Originaltitel
The talented Mr. Ripley
Land
Jahr
1999
Laufzeit
139 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
"Der talentierte Mr. Ripley" ist ein sehr gewöhnlicher Film. Er bedient sich konventioneller Stilmittel, kommt ohne jeden Spezial-Effekt aus und ist eigentlich in ein Genre einzuordnen, dass längst schon ausgestorben schien: Den Psycho-Thriller á la Hitchcock. Trotzdem ist er alles andere als schlecht oder langweilig, vielmehr macht ihn gerade dieser Verzicht auf alles, was viele moderne Filme ihr eigen nennen, reizvoll. Doch fangen wir am Anfang an. Die Geschichte des gleichnamigen Romans von Patricia Highsmith (an dem die Verfilmung sehr dicht angelehnt ist), beginnt harmlos: Tom Ripley, dessen eigentlicher Job darin besteht, den Herren der besseren Gesellschaft von New York beim Opernbesuch auf der Toilette den Staub vom Anzug zu bürsten, springt für einen Pianisten auf einem Gartenkonzert ein. Da er das Princeton-Jackett eines Bekannten trägt, wird er von einem der Gäste, einem Mr. Greenleaf, für einen Absolventen dieser Universität gehalten. Auf die Frage, ob er Mr. Greenleafs Sohn kenne, antwortet er ohne grösseres Zögern mit "Ja", worin sich auch schon das erste seiner Talente zeigt: Das Lügen. Tom Ripley wird von seinem neuen Bekannten kurzerhand engagiert, um Dickie (Greenleaf Junior) in Italien zu besuchen, wo dieser das durch das Geld seines Vaters finanzierte Leben genießt, und ihn zur Heimkehr zu bewegen. Ausser den Reisespesen verspricht Mr. Greenleaf Tom 1.000 US-Dollar, woraufhin dieser natürlich dankend annimmt. In Italien angekommen, freundet er sich sogleich mit Dickie (Jude Law) und dessen Freundin, der Schrifstellerin Marge (Gwyneth Paltrow) an. Er heuchelt, Dickies Begeisterung für Jazz zu teilen, woraufhin die beiden für kurze Zeit beste Freunde werden. Dickie führt Tom in das sorgenfreie Leben der Reichen ein, an dem der Junge aus der Unterschicht sichtlich gefallen findet. Bis hierhin (etwa die erste Hälfte der fast 2 1/2 Stunden) plätschert die Handlung so vor sich hin, unterbrochen von einigen wundervollen Szenen, die - zuerst unterschwellig, dann offensichtlich - Toms homosexuelle Gefühle für Dickie illustrieren. Die Landschaft Italiens ist schön, zu schön eigentlich, um wahr zu sein, und auch für unseren Protagonisten scheint alles bestens zu laufen (von den nicht erwiderten Gefühlen mal abgesehen). Irgendwann wird Tom jedoch langweilig für Dickie, und entsprechend seiner direkten Art läßt er ihn das schnell wissen. Von Eifersucht und der Angst, wieder zum "Niemand" zu werden, getrieben, zieht Tom seine Konsequenzen, wobei ihm seine "Talente", die er selbst mit "Unterschriften fälschen", "Lügen" und "andere Personen imitieren" zusammenfasst, behilflich sind. Trotz seiner konventionellen Machart hat "Der talentierte Mr. Ripley" eine Reihe herausragender Aspekte. Da wäre zunächst die ungewöhnliche Art der Charakterzeichnung: Über die Hauptfigur wissen wir fast nichts, ausser, dass er offensichtlich der Unterschicht entstammt. Weder wird er einführend charakterisiert, noch erfahren wir irgendetwas aus Rückblenden oder Erzählungen von Thomas Ripley. Charakterisiert wird er nur durch das, was er zur Zeit der Handlung tut, und das ist eigentlich nur, sich Dickie in jeder Hinsicht anzupassen. Um so erstaunlicher ist es, wie sehr es der Film schafft, seinen Protagonisten dem Zuschauer nahezubringen, so dass er sich selbst dann, wenn er die verabscheuungswürdigsten Verbrechen