In diesem Jahr wurde der 100. Geburtstag eines Regisseurs gefeiert, dessen lange Karriere uns nicht nur zahlreiche unvergessliche Filme beschert hat, sondern die auch als Inspirationsquelle für Generationen unterschiedlichster Filmemacher diente. So stellte Akira Kurosawa mit "Rashomon" 1950 zum ersten Mal auf der Leinwand die objektive Realität des Gesehenen in Frage und wurde so zum Wegbereiter für Filme wie "Memento" oder "Mut zur Wahrheit". Mit "Die verborgene Festung" (1958) lieferte er die Vorlage für George Lucas' erstes "Star Wars"-Abenteuer, und "Yojimbo" (1961) diente Sergio Leone als Vorbild für den Clint Eastwood-Klassiker "Für eine Handvoll Dollar". Das wohl bekannteste Werk des japanischen Ausnahmeregisseurs ist aber ohne Zweifel sein über drei Stunden langes Epos "Die Sieben Samurai" (1954), das Hollywood wenig später mit dem starbesetzten "Die Glorreichen Sieben" durchaus unterhaltsam kopierte. An das Original reicht John Sturges' Western trotzdem nicht heran, denn was Kurosawa hier vor über 50 Jahren erschaffen hat, ist nichts anderes als ein einzigartiges Stück Filmgeschichte, das trotz fremden Kulturkreis und Schwarz-Weiß-Look auch noch heute dem modernen westlichen Publikum einen packenden Filmabend bietet.
Die Tatsache, dass "Die Sieben Samurai", im Gegensatz zu manch anderem Klassiker noch heute relativ modern und frisch wirkt, ist die wohl erstaunlichste Leistung Kurosawas. Das liegt unter anderem daran, dass der Film damals eine Story-Idee einführte, mit der das Publikum noch heute regelmäßig vor allem im modernen Action-Kino konfrontiert wird. "Die Sieben Samurai" gilt als der Prototyp des "Team-auf-einer-Mission"-Films, bei dem zur Lösung einer scheinbar unmöglichen Aufgabe erst einmal eine schlagkräftige Gruppe zusammengetrommelt werden muss. In diesem Fall eine Ansammlung furchtloser Samurai-Krieger, die von den Bauern eines abgelegenen Dorfes als Söldnergruppe angeheuert werden. Die Bezahlung, ein wenig Essen und Unterkunft, ist dabei lächerlich gering, vor allem im Angesicht der Tatsache, dass die Samurai das Dorf gleich vor einer ganzen Horde blutrünstiger Banditen beschützen sollen. Aber auch Samurai haben Hunger, und so schließen sich dem weisen Kanbê Shimada (Takeshi Shimura) auch noch der junge Katsohiro (Isao Kimura), der begnadete Schwertkämpfer Kyûzô (Seji Miyaguchi) und drei weitere Krieger an. Komplettiert wird die Gruppe vom Rauf- und Trunkenbold Kikuchiyo (Toshirô Mifune), der vom Rest allerdings zuerst nur als lästiges Anhängsel betrachtet wird. Ebenfalls eher skeptisch als freundlich empfangen die Bauern des Dorfes die Samurai. Bei aller Freude über die nötige Verstärkung, diese Fremden sind den Bauern dann doch ein bisschen suspekt. Keine wirklich ideale Ausgangslage für den gemeinsamen Kampf gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner. Auch wenn die Geschichte reichlich Action verspricht, bis zum ersten Aufeinandertreffen von Samurai und Banditen muss man sich als Zuschauer schon ziemlich gedulden. Kurosawa nimmt sich nämlich schon bei der Einführung der Protagonisten sehr viel Zeit. Das tut aber nicht nur den Figuren gut, sondern ist auch noch verdammt unterhaltsam. Denn der Film präsentiert sich am Anfang fast komödiantisch, wenn die Kamera zu fröhlicher Musik über die Gesichter potentieller Mitstreiter wandert oder aussichtsreiche Kandidaten von Shimada einem ganz schön dreisten Eingangstest