
John
Ottman ist ein Unikat des zeitgenössischen Kinos. Es gibt diverse
Multitalente, die sich bei all ihren Projekten an mehreren Aufgaben
gleichzeitig versuchen. Aber Komponist und Cutter ist schon eine
weniger alltägliche Mischung, wenn auch das Ergebnis schwer
beeindruckt: Als ehemaliger Studienfreund von Regievirtuose Bryan
Singer („Die üblichen Verdächtigen“, „X-Men“)
war Ottman für Musik und Schnitt dessen erster drei Filme verantwortlich,
und schuf dank seines innigen Verständnisses des hochkomplizierten
Plots mit dem Score zu „Die üblichen Verdächtigen“
eines der erstaunlichsten Soundtrack-Produkte der Neunziger. Ein
ambitionierter Filmschaffender also, der nun als sein Regiedebüt
die Fortsetzung des leidlich erfolgreichen Teenie-Slashers „Düstere
Legenden“ in Szene setzt. Anspruch und Wirklichkeit künstlerischen
Schaffens scheinen hier heftigst aufeinander zu prallen. Was allerdings
eindeutig zu Gunsten des Films geschieht, denn dank Ottman ist dieses
Sequel weitaus besser als sein Vorgänger, und birgt so einige
positive Überraschungen.
Die neuesten Trends des Horror-Revivals im Hinterkopf wählt auch „Düstere Legenden 2“ die selbst-reflexive und –ironische Masche: Nach bester „Scream“-Manier dreht sich alles um den Film im Film. Denn einziger Bezugspunkt zum ersten Teil ist die Campus-Polizistin Reese, welche die Vertuschung der damaligen Mord-Serie am Pendelton College nicht mitmachen wollte und prompt entlassen wurde. Nun ist sie Sicherheitschefin an einer Filmhochschule und bringt die verzweifelte Amy auf die Idee, die inzwischen selbst zur düsteren Legende mutierte Geschichte vom Pendelton College für ihren Abschlußfilm zu adaptieren. Amy macht sich frisch ans Werk, um den begehrten Hitchcock Award ihrer Schule zu gewinnen (der angeblich eine Anstellung in Hollywood garantiert), doch wie sich bereits erahnen läßt, verlaufen die Dreharbeiten alles andere als reibungslos. Nach und nach dezimiert sich die Zahl von Amy’s Kommilitonen, die sich nun anschickt den mysteriösen Killer zu stellen, bevor ihre gesamte Crew nicht mehr zur Verfügung steht.
„Düstere
Legenden 2“ hat all die schlechten Voraussetzungen, um ein
ähnlich lauer und unspannender Slasher wie sein Vorgänger
zu werden: Eine Reihe der „angesagtesten Jungstars von Hollywood“,
wie die Pressemappe immer so schön sagt, und damit im Prinzip
einen Haufen von Nobodys meint, die mit diesem Film berühmt
zu werden hoffen; eine fadenscheinige und außerdem bei allseits
bekannten Vorbildern abgekupferte Geschichte; und einen Plot, der
mit den üblichen Strukturen aufwartet und daher kaum zu erschrecken
weiß. Zum Glück jedoch war sich Regisseur Ottman all
dieser Dinge bewußt, hat gar nicht erst versucht, einen bierernsten
Horrorfilm zu inszenieren, und treibt statt dessen mit wildem Augenzwinkern
lustige Späße mit dem Selbstverständnis seiner Figuren:
Denn für angehende Regisseure, wie sie hier im Dutzend rumlaufen,
ist das ganze Leben ein Film, und so ist es auch nur konsequent,
daß sie sich entsprechend irrational verhalten. Da wird es
schnell akzeptiert, wenn aus dem Nichts der Zwillingsbruder eines
(vermeintlich?) toten Freundes auftaucht (während das Drehbuch
dieses mega-miese Klischee nicht einmal ansatzweise zu entschuldigen
versucht), und da darf es auch nicht verwundern, wenn die eigenen
Albträume auf einmal wie eine Szene aus „Basic Instinct“
aussehen. Es wirkt zwar schon ein wenig befremdlich, wenn um sie
herum ihre Freunde, Darsteller und technischen Mitarbeiter über
den Jordan gehen und Amy trotzdem fest an ihrem Drehplan festhält,
aber so sind Filmstudenten dann wohl drauf.
Eine Menge raus holen kann auch Ottman’s sehr schwungvolle Inszenierung. Mit viel Handkamera, Flash-Effekten und verzerrten Bildern spielt er fröhlich auf der visuellen Klaviatur des Genres und kann trotzdem ab und an eine wirkungsvolle Slasher-Atmosphäre erzeugen. Reminiszenzen an das „Blair Witch Project“ und eine schlichtweg wundervolle Anspielung auf „Reservoir Dogs“ tragen allerdings ihren Teil dazu bei, daß aus „Düstere Legenden 2“ doch vor allem ein amüsanter Spaß als ein spannender Horrorfilm wird.
Aber
auch der enthusiastische und kreative Regisseur kann über manchen
Schwachpunkt nicht hinweg täuschen. So übertreibt es das
Drehbuch zuweilen mit seiner Selbstreflexivität, manche Anspielungen
auf filmische und nicht-filmische Realitäten wirken ein bißchen
zu sehr gewollt und vermitteln den Eindruck, als wolle das Skript
intelligenter sein, als es wirklich ist. Auch ein paar offene Fragen
versalzen die Suppe: So ist das erste Opfer des Killers zum Beispiel
eine völlig Unbekannte, deren Verbindung zur letztlichen Serie
niemals klar wird, und deren tödliches Schicksal (wenn auch
nicht schlecht in Szene gesetzt) zwar zum Konzept des Films im Film,
aber nicht zum Konzept des Films passt.
„Düstere Legenden 2“ ist nicht ganz so gut, wie das hier vielleicht geklungen hat, bietet jedoch einige erfrischend neue Ansätze und eine tolle Inszenierung, um sich erfolgreich von seinen qualitativ minderwertigen Vorbildern abzusetzen. Ernst nehmen sollte man ihn auf keinen Fall, sondern ihm die selbe amüsierte Distanziertheit wie der Regisseur entgegen bringen. Dann lohnt sich dieser Film tatsächlich. Bleibt nur die Frage, warum all diese ambitionierten jungen Filmemacher bei der Herstellung von billigen Horror-Flicks enden. Sollte man bei Gelegenheit mal John Ottman fragen.
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