Kino-Deutschland trauert um seine größte Lichtgestalt. Und der Vergleich mit dem Kaiser des Fußballs ist sicher nicht zu klein gegriffen, denn niemand hat das hiesige Kino in den letzten 30 Jahren so sehr geprägt wie Bernd Eichinger, Deutschlands größter, wichtigster und mächtigster Film-Produzent. Einer, der von ähnlicher Arbeitswut, Rastlosigkeit und visionärer Besessenheit getrieben war wie alle legendären Produzenten, und wie diese oft mit seinen eigenen Visionen und Vorstellungen soviel Einfluss auf seine Produktionen nahm, dass er die resultierenden Filme letztlich mehr prägte als der jeweilige Regisseur. So erstaunt es auch nicht, dass Eichinger in den letzten Jahren immer mehr dazu übergegangen war, auch die Drehbücher seiner größten Projekte gleich selbst (mit) zu schreiben. Ironischerweise war sein einziger eigener Kino-Regieversuch, "Der große Bagarozy" von 1999, ein totaler Flop.
An seinem Status hat dieser Misserfolg ebenso wenig geändert wie an seinem streitbaren Geist, und Eichinger hat sich im Laufe seiner Karriere in der deutschen Filmlandschaft mindestens so viele Feinde wie Freunde gemacht. Auch das hat er gemeinsam mit anderen Produzenten-Legenden der Filmgeschichte, und es ist nicht allzu vermessen, Eichinger in einem Satz mit Leuten wie David O. Selznick, Dino de Laurentiis oder Jerry Bruckheimer zu nennen.
Was Eichinger immer auszeichnete und zum Grundstein seines phänomenalen Erfolges wurde, war neben seinem unbedingten Willen der unersetzliche Riecher für die garantierten Hits unter den Filmstoffen. Die sichere Bank der Bestseller-Verfilmung (gerne mit dem sanften Hauch des Skandals) zieht sich dabei als Leitfaden durch Eichingers gesamtes Schaffen: Seinen endgültigen Durchbruch als Produzent feierte er 1981 mit Uli Edels Adaption von "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", drei Jahre später folgte "Die unendliche Geschichte" und 1986 dann sein auch internationaler Durchbruch mit "Der Name der Rose" nach dem Bestseller von Umberto Eco.
Und so ging es weiter: "Letzte Ausfahrt Brooklyn", "Salz auf unserer Haut", Das Geisterhaus", Das Superweib", "Fräulein Smillas Gespür für Schnee", "Der Campus", "Elementarteilchen", "Die Päpstin" und sogar Sachbuch-Titel wie die Bushido-Biografie "Zeiten ändern dich" oder Joachim Fests "Der Untergang" - was sich im Buchladen richtig gut verkaufte, da war Eichinger bestimmt schon dran (zuletzt erwarb er die Filmrechte für Ferdinand von Schirachs "Verbrechen"). Und bewies, wenn es sein musste, sehr viel Geduld: Jahrzehntelang saß er auf den Filmrechten für Stefan Austs "Der Baader Meinhof Komplex", bis die Zeit reif dafür war, nicht weniger lang hat er gebraucht, bis er Patrick Süskind endlich die Verfilmungsrechte für "Das Parfum" abgequatscht hatte. Lohn der Mühe: Jeweils mehrere Millionen Kinozuschauer.
Doch Eichingers untrügliche Nase für Hits beschränkte sich nicht nur auf Buchstoffe. Er ebnete den Weg für Tom Gerhardts sensationell erfolgreiche Proll-Komödien "Total normaal" und "Ballermann 6" (deren Quasi-Fortsetzung "Die Superbullen" war die letzte Eichinger-Produktion, die zu seinen Lebzeiten ins Kino kam). Auch Comics waren ihm nicht fremd, er brachte "Werner" auf die Leinwand und mit "Der bewegte Mann" landete er den größten deutschen Kino-Hit der 90er Jahre. Ein Erfolg, den er fürs nächste Jahrzehnt gleich mal wiederholte, als er Bully Herbig half, den "Schuh des Manitu" zu stemmen.
