Es gibt nicht sehr viele berühmte Geschwisterpaare in der Filmindustrie. Von den wenigen vorhandenen ist das berühmteste sicherlich das Gespann Joel und Ethan Coen. Bei diesen beiden klugen Köpfen, die hinter einer Reihe wahrer Kultfilme und Meisterwerke stecken („The Hudsucker Proxy“, „Arizona junior“, „Fargo“, „The Big Lebowski“ etc.), herrscht klare Arbeitsteilung: Geschrieben wird zusammen, Joel inszeniert und Ethan produziert. Und das machen sie bekanntermaßen sehr gut.
Angefangen hat alles 1984, mit einem Film, der hierzulande größtenteils unbekannt ist. Das Erstlingswerk der Coen-Brüder hieß „Blood simple“, und hinter diesem einfachen Titel verbirgt sich ein Geniestreich, der für viele bis heute der beste Coen-Film ist und wahrscheinlich heimliches Vorbild für einen Großteil der in den Neunzigern so populär gewordenen abstrakten Gewalt-Inszenierugen á la Tarantino war.
Die Prämisse ist recht simpel (blood simple eben). Der Besitzer einer Bar irgendwo im Nirgendwo heuert einen schleimigen Privatdetektiv an, um seine Frau und deren Liebhaber umzubringen. Der Detektiv hält sich für besonders clever und versucht, daß Geld zu behalten und sich des Autraggebers zu entledigen. Soweit, so einfach. Natürlich stolpert er über die fiesen kleinen Details, und alsbald sind auch die Ehefrau und ihr Lover in die Geschichte verwickelt, ohne das irgendwer weiß, was wer wie und warum getan hat. Ich werde mich hüten, weitere Details über den Plot zu verraten, denn einer der größten Späße an diesem modernen „Film noir“ ist es, der Handlung beim Entfalten zu zusehen. Und den Showdown glaubt man sowieso erst dann, wenn man ihn selbst gesehen hat. Nur soviel sei gesagt: Es taucht so ziemlich jedes Problem auf, daß man sich denken kann, und noch ein paar andere, inklusive der beiden größten Alpträume eines jeden Killers: Erstens, man kann putzen soviel man will, das Blut wird nicht weniger; zweitens, als man die Leiche entsorgen will, ist die bereits weg.
Die Darsteller sind nicht gerade überragend, das ganze sieht auch relativ billig aus (was es natürlich auch war, klassischer Independent-Film), aber der visuelle Stil von Regisseur und Kameramann (Barry Sonnenfeld, berühmt geworden als Regisseur von „Men in black“ und „Schnappt Shorty“) und natürlich vor allem der geniale Plot machen den Film zu einem echten Erlebnis. Der besondere Spaß liegt darin, daß man als Zuschauer immer weiß, was eigentlich läuft, während die Charaktere total im Dunkeln tappen. Und wenn man sich dann noch vorstellt, wie alt der Film ist, dann glaubt man tatsächlich, daß sich der eine oder andere Quentin da ein bißchen was abgeguckt hat.
Ein anderes Brüderpaar, daß auf dem besten Wege ist, in die Fußstapfen der Coens zu treten, sind Larry und Andy Wachowski. Diese beiden etwas durchgeknallten Typen machen wirklich alles zusammen, sowohl schreiben als auch Regie führen, und haben mit ihrem zweiten Film „The Matrix“ den ersten Blockbuster des Jahres abgeliefert (vor „Phantom Menace“ natürlich). Ihr Debüt gaben die beiden im selben Jahr, als die Coens „Fargo“ ablieferten. Es hieß „Bound“ und war so Coenesque, daß viele schon damals von den offiziellen Nachfolgern sprachen, obwohl Coens und Wachowskis eigentlich nichts miteinander zu tun haben.
„Bound“ ist ein recht ungewöhnlicher Film. Die beiden Hauptcharaktere sind lesbisch. Da ist zum einen Corky (Gina Gershon), gerade frisch aus dem Knast gekommen, die einen Job als Hausmeisterin bekommt, und bald die Aufmerksamkeit von Violet (Jennifer Tilly, zum anderen) erregt, die Geliebte eines Mittelklasse-Mafioso namens Cesar. Die erotische Spannung zwischen den beiden ist enorm, und schneller als man „Oralverkehr“ sagen kann, hat die eine die andere verführt und es geht heiß her. Wer jetzt glaubt, hier handelt es sich um einen handlungsarmen, verschwitzten Soft-Porno, irrt sich gewaltig. Das war nur der Aufhänger. Denn jetzt geht es mächtig rund.
Violet sieht die Chance, mit Corkys Hilfe endlich von Cesar wegzukommen. Die beiden schmieden einen Plan, wie sie die Mafia um zwei Millionen erleichtern können. Der Plan ist gut, das Timing gelingt perfekt, aber es geht natürlich trotzdem etwas schief. Und in diesem Moment startet eine Achternbahn-Fahrt, wie man sie selten erlebt hat. Ständig müssen die Charaktere drauflos improvisieren, da fortlaufend neue Probleme auftauchen, die Handlung schlägt Haken, daß dem Zuschauer ganz schwindelig wird, und nicht zu selten wird die Situation so abstrus, daß man wirklich nur noch lachen kann. Garniert wird das ganze durch eine absolut virtuose Kamera- und Schneidearbeit, die man zwei so jungen Burschen gar nicht zutrauen würde. Der Film bewegt sich über eine Stunde in einem echten Wahnsinnstempo, bevor er zu einem wirklich stilvollen Ende gelangt.
Wie bei „Blood simple“ muß man den Plot wirklich gesehen haben, um ihn zu glauben, und wie bei „Blood simple“ erkennt man sofort das Potential, daß in den Köpfen hinter der Kamera steckt. Auch hier handelt es sich um ein extrem innovatives, super-kurzweiliges und hochgradig amüsantes Meisterwerk, daß durchaus hoffen läßt, daß von den Wachowskis noch mindestens so viel zu erwarten ist, wie man von den Coens bereits gesehen hat.
Meine absolute Empfehlung für eine „Bruderpaare-Debüt-Meisterwerke-Session“: „Blood simple“ (1984) und „Bound“ (1996).
Originaltitel
Blood Simple
Land
Jahr
1984
Laufzeit
97 min
Genre
Regie
Bewertung
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