begeht, auf die Seite des (Anti-?) Helden schlägt. Auch die Thematisierung seiner Homosexualität geschieht fast schon bravourös, fast den gesamten Film über wird sie nicht einmal verbalisiert. Dass sie trotzdem omnipräsent, aber wohltuenderweise kein bestimmendes Handlungselement ist, ist sicherlich Patricia Highsmith' Romanvorlage zu verdanken, und der Tatsache, dass der Film ihr treu bleibt. Matt Damons Schauspielkünste haben daran natürlich auch ihren Anteil. Obwohl seine Leistung zwar durchgehend als "gut" zu bezeichnen ist, erreicht sie jedoch lange nicht die Genialität, die man aus Filmen wie "Good Will Hunting" gewöhnt ist, was im Großen und Ganzen auch für den Rest des Casts gilt, besonders Jude Law wirkt in seiner Rolle als Dickie fehl am Platze, Gwyneth Paltrow und Cate Blanchet füllen ihre (Neben-)Rollen jedoch mit gewohnter Professionalität aus. Der Film spielt nicht nur ungefähr in der Zeit, in der "The talented Mr. Ripley" erschienen ist, er hält sich auch bewußt an die Konventionen, die damals an Filme und Romane gestellt wurden, und ist deshalb fast als (ungwollt?) zeitgeschichtliches Portrait zu bezeichnen. Und so geht er eben mit dem Thema Homosexualität gerade so offen um, wie es 1955 in einem Roman möglich war. Anthony Minghella (dessen aus "Der englische Patient" bekannter Stil in jeder Szene deutlich zu spüren ist) bleibt so dicht an seiner Vorlage, dass diese durch den ganzen Film zu spüren ist, was ihn auf den ersten Blick etwas altertühmlich wirken läßt. In den Szenen, in denen Ripley in emotionale Bedrängnis gerät, wird mit einer Virtuosität, die an Hitchcock erinnert, allein durch Musik und Kameraführung (Drehen der Kamera um sich selbst, ruckartiger Wechsel der Perspektive etc.) eine einzigartig klaustrophobische Atmosphäre erzeugt. Patricia Highsmith hat einmal geschrieben "Art has nothing to do with morality, convention or moralizing", ein Grundsatz, der sich selbstverständlich in ihrem Werk, und so auch in diesem Film niederschlägt. Denn anders als die erste Verfilmung unter dem Titel "Plein Soleil" ("Nur die Sonne war Zeuge", F 1960) verpasst die aktuelle Version der Handlung kein moralisierendes Ende mit einem "Verbrechen lohnt sich nicht"-Zeigefinger, sondern zieht die (dann doch wieder unkonventionelle) Stilart des Romanes voll durch. Damit keine Mißverständnisse entstehen: "Der talentierte Mr. Ripley" ist kein wirkliches Charakterdrama, dass realistische Handlungen der Hauptpersonen psychologisch ergründet, dazu sind die Handlungen des Protagonisten viel zu weit weg von allem, was ein "normaler" Mensch in einer solchen Situation tun würde. Auch versagt der Film darin, den Charakter des Tom Ripley wirklich zu entschlüsseln, schafft es jedoch, nachdem man die erste Hälfte überstanden hat, durch seine Atmosphäre und Machart zu überzeugen. Wirklich alles, was man von einem Psycho-Thriller um Liebe, Eifersucht und Mord erwartet, wird erfüllt, und mehr noch: Getreu nach Highsmith geht der Film einen Schritt weiter als die meisten seines Genres (Selbst A. Hitchcock soll bei seiner Verfilmung des ersten Highsmith-Romanes "Strangers on a Train" (1951) kräftig die Schere angelegt haben, um die 'Botschaft' des Filmes abzumildern). Als wäre das alles noch nicht genug, bietet der Film noch eine eigentlich wundervolle Liebesgeschichte, deren Ende jedoch einmal mehr zeigt, für WIE schlecht Patricia Highsmith diese Welt eigentlich hält ... |
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