In diesen flachen Gewässern deutschen Schenkelklopfer-Kinos fischt man zwar vergeblich nach viel Niveau, doch in dieser Hinsicht war Eichinger einfach Geschäftsmann und gänzlich unprätentiöser Kino-Unterhalter: Es verkauft sich gut. Und wenn es den Leuten gefällt, kann es so verkehrt nicht sein. Die zufriedenen Zuschauer sind jedenfalls die einzigen, denen man als Produzent verpflichtet ist. Ein bisschen künstlerische Anerkennung gab's schließlich aber doch noch, mit den Oscar-Nominierungen für den "Untergang" und den "Baader Meinhof Komplex", und vor allem dem Oscar-Triumph von Caroline Links "Nirgendwo in Afrika" (richtig, eine Bestseller-Verfilmung). Auf dem letztjährigen deutschen Filmpreis wurde Eichinger schließlich der Ehrenpreis für sein Lebenswerk verliehen. Einer der ganzen wenigen Momente, in denen der smarte Eichinger öffentlich Emotionen zeigte.
Auch bei seinen erfolgreichen Schritten auf internationaler Ebene erwies Eichinger sich als cleverer Produzent und setzte auf Genre-Ware, die sich weltweit vermarkten ließ. Die Filmrechte an den "Fantastic Four" hielt er auch schon seit den 1980ern (und hatte 1984 bereits eine Verfilmung versucht, die jedoch floppte) und konnte im neuen Jahrtausend dann mit zwei Filmen auf den Comic-Boom aufspringen. Zuvor hatte er bereits richtig damit gelegen, dass "Resident Evil" eines der wenigen Videospiele war, die wirklich einen brauchbaren Filmstoff abgaben. Die Film-Reihe mit Milla Jovovich weist bereits vier Teile auf, weitere sind geplant.
Der nächste "Resident Evil"-Film ist ganz sicher nicht das einzige Projekt, bei dem sich jetzt die Frage stellt, ob und wie es ohne Bernd Eichinger weiter geht. Es wäre nicht verwunderlich, wenn uns noch auf Jahre hinaus neue Kinofilme begegnen, die ursprünglich einmal von Eichinger angeschoben wurden (in den 35 Jahren seiner Karriere brachte er im Schnitt drei Filme pro Jahr heraus). Er selbst zeigte bis zuletzt jedenfalls keine Anzeichen, einen Gang zurück schalten zu wollen. Ganz im Gegenteil: Eichingers Filme sind seit Beginn seiner Karriere stetig und bis zum heutigen Tage immer größer geworden und setzten im Produktionsaufwand schließlich neue Maßstäbe nicht nur auf deutscher, sondern auf gesamteuropäischer Ebene.
Umso größer ist das Loch, das Eichingers plötzlicher Tod in die Filmwelt reißt. Es gibt in Deutschland niemand, von dem es vorstellbar ist, dass er oder sie in Eichingers Position hineinwachsen könnte. Das deutsche Kino hat seinen wichtigsten Visionär verloren, und den einzigen, der seine Filme auch wirklich so groß machen konnte, wie er sie erträumt hatte. Eichinger zelebrierte das Kino wie kein zweiter in Deutschland, und die von Heiner Lauterbach verkörperte Eichinger-Karikatur in Helmut Dietls "Rossini" mit der legendären "Film ist Krieg!"-Parole war sicher nicht weit von der Wahrheit entfernt. Ganz seiner Ur-Münchener Art entsprechend lebte er das Produzentenleben mit Grandessa, aber eben auch mit dem Erfolg, der ihm das erlaubte.
Bernd Eichinger brachte einen Hauch von Hollywood ins deutsche Kino. Und so hat es fast etwas poetisches, dass er starb, wie man es bei einem rastlosen Erfolgsproduzenten von Weltrang eigentlich nicht anders erwarten konnte: In Los Angeles, an einem Herzinfarkt. Er wurde 61 Jahre alt.
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