark an seinen internationalen Durchbruch "The Isle" aus dem Jahr 2000. Auch damals lies er die Liebenden nicht in klischeehafter Zärtlichkeit zueinander finden, sondern in zunächst unverständlicher Brutalität. Das Bild des Angelhakens, der sich in den Mündern oder Geschlechtsorganen verkeilt, bleibt einem im Gedächtnis. In "Der Bogen" kommt der Angelhaken wieder zum Einsatz, wenn auch in einer weitaus "menschlicheren" Variante.

Es ist bestimmt die Ausweglosigkeit seiner Protagonisten, die Verlorenheit und ihre tiefe Hilflosigkeit, die dadurch wohl ihr deutlichstes Ausdrucksmittel findet. Es ist schockierend, weil Ki-Duk Bilder für menschliche Seelenzustände findet, die wir als Zuschauer bewusst oder unbewusst verdrängen. Indem er schmerzlich genau die Gewalt - die aus dem Inneren seiner Figuren kommt - porträtiert, bekommen seine Kino-Geschichten auf eine ganz spezielle Art einen äußerst wahrhaftigen Eindruck. Der Regisseur meint dazu selbst: "Es geht mir dabei um eine Art von Magie. Um die Beziehung zwischen zwei Menschen, um die Magie der Liebe oder der Zuneigung, die allein in der Gewalt ihr adäquates Ausdrucksmittel findet."

Nun sind aber seine Filme mit all ihrer Härte alles andere als "nicht sehbar". Die schönste Szene in "Hwal - Der Bogen" ist die, wenn der alte Mann alleine bei Sonnenuntergang auf seinem Boot sitzt. Den Bogen hat er mal wieder zum Musikinstrument umfunktioniert. Er spielt eine leise tieftraurige Melodie. Und als sich die Musik langsam über das stille Wasser ausbreitet, schaltet Kim Ki-Duk in die Totale. Das Bild erstrahlt im trüben Blau und es legt sich eine Melancholie über diese Situation, die uns der Regisseur so noch nie gezeigt hat. Genau in diesem Moment lässt Ki-Duk eine Magie entstehen, die mit der, die er oben erwähnt, nichts mehr zu tun hat. Die Gewalt ist nicht mehr anwesend. Was bleibt, ist ein zutiefst erschreckender Eindruck von Einsamkeit.

Die Schönheit dieser Einstellung konkurriert nicht mit dem wieder einmal brachial ekelhaften Ende des Films. Sie ist nur eine weitere Seite dieser Geschichte. Eine Seite, die dem Zuschauer bei Kims Filmen so noch nicht bekannt war. Bei der Gefühlspalette, die der Regisseur bisher verarbeitet hat, war die Melancholie nie so direkt spürbar. Die Fragen, ob der alte Mann nun wirklich das Mädchen heiraten wird, oder ob der Student sie zurück aufs Festland mitnimmt, sind in Ki-Duks Augen nicht essentiell. Dabei ist sein verstörend salomonisches Urteil in diesem märchenhaften Stück Kino ganz banal und einfach: Es geht auch beides.

Bilder: Copyright

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