The Crown - Staffel 4

von Frank-Michael Helmke / 19. November 2020

Seit ihrer Premiere im Jahr 2016 (unsere Besprechung zur ersten Staffel gibt es >>> hier) hat sich "The Crown" zu einem festen Highlight im Serien-Angebot von Netflix gemausert, und auch die nun erschienene vierte Staffel wurde medial wieder mit viel Aufmerksamkeit bedacht. Zurecht, denn die Mischung aus hochadeligem Glamour, englischem Geschichtsunterricht und genussvoll-spekulativer Innenansicht in die Seifenoper der britischen Königsfamilie hat auch bei der vierten Runde nichts von ihrem Reiz verloren. 

Ganz im Gegenteil sogar, denn je weiter die Chronologie der Serie fortschreitet, desto mehr nähert sie sich Personen und Ereignissen, die für viele Zuschauer bereits Teil der eigenen gelebten Erinnerung sind und nicht mehr weitgehend unbekannte britische Historie. Die bisherigen Staffeln besaßen zwar so etwas wie durchgehende Erzählbögen, waren weitgehend aber sehr episodisch strukturiert, so dass einzelne Folgen oftmals rund um konkrete (und teilweise in Vergessenheit geratene) Kapitel in der englischen Geschichte kreisten, so wie die sehr ergreifende Aufarbeitung des Minenunglücks in Aberfan von 1966 in der dritten Folge von Staffel 3. Showrunner Peter Morgan, der auch in der vierten Staffel wieder alle zehn Episoden entwickelt und beinahe alle geschrieben hat, legt dieses Prinzip in der neuen Season nicht völlig ad acta, und ein Highlight der Staffel ist definitiv die fünfte Folge, die sich um den frustrierten Arbeitslosen Michael Fagan dreht. Dem war es tatsächlich gelungen, unbemerkt des Nachts in den Buckingham Palace einzudringen, es bis ins Schlafzimmer der Queen zu schaffen und sich für einige Minuten ungestört mit ihr zu unterhalten.

Die vierte Staffel konzentriert sich nun allerdings mehr als die vorherigen auf zwei zentrale Beziehungen. Die Grundstruktur der Serie basiert ja darauf, dass jede Staffel von der Amtszeit eines britischen Premierministers und seinen regelmäßigen Audienzen bei der Königin geprägt wird. Nach Winston Churchill in Staffel 1, Anthony Eden in Staffel 2 und Harold Wilson in Staffel 3 erreicht "The Crown" nun die 80er Jahre und damit die Amtszeit von Margaret Thatcher - womit eine ganz besondere Konstellation zustande kommt, denn erstmals hat es die Queen mit einer anderen Frau zu tun, noch dazu mit einer, die für ihre wenig zimperliche und sehr autoritäre Art berühmt und berüchtigt war. So erhalten die regelmäßigen Audienzen, die in den bisherigen Staffeln eher von stiller Dramatik und nicht immer sonderlich reizvoll waren, nun richtiges Feuer. Denn Queen Elizabeth (seit Staffel 3 ja von Oscar-Preisträgerin Olivia Colman gespielt) und Margaret Thatcher (mit perfekt herausgekehrten Thatcher-Manierismen portraitiert von "Akte X"-Veteranin Gillian Anderson) reiben sich teilweise heftig aneinander, und ihre unter dem unerschütterlichen Dekorum von Protokoll und Respekt ausgetragenen Duelle geben dem vierten Jahrgang von "The Crown" eine Würze, die willkommenen frischen Wind in den dramaturgischen Standard der Serie bringt. 

Noch viel dominanter als das Verhältnis zwischen Königin und Premierministerin ist in dieser Staffel jedoch eine andere Beziehung, nämlich die von Prinz Charles (Josh O'Connor) und Diana (Emma Corrin). Allein fünf der zehn Episoden drehen sich mehr oder weniger exklusiv um dieses Prinzenpaar und die Tragik ihrer von vornherein zum Scheitern verurteilten Ehe. Und obwohl man viele der hier abgehandelten Motive und Entwicklungen vielleicht noch gut vor Augen hat aus der medialen Ausschlachtung, die diese Ehe von ihrer Schließung bis zu ihrer Auflösung damals begleitet hat, so gewinnt Peter Morgans Interpretation der Ereignisse dennoch ihre ganz eigene Faszination. Natürlich stützt sich die Darstellung hier wie bei allem, was das private Innenleben der nach außen hin notorisch verschwiegenen Königsfamilie betrifft, auf Spekulation. Dennoch erhält Morgans überzeugende Nacherzählung der Frühphase dieser Beziehung, vom Kennenlernen der beiden bis zu Dianas Einzug ins Königshaus in den Wochen vor ihrer Hochzeit eine besondere unterliegende Dramatik durch das Wissen, wie diese Geschichte letztlich zu Ende ging. 