unterzogen werden. Diese Lockerheit blitzt auch später immer wieder einmal auf und leistet ihren Beitrag zum Charme des Films und dem schnellen Sympathisieren mit den Hauptfiguren. Auch im Dorf angekommen scheint die Bedrohung für die Samurai erst einmal in weiter Ferne zu liegen, und so hat man während der Planung von Verteidigungsmaßnahmen noch die Zeit, mit den Kindern des Dorfes herumzualbern oder liebevoll eine eigene Kriegsflagge zu basteln. Doch auch wenn dem Film ein wundervolles Porträt dieser gesellschaftlichen Zwänge und Erwartungshaltungen gelingt, ist das wahre Highlight dann doch Kurosawas Inszenierung. Nur wenige Regisseure waren je in der Lage, über 200 Minuten Film so kurzweilig erscheinen zu lassen wie er. Das liegt zum einen an der Bildersprache, denn Kurosawa findet mit traumwandlerischer Sicherheit stets das perfekte Bild für seine Szenen. Eines der schönsten ist Katsohiros Begegnung mit dem Bauernmädchen Shino in einem mit Blumen übersäten Waldstück. Trotz unglaublich hohem Kitschpotential gelingt Kurosawa hier eine wundervoll einfühlsame Szene, auch weil er einfach ein tolles Gespür für das richtige Timing hat. So wirbelt die Kamera manchmal temporeich durch das Dorf, zum Beispiel als ein Bauer seine widerspenstige Tochter jagt, nur um wenig später dann wieder ganz ruhig und majestätisch auf den Gesichtern der Samurai zu liegen. Es ist überhaupt faszinierend, wie oft Kurosawa alle sieben Samurai gemeinsam in einer Einstellung zeigt. Ein ziemlich cleverer Schachzug, da so das "Team-Gefühl" des Films wirklich seine ganze Wirkung entfalten kann. Das man als Zuschauer aber so in das Geschehen auf der Leinwand involviert ist, liegt natürlich auch an den Darstellern. Vor allem an Takeshi Shimura, einer von Kurosawas Lieblingsdarstellern, der in seiner Art ein wenig an Morgan Freeman erinnert. Shimura muss nicht einmal den Mund aufmachen, um einen unglaublichen Charme und Altersweisheit auszustrahlen. Isao Kimuras junger Katsohiro verbreitet ebenfalls ein unglaubliches Charisma, genauso wie der souverän und stets cool wirkende Seji Miyaguchi. Einer dagegen fällt komplett aus der Reihe: Toshirô Mifune erlangte mit "Die Sieben Samurai" Weltruhm und wurde von Kurosawa in unzähligen weiteren Filmen als Hauptdarsteller eingesetzt. Doch die arg überdrehte Spielweise von Mifune ist dann doch eher einer Schwäche als eine Stärke, denn dessen wildes Rumgehopse und Grimassen wirken vor allem am Anfang doch eher etwas lächerlich als glaubwürdig. Das nicht gerade subtile Spiel Mifunes ist hier aber, im Gegensatz zu "Rashomon", wo Mifune als dominantester Hauptdarsteller mehr Aufmerksamkeit bekommt, glücklicherweise nur ab und zu wirklich irritierend. Im Schlussdrittel des Films überzeugt dann aber auch Mifune wieder als Kämpfer mit großem Herz. Und das mit Action vollgepackte Ende ist dann auch die eindrucksvollste Erinnerung daran, was für ein stilprägender und herausragender Actionregisseur Kurosawa war. Gleich mehrere Kameras ließ er bei den Kämpfen gleichzeitig laufen und kreierte so einen wahrlich packenden Schlussakkord. Und die hier erstmals in der Filmgeschichte zur Ästhetisierung von Actionszenen eingesetzte Zeitlupe beeinflusste kommende Action-Regisseure von Sam Peckinpah bis John Woo nachhaltig. |
Originaltitel
Shichinin no samurai
Land
Jahr
1954
Laufzeit
203 min
Genre
Regie
Bewertung
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