Hitchcock

Originaltitel
Hitchcock
Land
Jahr
2012
Laufzeit
98 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Frank-Michael Helmke / 12. Januar 2013

Wenn es um den legendären Regisseur Alfred Hitchchock und das Thema Frauen geht, dann ist eigentlich immer nur die Rede von "Hitchs" obsessiver Vorliebe für Blondinen und der oftmals despotischen Art, mit der er mit seinen Hauptdarstellerinnen umsprang - die Besessenheit, mit der James Stewart in Hitchcocks vielleicht bestem Film "Vertigo" auf Kim Novak fixiert ist, gilt nicht umsonst als quasi autobiografische Selbstreflexion des Regisseurs. HitchcockDabei war die bedeutendste Frau in Hitchcocks Leben weder blond noch Schauspielerin: Alma Reville hielt Hitchcock als seine Ehefrau jahrzehntelang die Treue und war als Co-Autorin/Casterin/Cutterin/Assistentin seine wichtigste Begleiterin und Beraterin während seiner Karriere, die ohne Alma wohl nie so zustande gekommen wäre. 

Diese Beziehung von Hitchcock und seiner Alma erhält nun eine späte filmische Würdigung in Form dieses Biopics, das die Beziehung der beiden porträtiert vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte von "Psycho" (zu dessen immenser filmhistorischer Bedeutung wir gern auf unsere Gold-Rezension verweisen). Es ist das Jahr 1959, Hitchcock (Anthony Hopkins) hat soeben einen großen Erfolg mit seinem letzten Film "Der unsichtbare Dritte" gefeiert, doch das Ego des Regie-Giganten ist angekratzt: Es häufen sich die Stimmen, die ihn als altes Eisen bezeichnen, das seine besten Tage hinter sich hat. Darum sucht Hitchcock einen Filmstoff, mit dem er alle überraschen und der ganzen Welt zeigen will, was er immer noch drauf hat. Als er auf einen Roman über einen psychisch schwer gestörten Serienmörder aufmerksam wird, glaubt er den perfekten Stoff gefunden zu haben. Seine Frau Alma (Helen Mirren) hält zwar an sich nichts von diesem "Horror-Schund", unterstützt Hitchcock aber trotzdem in bedingungsloser Loyalität. Sie leidet indes darunter, dass ihr Ehemann überhaupt keine Augen mehr für sie hat - scheinbar ganz im Gegensatz zum Drehbuchautoren Whitfield Cook (Danny Huston), der Alma als Co-Autorin für sein nächstes Projekt gewinnen will, charmant mit ihr flirtet und ihr die Aufmerksamkeit gibt, nach der sie sich als Frau sehnt. HitchcockDas kriegt irgendwann auch Alfred mit, und während er sein Haus verpfändet, um "Psycho" aus eigener Tasche zu finanzieren, da das Paramount-Filmstudio nicht an den Erfolg des Projekts glauben möchte, wird seine Eifersucht zu einer immer größer werdenden Ablenkung.

Für seine erste halbe Stunde ist "Hitchcock" ein einziger großer Spaß, zumindest für wahre Kino-Liebhaber, die einigermaßen mit Hitchcocks Werk vertraut sind und auch die historischen Zustände von Hollywood in den 50er und 60er Jahren kennen. Von der originellen Eröffnung des Films über die herrlich trockene, britische Schlagfertigkeit welche die Dialoge zwischen Alfred und Alma durchzieht, hin zu Toni Collettes fabulös verschrobener Darstellung von Hitchcocks Sekretärin und schließlich dem ersten Besuch bezüglich "Psycho" beim 'Hays Office', jener Quasi-Zensurbehörde, die bis in die späten 60er Jahre hinein darauf achtete, das auch nicht der kleinste Hauch von Unanständigkeit in einem Hollywood-Film zu sehen war - alles absolut großartig, ein Traum von einem Film für alle Cinephilen. Vor allem die Szene bei den Wächtern des Hays'schen "Production Codes" (Hitchcocks trockener Kommentar: "Das einzige, was schlimmer ist als ein Besuch beim Zahnarzt, ist ein Besuch beim Zensor") ist eine grandiose Persiflage auf die Absurdität der Selbstzensur, die damals in Hollywood herrschte. 

