Filmszene - Special: Interview mit "Yesterday"-Regisseur Danny Boyle

von Volker Robrahn / 10. Juli 2019

boyle y 1Mit „Yesterday“ hat sich der vielseitige Regisseur Danny Boyle in den Bereich der romantischen Komödie begeben und sich dafür mit Richard Curtis, dem britischen Spezialisten für dieses Genre zusammengetan. Einen Film über die Musik der „Beatles“ in Hamburg vorzustellen ergibt dabei natürlich Sinn, und so sprach Filmszene mit Boyle über diese Zusammenarbeit sowie seine eigenen musikalischen Vorlieben. Und zumindest eine kurze Nachfrage in Sachen „James Bond“ durfte natürlich auch nicht fehlen.
 

Filmszene: Richard Curtis ist ja dafür bekannt sehr detaillierte Drehbücher zu verfassen. Gab es denn bei „Yesterday“ überhaupt noch Bedarf und Platz für Ihre eigenen Ideen als Regisseur?

Danny Boyle: Ja durchaus, und das liegt an der Art wie ich mittlerweile an einen Film herangehe. Ich hatte das noch nicht ganz fertige Skript von Richard gelesen und sagte zu ihm „Pass auf, das ist das was ich daraus machen würde“. Ich präsentiere also praktisch meinen „Pitch“ für das Projekt und lasse mich dann bewerten, wie bei einem Casting. Auch ein Leonardo DiCaprio hatte damals bei „The Beach“ auf eine Audition bestanden und ich halte das für die richtige Einstellung. Daher hab ich keine Probleme damit mit meinen Ideen erst mal zu einer Art Casting zu gehen. Denn nur wenn die dem Autor gefallen macht es Sinn zusammenzuarbeiten. Ich bringe schon meinen eigenen Spirit mit ein und wirke da wie ein Gegenpol zum Autor. Ein Jürgen Klopp würde sowas wohl „Gegenpressing“ nennen. Am Ende haben wir gut 20 Prozent des ursprünglichen Drehbuchs verändert.

Wobei Richard Curtis schon einen ganzen eigenen Stil hat, für den er ja auch bekannt ist.

Absolut, und ich habe großen Respekt davor wie er diese ganz spezielle Art der romantischen Komödie praktisch zu seinem eigenen kleinen Genre gemacht hat. Das Beeindruckende daran ist, dass es bei ihm so mühelos aussieht und daherkommt, es aber wahnsinnig viel Feinarbeit und Anstrengung bedarf, das genau so hinzubekommen. Und als jemand der gerne neue Erfahrungen macht habe ich auch bei diesem Prozess wieder Einiges gelernt. Es ist eine große Kunst, den Leuten mit ganz einfach scheinenden Mitteln das Herz zu brechen.

boyle y 2Soll das etwa heißen, Sie hätten sich so eine romantische Komödie allein nicht zugetraut?

Richard hat ja fast schon den Status des offiziellen englischen Romantik-Poeten. Und ich hoffe doch sehr, dass ich diese Rolle, die er schon so oft ausgefüllt hat, etwas auffrischen und erneuern konnte. Das war so ein wenig das Ziel. Denn obwohl der Film natürlich sehr skriptorientiert ist, kann man ihm durch Maßnahmen beim Casting oder die Art der Inszenierung schon einen eigenen Stempel aufdrücken. Und natürlich auch hinsichtlich der Songauswahl. Es ist eine ziemliche Herausforderung 15 Songs von ein und demselben Künstler präsentieren zu lassen, ohne dass es langweilig wird.

Aber es sind ja schließlich die Songs der „Beatles“ und nicht die von irgendwem sonst.

