Jesus' Son

Originaltitel
Jesus' son
Land
Jahr
1999
Laufzeit
110 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Simon Staake / 1. Januar 2010

"When I'm rushing on my run / And I feel just like Jesus' Son..."
Aus einer Textzeile von Lou Reeds "Heroin" nahm Denis Johnson den Titel für seine Sammlung von Kurzgeschichten, die jetzt von Alison Mc Lean kongenial verfilmt wurden. Die relativ lose zusammenhängenden Geschichten kreisen um ein und denselben Charakter und dessen merk- und denkwürdige Erlebnisse. Der Gute hat es ja von Anfang an nicht einfach, wird er doch von allen nur "Fuckhead" gerufen. Nicht zu unrecht. Fuckhead (Billy Cudrup) ist ein Junkie und Verlierer, die Personifizierung des white trash im tiefsten Mittelwesten der USA, wo der leicht unterbelichtete Taugenichts nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel ist. Nicht minder abgefuckt ist seine Freundin Michelle (Samantha Morton), die ihn an die Nadel bringt und später dann regelmäßig um den Verstand. Das Pärchen hat eine chaotische Beziehung mit Zusammen- und Auseinandersein, mit Streiten und Ficken und sich mit Heroin so volldröhnen, daß nichts mehr geht. Während sich Fuckhead so durchschlägt und dabei die skurrilsten Typen dutzendweise trifft, merkt er gar nicht, wie sehr er und seine Freundin sich durch ihre Heroinsucht im freien Fall befinden, dessen Aufprall zu hart sein wird. Das Leben in der Überholspur - "when I'm rushing on my run", in der Tat - wird von beiden seinen Tribut fordern...

"Jesus' Son" ist der perfekte Begleitfilm für Cameron Crowes "Almost Famous". Und das nicht nur, weil beide Filme den großartigen Hauptdarsteller teilen. Beide spielen in den USA der frühen Siebziger, und zwar nicht aus reinem Zufall. Einer der größten Brüche in der Geschichte der USA bedeuteten diese Jahre, in denen man sich dem Scherbenhaufen stellen musste, der als hoffnungsvoller Traum der "Love Generation" begann, zerschlagen durch Vietnam und die Attentate auf JFK, seinen Bruder Robert und Martin Luther King. The Dream is over. Den Schmerz über das Zerschellen des großen Traums wurde bekämpft, vernebelt, gedämpft durch das große H, das nun seinen Siegeszug begann. Heroin löste die Joints und LSD-Trips ab, und sorgte dafür, daß die große Depression begann, Leben einzufordern. In "Almost Famous" wird dieses inmitten der leicht disney-esquen sauberen Sentimentalität angeschnitten, hier gibt es nun die dreckigere und intensivere Kehrseite. Auf der einen Seite also die Rockstars, hier den unterprivilegierten Mann von der Straße. Und in der mitreißenden, wie die Charaktere zwischen hohem Flug und tiefem Fall schwankenden Geschichte entfaltet "Jesus' Son" Qualitäten, die sich durchaus mit denen von Crowes Werk vergleichen lassen.
Schlichtweg herausragend wieder die Leistung von Billy Cudrup. Obwohl sich die Charaktere nicht unähnlicher sein könnten - in "Almost Famous" der supercoole Gitarrengott, hier der leicht gestörte Freak - hat Cudrup offenbar besonderes Gespür für seine Figuren in ihrem Umfeld, in seinem Gesicht spiegelt sich stets die Mischung aus Optimismus und Pessimismus, die für diese Geschichten in genau diesen Zeiten genau zu passen scheinen. Seine Wandlungsfähigkeit noch extra hervorzuheben, ist daher so unnötig wie dennoch gern getan, haben wir mit Cudrup doch einen Jungstar vor uns, der dieses Wort wirklich verdient und von dem in Zukunft noch einiges zu erwarten ist. Nicht minder brillant: Samantha Morton (oscar-nominiert für "Sweet and Lowdown") als seine zutiefst fertige Freundin.
Was aber den Film enorm aufwertet, sind die Stars, die sich in ausgefallenen Cameo- und Kurzauftritten die Klinke in die Hand geben. Und gegen deren Figuren die skurrilsten Charaktere der Gebrüder Coen sich bisweilen wie Otto Normalverbraucher ausnehmen. Während Greg Germann (Richard Fish aus "Ally McBeal") und Will Patton ("Armageddon") tatsächlich nur ein paar Sekunden auftauchen, nehmen sich Holly Hunter ("Das Piano"), Dennis Hopper ("Easy Rider", passt als Ex-Junkie im Film und Ex-Junkie im wirklichen Leben wie die Faust aufs Auge) oder Jack Black ("High Fidelity") etwas mehr Zeit. Gerade Jack Black als enorm gestörter Krankenpfleger sollte man gesehen haben.

"Jesus' Son" ist traurig, lustig, bestürzend, einfallsreich, abgefuckt, nachdenklich machend, intensiv und leichtfüßig. Dies alles meist abwechselnd, manchmal gleichzeitig. Vielleicht das nächste "Trainspotting", auf jeden Fall ein tolles Stück Kino. Nicht für Jedermann und nicht als reines Vergnügen zu goutieren. Dazu sind die Charaktere zu unangenehm und unkonventionell, ist die Geschichte zu wenig linear. Der episodenhaften Struktur des Films ist die Sprunghaftigkeit, das Lose der Vorlage jederzeit anzumerken. Und bei normaler Erwartungshaltung mag man den ruhigen Schluss, bei dem der Film fast stillsteht, durchaus als Antiklimax erachten. Dies zu tun hieße freilich Erwartungen folgen, die ein Film wie "Jesus' Son" nicht erfüllen kann und nicht erfüllen will. Und so verlässt man diesen hervorragenden Film mit dem tröstlichen Bild des seinem Platz im Leben durch Zufall entgegenstolpernden Verlierers, in den Ohren eine fast hypnotisch intonierte Volksweise: "Farther along, we'll know all about it / Farther along, we'll understand why / Cheer up, my brother, live in the sunshine / We'll understand it, all bye and bye". Dem ist nichts hinzuzufügen.


10
10/10

ich finde, dass der film einer der besten ist, die ich je gesehen habe...vielleicht wirkt die story zu überspitzt, aber das ist ein film, der mir in erinnerung geblieben ist, und schon fast tragisch den untergang einer generation darstellt...

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