Nicht weniger große Freude macht es, der Hinleitung zum Dreh von "Psycho" zuzusehen: Der Kampf gegen die Studio-Windmühlen um eine Finanzierung zu erreichen, die Entscheidungen fürs Casting von Janet Leigh (Scarlett Johansson) und Anthony Perkins (James D'Arcy), die schon lange vor Drehbeginn einsetzende Aufregung um die Duschszene - hach nee wie herrlich, all dem beizuwohnen im Wissen, was am Ende dabei heraus kommen würde. Der Film zeigt dabei sehr schön, was für ein genialer und kompromissloser Filmemacher Hitchcock war: HitchcockAls er sich für das Projekt entschieden hat, lässt er jede verfügbare Ausgabe des Romans, auf dem "Psycho" basiert, aufkaufen - kein Zuschauer soll die Gelegenheit haben, das Buch zu lesen und so die entscheidenden Wendungen der Geschichte zu kennen, bevor sie es im Kino sehen. Im Zeitalter der "built-in audience" eine geradezu abstruse, geschäftsschädliche Denkweise - aber eben auch die Denkweise eines wahren Filmemachers, des "Master of Suspense", für den nichts zählt außer die perfekte Wirkung seines Films.

Würde "Hitchcock" so weiter gehen, wie er anfängt, hier würde einer der besten Filme des Jahres lauern und diese Rezension als Lobeshymne ausklingen. Doch je länger der Film dauert, desto mehr verliert er seinen originellen Ton und verheddert sich zusehends in unentschlossenen Nebenschauplätzen. Pflichtschuldig will der Film nicht Hitchcocks bestens bekannte Blondinen-Obsession unterschlagen und zeigt den Meisterregisseur als leicht perversen Spanner, was die eigentliche Liebenswürdigkeit des lakonischen Kauzes, als den der Film seinen Protagonisten ansonsten präsentiert, nachhaltig untergräbt. Ein noch viel größerer, völlig sinnfreier Bruch zum vorherrschenden, leicht-humorvollen Tonfall des Films sind die Visionen/Halluzinationen, die Hitchcock im weiteren Verlauf vom realen Vorbild des "Psycho"-Psychopathen (der amerikanische Serienmörder Ed Gein) hat - ein merkwürdiges Erzählelement, das keine erkennbare Zielsetzung hat und einzig dazu führt, dass Hitchcock vom Zuschauer mehr und mehr als besessener Spinner wahrgenommen wird, was aber definitiv nicht die Absicht der Verantwortlichen hier ist. 

HitchcockDie größte erzählerische Enttäuschung ist indes die "Liebesgeschichte" zwischen Alfred und Alma, die hier das emotionale Zentrum des Films sein soll. In seinen Motiven und Verlauf ist dieser Handlungsstrang eine leider komplett konventionelle Geschichte von Aufmerksamkeitsmangel, Versuchung und Desillusionierung und nimmt dafür, wie fad und vorhersehbar er abläuft, zu viel Raum ein, den man eigentlich als Zuschauer viel lieber am Set von "Psycho" verbracht hätte. Nahezu immer, wenn es hier um diesen zur Legende gewordenen Film geht, geht es dann stets nur um die Duschszene, und so wird "Hitchcock" den fundamentalen Errungenschaften dieses Meisterwerks kaum gerecht, da er "Psycho" fast komplett auf seine berühmteste Szene reduziert.

Ebenfalls enttäuscht werden die großen Erwartungen, die man hier angesichts des Zusammenspiels von Anthony Hopkins und Helen Mirren hatte. Während Mirren über jeden Tadel erhaben ist und gerade die subtileren Momente ihrer Figur mit gewohnt großartiger Präzision darbietet, ist Hopkins mit seinen eigentlichen darstellerischen Fähigkeiten hier kaum richtig wahrzunehmen - denn leider ist ihm dafür seine Maske entschieden im Weg. Um Hopkins Hitchcocks beachtliche Leibesfülle zu verpassen, hat man ihm ein künstliches Fettkinn ans Gesicht geklatscht, das leider in jeder Szene als unnatürliche Prothese zu erkennen ist und mit seiner makellos glatten Haut in unnatürlichem Kontrast zur faltig-fleckigen Stirn- und Augenpartie von Hopkins steht, die man in der Maske unangetastet gelassen hat. 

