
So
kann’s gehen im Filmbusiness: 1995 dreht der Regisseur Bill
Condon das äußerst überflüssige und mit
Recht unbeachtet gebliebene Sequel „Candyman 2“; 1999 erhält
er den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch. Dieses
trägt den Titel „Gods and Monsters“ und erzählt von
einem Mann, dessen Karriere ihren Höhepunkt schon lange
überschritten hat: In den dreißiger Jahren hatte
der Regisseur James Whale Klassiker des phantastischen Films
wie „Frankenstein“, „Der Unsichtbare“ und „Frankensteins Braut“
gedreht; 1957 lebt er fast nur noch von seinen Erinnerungen.
Nach einem Schlaganfall ist er auf starke Medikamente angewiesen
und hat abgesehen von seiner Haushälterin Hanna nur noch
selten Kontakt zu anderen Menschen. Erst als ein junger Mann
namens Clayton Boone den Gärtnerposten übernimmt,
kommt wieder etwas Bewegung in den Tagesablauf des alten Mannes.
Nachdem Clayton seinen ersten Schreck über Whales unverhohlene
Homosexualität überwunden hat, entwickelt sich eine
vorsichtige Freundschaft zwischen den Beiden, die jedoch stets
von Whales Problemen, sich mit seinem Zustand abzufinden, überschattet
bleibt.

Bei
einem Film, der von tatsächlichen Personen der Hollywoodgeschichte
handelt, bleibt es kaum aus, daß der filminteressierte
Zuschauer gelegentlich an andere Zelluloidwerke erinnert wird.
In diesem Fall sind allerdings keineswegs nur James Whales Klassiker
gemeint, sondern vielmehr zwei andere Filme, die thematisch
nicht allzuweit von Condons Drama entfernt liegen und im direkten
Vergleich leider eindeutig die Nase vorn haben: Zum einen wäre
da „Bewegliche Ziele“ von Peter Bogdanovich zu nennen, in dem
sich Whales berühmtester Darsteller Boris Karloff quasi
selbst spielt und ebenfalls einsehen muß, daß seine
Glanzzeiten vorbei sind. Noch einfacher hergestellt ist der
Bezug zu Tim Burtons „Ed Wood“, schließlich geht es auch
dort um einen real existierenden bzw. existierthabenden Regisseur,
dessen erotische Interessen nicht unbedingt ‚middle of the road‘
liegen (Stichwort: rosafarbene Angorawäsche) und auf die
eine oder andere Weise Eingang in seine Filme gefunden haben.
Weiterhin nehmen sich alle drei genannten Werke recht großzügige
erzählerische Freiheiten und bemühen sich erst gar
nicht um den Anspruch auf das ohnehin zweifelhafte Prädikat
„Dieser Film basiert auf wahren Begebenheiten“.
Ein derartiger Vergleich macht dann auch deutlich, warum „Gods
and Monsters“ einem trotz hervorragender Darsteller nicht sonderlich
zu Herzen geht. Der Film will dem Zuschauer Whales manchmal
exzentrisches Verhalten verständlich machen und reißt
zu diesem Zweck zahlreiche Bereiche seines Lebens kurz an: Sein
vergangener Ruhm, sein Schwulsein, sein Kriegstrauma, sein tyrannischer
Vater, seine Kunstleidenschaft - alles wird zumeist mit knappen,
eher unspektakulär inszenierten Rückblenden in den
Film hineingeworfen, fügt sich jedoch nicht unbedingt zu
einem wirklich schlüssigen Gesamtbild der Person James
Whale. „Bewegliche Ziele“ und „Ed Wood“ funktionieren in dieser
Hinsicht wesentlich besser, da sie sich klugerweise auf wenige
zentrale Aspekte beschränken und diese dann vernünftig
ausarbeiten.
Daß „Gods and Monsters“ den Kampf um das Zuschauerinteresse
trotz dieser Mängel nicht völlig verliert, liegt in
erster Linie an den fabelhaften Darstellern.

Auch
wenn die Nebenfiguren eher flach bleiben, macht Brendan Fraser
seine Sache als einfacher, aber aufgeschlossener Vertreter des
Arbeitermilieus schon ziemlich gut und erinnert daran, daß
er nicht nur als Komödiant oder Stichwortgeber für
CGI-Mumien fungiert hat, sondern in solchen Perlen wie „The
Passion of Darkly Noon“ auch bereits schauspielerische Akzente
setzen konnte. Noch viel mehr Freude macht es jedoch, den älteren
Semestern bei der Arbeit zuzuschauen: Ian McKellen steigert
mit seinem zwischen Süffisanz und Sehnsucht pendelnden
Spiel die Vorfreude auf Peter Jacksons „Herr der Ringe“, in
dem er den Gandalf geben wird, um ein paar weitere Nuancen.
Und Lynn Redgrave ist schlichtweg wunderbar als seine nervös
umherhuschende Haushälterin, die zwar überzeugt ist,
daß ihr Arbeitgeber wegen seiner fleischlichen Verfehlungen
in der Hölle schmoren wird, den alten Mann aber offensichtlich
über alles liebt. Die Beiden hätten ihre Oscars jedenfalls
eher verdient als Condon für sein Skript (zumal in dessen
Kategorie noch so ein Schmuckstück wie „Out of Sight“ angetreten
war), mußten sich aber mit ihren Nominierungen zufrieden
geben.

Letztendlich
darf man „Gods and Monsters“ das Attribut ‚gefällig‘ verleihen.
Der Film nervt zu keinem Zeitpunkt, hat auch zusätzlich
zu den schon gepriesenen Darstellerleistungen ein paar nette
Momente aufzuweisen, bleibt hinter seinen Möglichkeiten
und Ambitionen jedoch deutlich zurück. Um ein letztes Mal
einen - zugegebenermaßen nicht ganz fairen - Vergleich
zu bemühen: Es erscheint gar nicht mal so abwegig, daß
in ferner Zukunft jemand mal einen Film über Tim Burtons
Leben und Werk drehen möchte. Bill Condon müßte
sich noch gewaltig steigern, um ein derartiges Interesse zu
rechtfertigen.
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