Es gibt wunderschöne Weihnachtsfilme für Kinder, wie zum Beispiel "Die Muppets-Weihnachtsgeschichte". Was uns aber zum Fest der Liebe dieses Jahr aus eigenen Landen beschert wird, berührt und verzaubert leider nicht wirklich. "Es ist ein Elch entsprungen" ist ein netter, simpler Film ohne Ecken und Kanten geworden, der zwar das Prädikat "für alle Zuschauer erträglich" bekommt, aber nicht das ist, was wir oder unsere Kinder uns vom Christkind gewünscht haben. Ganz abgesehen davon, dass der Film mit einem unverständlich frühen Starttermin dem unrühmlichen Kaufhaus-Trend folgt, die Weihnachtszeit schon im Hochherbst einzuläuten.
Der kleine Bertil (Raban Bieling) und seine Schwester Kiki (Sarah Beck) können es kaum fassen. Da ist doch tatsächlich ein leibhaftiger Elch (Mr. Moose, Stimme von Armin Rohde) vom Himmel durchs Dach gefallen. Mutter Kirsten ist weniger glücklich, hat doch ihr Vermieter Pannecke (Jürgen Tarrach) das Halten von Tieren strikt untersagt. Pannecke ist nicht nur böser Vermieter, sondern auch Jäger, dem nur noch ein echtes Elchgeweih in seiner Sammlung fehlt. Und der arme Weihnachtsmann (Mario Adorf), der gerade mit Mr. Moose einen Testflug für das Weihnachtsfest gemacht hatte, sucht nun seinen Elch, ohne den das Weihnachtsfest nicht stattfinden kann.
Soweit
so gut. Warum Bertil Mr. Moose in dieser Geschichte unbedingt behalten
und dem Weihnachtsmann nicht zurück geben möchte, bleibt
in "Es ist ein Elch entsprungen" ebenso im Dunkeln wie
der Grund, aus dem Weihnachten ohne den Elch nicht stattfinden kann
(Wie gemeinhin bekannt, ziehen Rentiere den Schlitten des Weihnachtsmanns
- der ohnehin eine rein amerikanische Erfindung ist). Hier offenbart
sich gleich der große Haken am deutschen Weihnachtsfilm: Regisseur
Ben Verbong ("Das Sams, "Das Sams in Gefahr") macht
es sich zu einfach.
Kinder sind eigentlich komplexe Wesen mit komplexen Gefühlen,
sie können traurig-wütend sein oder verletzt-traurig,
glücklich-aufgeregt oder gelangweilt-müde. Stattdessen
ist Bertils Schwester einfach neunmalklug, Bertil selbst hingegen
immer lieb und hat Angst vor den bösen anderen Kindern. Der
modellierte Elch ist eher patzig-ungehobelt, anstatt ernsthafte
Emotionen auszulösen. Dass das Gesicht von Walter Matthau als
Vorbild für das Elchmodell verwendet wurde, lässt zwar
vielleicht die Erwachsenen noch ein bisschen schmunzeln, ersetzt
aber nicht die mangelnde Persönlichkeit des sprechenden Tieres,
das fleißig rülpst und brav die Namen von Möbelstücken
eines bekannten schwedischen Möbelhauses auswendig lernt.
Und
aus welchem Grund muss sich der Weihnachtsmann die Großmutter
schön saufen? Ein sturzbesoffener und in eisiger Kälte
herumstolpernder Nikolaus, der von der Polizei aufgelesen und in
die Psychiatrie gebracht wird, wirkt in einem Kinderfilm doch eher
unpassend. Leider ist die einzige Szene, in der Mario Adorf überhaupt
ernsthaft schauspielern darf oder muss, eben dieses unpassende Besäufnis
mit Omi, die dem Weihnachtsmann an die Wäsche möchte.
Ansonsten wird dieser wirklich herausragende Schauspieler nur wenig
gefordert, was einfach zu schade ist für Adorfs nunmehr 103.
Spielfilm.
Regisseur Verbong ist nach eigener Aussage sogar stolz darauf, die Buchvorlage von Andreas Steinhöfel nie gelesen zu haben, um sich nicht von seiner Arbeit mit dem Drehbuch ablenken zu lassen. Doch werden viele der kleinen Zuschauer den Film genau deshalb sehen wollen, weil sie das Buch gelesen oder vorgelesen bekommen haben. Für sie ist es besonders schade, dass dem Regisseur Werktreue anscheinend herzlich egal war.
All dies heißt jedoch nicht, dass es unerträglicher Schund ist, der da auf dem Weihnachtschlitten bei uns im Kino landet, doch hätte "Es ist ein Elch entsprungen" halt einfach besser sein können. Der Film hat auch durchaus seine positiven Aspekte: Die Kinder-Darsteller spielen wirklich schön, die Grundstimmung ist verschneit-weihnachtlich, die Landschaftsaufnahmen sind einfach zauberhaft, und die Animation ist zwar manchmal etwas unpassend, aber immerhin ansprechend umgesetzt, bedenkt man die eingeschränkten Möglichkeiten einer deutschen Produktion mit schlankem Budget.
So verbleibt "Es ist ein Elch entsprungen" in netter Durchschnittlichkeit. Und weil man nicht meckern sollte, ohne bessere Beispiele zu nennen: Es gibt sie schließlich wirklich, so richtig wunderschöne Kinderfilme. Solche ohne Spezialeffekte und dafür mit komplexerer Handlung, wie Christian Züberts kürzlich gestarteter "Der Schatz der weißen Falken". Solch prächtige, klassische Erzählungen wie so ziemlich alle Kinderverfilmungen von Charles Dickens' Geschichten oder die liebevolle Literaturadaption "Der geheime Garten". Oder auch solch komische, originelle Meisterstücke wie das Gesamtwerk der Pixar-Studios ("Die Monster AG", "Findet Nemo", "Die Unglaublichen").
Das Publikum von "Es ist ein Elch entsprungen" wird zwar letztendlich nicht übermäßig enttäuscht sein (es ist ein netter Film), dafür aber auch nicht übermäßig begeistert (es ist eben nur ein netter Film). Wer bessere Weihnachtsfilme sucht, sollte lieber in die Videothek gehen oder ins festtägliche Fernsehprogramm schauen. Da laufen zwar wahrscheinlich dieselben Filme wie letztes Jahr, dafür gibt es aber auch gute Gründe, warum wir diese Klassiker schon so oft gesehen haben und immer noch lieben.
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