Das Gesamtbild, das "Hitchcock" hinterlässt, erweist sich am Ende dann leider als ähnlich unsauber wie die Maske im Gesicht von Anthony Hopkins - was wirklich sehr schade ist für einen Film, der so toll anfängt und zu einem magischen Zeitreise-Vergnügen ins Hollywood der späten 50er Jahre hätte werden können. Aber dafür ist der Film einfach zu unentschlossen und zerfranst zu sehr zwischen seinen verschiedenen widersprüchlichen Ansätzen. Was dann halt auch wiederum beweist, dass schon ein ganz außergewöhnliches Talent dazu gehört, einen Film so brillant zu komponieren und so meisterhaft mit den Reaktionen des Publikums zu spielen, wie Hitchcock es konnte. Die Macher von "Hitchcock" können es jedenfalls nicht.

Bilder: Copyright

6
6/10

Aus "Hitchcock" ist leider kein großer Film geworden, und auch nicht unbedingt ein Geniestreich seines Hauptdarstellers Anthony Hopkins. Beides enttäuscht auf recht hohem Niveau, so dass "Hitchcock" letztlich zwar durchaus ein sehenswertes Biopic, aber eine insgesamt zu triviale Aneinanderreihung von Episoden aus den Problemchen des großen Meisters geworden ist, die diesen während der Fertigstellung von "Psycho" plagten. Am wenigsten störend wirkt sich dabei noch die Tatsache aus, dass Originalszenen aus diesem Meisterwerk nicht gezeigt werden durften. Scarlett Johansson, James D'Arcy und Jessica Biel geben sich zusammen mit Hopkins jede erdenkliche Mühe, die kräftezehrende Arbeit und die Anspannung am Set von "Psycho" mit Leben zu füllen. Es scheint jedoch, als sei den Drehbuchautoren von Hitchcock außer der Duschszene (zweifellos unterhaltsam) und den Konflikten mit den Vertretern des Hays Code (ebenfalls unterhaltsam) nichts weiter eingefallen, was aus Hitchcocks Filmschaffen in den 50er und 60er Jahren erwähnenswert gewesen wäre.

Noch problematischer ist der Fokus des Films auf der Andeutung einer Ehekrise mit Alma (Helen Mirren). Da die Beleuchtung von Hitchcocks Charakter (der ja mit einem konkreteren Blick auf sein künstlerisches Schaffen vertieft hätte werden können) oberflächlich bleibt, kann man die Motivation für Almas Handeln nicht immer so recht nachvollziehen. Hitch ist doch eigentlich ein netter Kerl, und Whitfield Cook ein aufgeblasener Schnösel?! Dementsprechend wirkt gerade das, was offenbar zum Herzstück des Films werden sollte, oft unglaubwürdig.

Gänzlich blödsinnig wirkt der Film jedoch bei den "Konferenzen", die Hitchcock mit dem fiktiven Ed Gein abhält. Was die Urheber des Films hier geritten hat, weiß ich nicht, für den Verlauf der Handlung sind die Szenen jedoch völlig unnötig und verfälschen außerdem die hochkomplexe, wohl strukturierte Arbeitsweise, die ein Meister wie Hitchcock an den Tag gelegt haben muss, damit ein so glänzendes Resultat wie "Psycho" entstehen konnte. "Hitchcock" bleibt aus diesen Gründen auf halbem Weg stecken und ist zwar stellenweise ein durchaus fasziniertes, insgesamt aber zu stückhaftes und oft unplausibles Portrait des Master of Suspense.

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Bernhard Hermann (Filmmusik) könnte in so einem Film ja auch mal ein wenig erwähnt werden - schliesslich sind seine Kläng für den Erfolg von Hitchcock's Filmen maßgeblich mitverantwortlich.
(Kann man z.B. schon daran sehen, dass "Torn Curtain", der erste Film ohne Hermann's Musik, gleichzeitig auch Hitchcock's erster Flop war).

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