Der Mohnblumenberg

Originaltitel
Kokurikozaka kara
Land
Jahr
2011
Laufzeit
92 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Volker Robrahn / 20. November 2013

Japan in den frühen sechziger Jahren: Die Schülerin Umi lebt ein geordnetes und unauffälliges Leben im Hause ihrer Großmutter. Als Andenken an Ihren im Koreakrieg auf See gefallenen Vater hisst sie jeden Tag vor ihrem Haus eine Signalflagge für die vorbeifahrenden Schiffe. Immer mehr erweckt jedoch ihr Mitschüler Shun die Aufmerksamkeit der 16jährigen. Der benimmt sich erfrischend unkonventionell und setzt sich unter anderem engagiert für den Erhalt des baufälligen Clubhauses der Schülerschaft ein. Doch als sich die beiden jungen Leute langsam näherkommen machen Sie die Entdeckung, dass sie viel mehr miteinander verbindet als sie bisher ahnten.   

Mohnblumenberg

Mit gut zweijähriger Verspätung kommt bei uns doch noch der zweite Studio Ghibli-Film ins Kino, der unter der Regie von Goro Miyazaki entstand, dem es nun in erster Linie obliegt nach dem angekündigten Rückzug seines Vaters in dessen Fußstapfen zu treten. Doch sind die Spuren, die Hayao Miyazaki hinterlässt, derart groß, dass diese Aufgabe kaum zu bewältigen ist. So überzeugte dann auch des Sprösslings Erstling „Die Chroniken von Erdsee“ nur in visueller Hinsicht, während es dort erzähltechnisch doch noch etwas holperig zuging. Die ausbordende Fantasie des alten Meisters, die in Werken wie „Prinzessin Mononoke“, „Chihiros Reise ins Zauberland“ oder dem „Wandelnden Schloss“ für so viele unvergessliche Momente sorgte (und ganz nebenbei für eine bisher einmalige 10 Augen-Serie bei den Filmszene-Bewertungen), scheint sich nicht so ohne weiteres vererben zu lassen.

Mohnblumenberg

Es war daher wohl nicht unklug, statt eines großen Fantasy-Abenteuers nun mit „Der Mohnblumenberg“ praktisch das genaue Gegenteil zu erzählen: Nämlich eine im Grunde ziemlich unspektakuläre Alltags-Geschichte, bei der die größte Dramatik darin besteht, ob es gelingt ein zwar heruntergekommenes, aber halt auch sehr individuelles und liebgewonnenes Clubhaus zu erhalten. Wobei dieser Bau von bemerkenswerten Dimensionen ist und die Sequenz, in der Umi zum ersten Mal einen Rundgang durch diese skurrile  Einrichtung macht und dabei auf deren verschrobene Mitglieder trifft, atmet dann auch am Ehesten den Geist der versponnen-kreativen Miyazaki-Schule.

Mohnblumenberg

Ansonsten wird hier jedoch auf eine geradezu betulich-langsame Art erzählt, die aber durchaus zum Genießen einlädt (womit der Film etwas an den ähnlich aufgebauten „Stimme des Herzens“ erinnert). Das Japan nicht allzu lange nach dem Schrecken des zweiten Weltkriegs und kurz vor den Olympischen Spielen von Tokyo 1964 bietet eine faszinierend nostalgische Atmosphäre, die auch auf den historisch eventuell etwas unbefleckten westlichen Zuschauer sofort ihre Wirkung entfaltet. Wie man es von diesem Produktionsstudio gewohnt ist, wird das Auge auch diesmal wieder mit liebevoll ausgestatteten Bildern voller detailreicher Hintergründe verwöhnt. Dazu entwickelt sich die Handlung um die unklaren Familienbande zwischen den ganz vielleicht ein wenig ineinander verliebten Umi und Shun auf eine so hauchzarte und berührende Weise, dass es zumindest zum Ende hin sehr bewegend wird. Dieser Emotionalität wird sich dann vermutlich kaum jemand verschließen können, selbst wenn er sich womöglich vorher beim Betrachten der inhaltlich doch recht belanglosen ersten Hälfte gefragt haben mag, ob hier denn wohl eigentlich noch irgendetwas passiert.

Mohnblumenberg

„Ja schon, aber in der Tat nicht wirklich viel“ lautet am Ende die Antwort auf diese Frage, doch das macht den „Mohnblumenberg“ deshalb nicht zu einem schwachen Film. Ganz im Gegenteil erweist sich dieser unaufgeregte, einfach nur hübsche und liebenswerte zweite Versuch des Goro Miyazaki als ein erkennbarer Schritt nach vorne. Das Handwerk beherrscht der Mann jedenfalls und mit der Magie wird es vielleicht auch noch was. Selbst der Senior hat schließlich seine stärksten Filme nicht gleich zu Beginn seiner Karriere abgeliefert und außerdem dürfen wir uns schließlich noch auf dessen Abschiedswerk namens „The Wind Rises“ freuen. Bis dahin ist „Der Mohnblumenberg“ aber schon ein wenig mehr als nur ein kleiner Appetitanreger.  

Bilder: Copyright

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