
Drei
Geschichten über Menschen auf der Suche nach der großen
Liebe, die sie irgendwann verloren haben. Dreimal schlägt das
Schicksal dabei grausam zu: Dem alternden Yakuza-Boss Hiro bleibt
nur wenig Zeit mit seiner wiedergefundenen Jugendliebe; die junge
Haruna zieht sich nach einem Unfall aus ihrem Leben als Popstar und
von ihren Fans zurück. Vor, zwischen und nach diesen zwei eher
kurzen Episoden verfolgen wir den Weg von Matsumoto und Sawako, einem
Paar das als "die aneinandergebundenen Bettler" berühmt
wird. Sawako verlor den Verstand als ihr Geliebter sie verließ,
um eine Vernunftehe mit der Tochter seines Chefs einzugehen. Von Schuldgefühlen
geplagt kümmert sich Matsumoto fortan um seine wahre Liebe und
verliert dabei seine sichere bürgerliche Existenz. Mit einem
Seil bindet er die verwirrte und hilflose Sawako an sich und gemeinsam
wandern sie scheinbar ziellos durch das Land.
Die Anhänger des "coolen Takeshi" werden sich mit
seinem neuen Film vielleicht nicht so recht anfreunden können,
denn zu sehr unterscheidet dieser sich von Werken wie "Brother"
oder "Violent Cop", für die er in unseren Breitengraden
am ehesten bekannt ist. Zwar taucht auch in "Dolls" der
wohl unvermeidliche Yakuza-Pate auf, doch auf virtuos in Szene gesetzte
Gewaltorgien wird dieses Mal weitestgehend verzichtet. "Grausam"
ist der Film zwar auch diesmal, das allerdings weniger durch den
Einsatz von Kunstblut sondern durch die Grausamkeiten eines unbarmherzigen
Schicksals.
Ebenfalls
eher ungewöhnlich ist, dass Takeshi Kitano - immerhin einer
der größten Stars des modernen japanischen Films - sich
hier auch nicht selbst vor der Kamera zeigt sondern als Regisseur,
Autor und Cutter konsequent dahinter bleibt. Wer andererseits ein
wenig mehr mit dem Werk Takeshis vertraut ist, dem ist auch die
Vielseitigkeit dieses Künstlers bekannt, der mit seinem Meisterwerk
"Hana-Bi" den vielleicht poetischsten und traurigsten
Gangsterfilm aller Zeiten inszenierte, sich aber andererseits auch
nicht für den herrlichen Blödsinn der Spielshow "Takeshi's
Castle" zu schade ist und nebenher noch als Romanautor und
Maler wirkt. Nach den zahlreichen Auszeichnungen für "Hana-Bi"
(unter ihnen der goldene Löwe von Venedig) muss bei Herrn Takeshi
Kitano der Wunsch gewachsen sein, einmal einen wirklich anspruchsvollen
und symbolträchtigen "Kunstfilm" zu machen und das
Ergebnis dieser Bestrebungen liegt nun also mit "Dolls"
vor.
Schon
die Einführung, in welcher der Zuschauer Zeuge einer Aufführung
des japanischen Puppentheaters "Bunraku" wird, lässt
erahnen, dass hier keine gradlinig erzählte Geschichte folgen
wird. Kitano verbindet die Puppen dann mit dem Schicksal seiner
beiden Hauptfiguren und lässt diese durch ein Japan voll traumhaft
schöner Landschaften ziehen, die von den beiden Unglücklichen
jedoch anscheinend gar nicht wahrgenommen werden. Der Betrachter
folgt Matsumoto und Sawaku dabei durch Schnee, Herbstlaub und Blütenfelder
voller Farbenpracht. Es bleibt ihm dabei selbst überlassen,
diese Bilder einfach "schön" zu finden oder ihre
Symbolik und ihre Bedeutung für die Charaktere zu entschlüsseln.
So interessant und reizvoll diese Schauwerte und ihre feine musikalische Untermalung dann auch sind, auf Dauer ermüdet der lange Marsch der beiden Bettler dann doch den Zuschauer, und eine gewisse Straffung hätte hier zweifellos gut getan. Der Beginn der Geschichte und ihre anfängliche Entwicklung bilden daher auch den gelungeneren Teil des Films, zusammen mit den beiden eingeflochtenen Nebenhandlungen. In denen zeigt sich nämlich sehr deutlich Takeshis eigentliche Stärke: Das Gefühl für faszinierende Situationen und interessante Dialoge, in denen mit wenig Worten viel ausgedrückt werden kann. Dank dieser Szenen ist ihm das Experiment "Dolls" daher größtenteils gelungen, auch wenn man danach doch schnell wieder Lust auf einen "klassischen Takeshi" von und mit dem Meister bekommt.
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