An der klaren Verteilung der Sympathien in dieser Geschichte ändert auch Morgans Interpretation nichts: Zwar wird Diana hier sicher nicht als Heilige dargestellt, aber es bleibt doch offensichtlich, dass sie als junges, naives und vom Glanz der Royals geblendetes Mädchen zum ahnungslosen Opfer in einer arrangierten Ehe wurde, bei der es immer nur um die richtige Außenwirkung und nie um echte Zuneigung ging. Und auch wenn Charles' Zerrissenheit zwischen seinem Pflichtgefühl als designierter Thronfolger und seinem Wunsch nach einem freien Leben mit seiner großen Liebe Camilla Parker-Bowles hier sehr überzeugend eingefangen wird, so bleibt er dennoch der eindeutige Böse in dieser Beziehung, der Diana durch Lieblosigkeit bis hin zu bodenloser Gemeinheit für seine eigenen Enttäuschungen und sein verletztes Ego leiden lässt.

Es ist naheliegend, dass sich diese vierte Staffel derart stark auf die Konstellation Charles-Diana konzentriert. So sehr die Serie sich seit Beginn an immer ähnlich ehrwürdig und gediegen gibt wie ihr Hauptsubjekt, so weiß sie letztlich auch, was ihr Publikum sehen will - und diese saftige Seifenoper voller Ehebrüche, Essstörungen und Ego-Trips bietet einfach zu viel Futter für Sensationslust, um sie nicht derart breit auszuweiden.   

Diese Konzentration steht indes auch symptomatisch für ein zentrales Merkmal von "The Crown": Auch wenn im Zentrum der Serie nominell immer die Königin steht, so bleibt Elizabeth II. doch auch in Staffel 4 eine etwas unnahbare Figur. Mit Ausnahme der zweiten Staffel, die in ihrem größeren Erzählbogen die drohende Zersetzung der Ehe von Elizabeth und Prinz Philip unter die Lupe nahm und der Königin eine menschliche Seite als gehörnte und eifersüchtige Ehefrau gab, behandelt die Serie ihre Hauptfigur weitgehend funktional und reduziert ihren Charakter oftmals auf ihr Amt. Natürlich kann man sagen, dass ihr unbedingtes Pflichtbewusstsein die herausragende Eigenschaft von Elizabeth II. ist und das Verschwinden ihrer Persönlichkeit hinter den Gepflogenheiten und Erfordernissen ihres Ranges damit nur konsequent dargestellt ist. Dennoch hat man bei "The Crown" immer wieder das Gefühl, dass die Serie auf ehrfürchtiger Distanz zur Königin bleibt und es aus schierem Respekt nicht wagt, tiefer in sie als Figur einzudringen und ihren Charakter in ähnlicher Form auszuleuchten, wie es mit anderen Mitgliedern der Königsfamilie geschieht. 

Wie schon ihre Vorgängerin Claire Foy in den Staffeln 1 und 2 holt auch Olivia Colman mit ihrer hervorragenden Darstellung das Maximum aus dem dünnen Material heraus, das ihr die Drehbücher für ihre Figur zur Verfügung stellen. Aber es kommt nicht von ungefähr, dass die Königin auch in dieser Staffel in vielen Episoden nur eine bessere Nebenfigur ist, und die stärksten Episoden sich um andere Mitglieder der Königsfamilie drehen. Schon in den vorherigen Staffeln blieben oft die Folgen in bester Erinnerung, die sich mit Elizabeths tragischer Schwester Margaret befassten (seit Staffel 3 brillant gespielt von Helena Bonham Carter). Und auch die gelegentlichen Auftritte des in Ungnade gefallenen Ex-Königs Edward mit seiner in grandioser Arroganz herausgekehrten Verachtung für die eigene Familie, konterkariert mit seinem innigen Wunsch, mit Gnade der Königin in seine Heimat zurückkehren zu dürfen, waren immer besondere Höhepunkte. Weiterhin verlässliche Zuträger für unterhaltsame Momente bleiben die herrlich garstig-direkte Prinzessin Anne (Erin Doherty) und der unvergleichlich trockenhumorige Philip (Tobias Menzies). 

Bei einer Serie, die letztlich so stark von ihren nominellen Nebenfiguren lebt, kann man nur hoffen, dass sich auch die anstehenden Neubesetzungen als ähnlich überzeugend erweisen werden wie der jetzige Cast: Mit Staffel 5 wird die Schauspielerriege erneut wechseln, um dem fortschreitenden Alter der Figuren Rechnung zu tragen - so übernimmt z.B. Imelda Staunton die Hauptrolle als Königin Elizabeth. Die schauspielerische Hochklassigkeit bei "The Crown" wird aber sicher auch weiterhin anhalten, und so kann man sich schon jetzt auf das nächste Kapitel dieser Serie freuen - allerdings werden wir uns bis 2022 gedulden müssen, bis wir mit den Royals die mehr als ereignisreichen 90er Jahre durchleben dürfen. 

Bilder: Copyright

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