Das schon, aber glauben Sie mir, gerade deshalb ging es uns beim Casting für die Hauptrolle oft so, dass wir nach ein paar Minuten dachten „Okay, das ist zwar nicht schlecht, aber die Beatles sind einfach so viel besser“. Warum sollte man sich das anhören, wenn man die Originale kennt? Und dann kam Hamesh Patel herein und obwohl er den Songs grundsätzlich treu blieb, klangen sie auf einmal frisch und anders in seine Hand und seiner Stimme. Meine Theorie: In den Liedern der Beatles gibt es so viel Freude, aber auch immer eine gewisse Melancholie. Und sie sind schon sehr englisch, ohne dass ich ganz genau erklären könnte wieso. Man spürt es irgendwie in den Worten, die sie wählen. Und Hamesh erkennt das. Er ist ja auch keine typische, etwas tollpatschige Richard Curtis-Figur, er hat ebenfalls etwas sehr Melancholisches, etwas Trauriges. Das ist zumindest meine Theorie, warum er so gut in diese Rolle passt. Am deutlichsten wird das sicher bei seiner Version von „Help“, die etwas Wildes und Verzweifeltes besitzt, bei ihm ein echter Schrei nach Hilfe.

boyle y 3Es war sicher nicht ganz einfach und billig die Rechte an den Songs zu bekommen?

Das war in der Tat recht teuer, ja. Man kann die Beatles-Songs schon bekommen, aber das kostet halt Einiges und man muss die grundsätzliche Erlaubnis für sein Projekt erhalten. Wobei es ja günstiger ist sie für eigene Interpretationen zu nutzen als die Originale zu spielen. Das haben wir nur in einem Fall gemacht, bei „Hey Jude“, auch um ein wenig unsere „Hey Dude“ -Verunglimpfung im Film wieder gutzumachen und dem Song Respekt zu erweisen. Wir haben aber anschließend sehr liebe Briefe von Ringo Starr und von George Harrisons Witwe Olivia bekommen.

Was haben Ihnen denn in der Jugend die Beatles bedeutet?

Um ehrlich zu sein ist Richard der große, fast schon besessene Beatles-Fan. Der weiß auch ganz genau wo sie in Hamburg aufgetreten sind und wo sie hier gelebt haben. Ich bin doch mehr der Led Zeppelin- und Punk-Typ. Aber ich mag sie schon auch sehr und liebe die Geschichten meiner Eltern darüber, wie sie damals quasi explodierten und alle verrückt machten. Und ich bewundere vor allem ihre späteren Alben wie „Abbey Road“.

Und wie kommt man mit diesen Vorlieben dann auf Ed Sheeran?

Nicht als allererste Wahl, ehrlich gesagt. Ursprünglich wurde der Part für Chris Martin von Coldplay geschrieben, doch der hatte dann keine Zeit – und jetzt wissen Sie auch warum es eine Coldplay-Referenz im Film gibt. Dann trafen wir uns mit Ed Sheeran zum Essen, der ganz in der Nähe von Richard in Suffolk lebt. Da wurden wir einander vorgestellt und Ed wusste offenbar nicht wer ich war, denn ich hab gesehen wie er mich gegoogelt hat – das war sehr witzig. Aber er hat einen wirklich schönen Sinn für Humor und kein Problem damit sich über sich selbst lustig zu machen. Und ich habe den Eindruck, dass er gerne ein besserer Schauspieler werden möchte, dass er die Schauspielerei mag. Er hat es deshalb auch sehr ernst genommen und viel geprobt, trotz seiner knappen Zeit.

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Filmszene-Redakteur Volker Robrahn beim Interview mit Danny Boyle

Ist es Ihnen denn erlaubt uns zum Abschluss zu erzählen, was die Gründe dafür sind, dass Sie nun doch nicht den nächsten James Bond-Film inszenieren werden?

Ach, es ist schon irgendwo schade. Ich und Autor John Hodge haben schon oft zusammen gearbeitet und wir hatten auch für Bond einen interessanten Ansatz gefunden. Deshalb habe ich „Nein“ gesagt als man dann den Autor austauschen wollte. Wäre unser Buch schlecht gewesen wäre es etwas Anderes, dann hätte man gesagt „Okay, das funktioniert so nicht, lass uns etwas Anderes machen“. Aber es war eben sehr gut. Ich weiß nicht, ob und was sie letztlich davon verwenden werden, das ist deren Sache. Aber ich war nicht dazu bereit den Drehbuchautor auszuwechseln, und so... Aber wirklich schade, das wäre doch eine schöne Schlagzeile gewesen: „Danny Boyle - Von den „Beatles“ zu „Bond“.        


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