Filmszene-Special: Ein Interview mit Regisseur Gunnar Vikene zu "Kill Billy"

von Volker Robrahn / 2. November 2016

In der sympathischen norwegischen Komödie, die der deutsche Verleih mit dem durchaus cleveren Titel „Kill Billy“ versehen hat, muss sich ein kleiner , über Jahrzehnte in seinem Metier tätige Möbelhändler gegen die Übermacht des Branchenriesen IKEA erwehren und greift schließlich in seiner Verzweiflung zu einem rabiaten Mittel: Harold entführt einfach den berühmten Konzern-Gründer Ingvar Kamprad und fängt an, mit dem mal ein bisschen über Geschäft und Moral zu diskutieren. Dabei kommt heraus, dass sich die beiden unterschiedlichen Männer gar nicht so fremd sind, wie zunächst gedacht.

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Wir sprachen mit Regisseur Gunnar Vikene über sein Werk.

Filmszene: Gunnar, Ihr Film ist die Adaption eines Romans mit dessen Autor Sie sehr vertraut sind. War es daher praktisch von Anfang an klar, dass nur Sie dieses Buch verfilmen würden?

Gunnar Vikene: Nein, so klar war das gar nicht. Ich bin sogar mit dem Autor Frode Grytten befreundet, daher habe ich sein Material schon gelesen bevor es veröffentlicht wurde und mit ihm darüber diskutiert. Das war eigentlich auch der Anlass, vielleicht ein paar Tipps und Anregungen zu geben. Aber ich habe mich dann sofort in die Hauptfigur Harold verliebt und so wuchs der Gedanke, dazu gleich ein Film-Drehbuch zu schreiben – wir wurden dann auch beide ungefähr gleichzeitig fertig.

Mit ihrem Hauptdarsteller Bjorn Sundquist haben Sie auch schon zuvor zusammen gearbeitet und er war von Anfang an Ihre erste Wahl. Aber war es nicht viel schwerer einen geeigneten Darsteller für die Person des IKEA-Gründers Ingvar Kamprad zu finden? Der ist schließlich eine richtige Ikone, die zumindest in Skandinavien fast jeder kennt.

Dieser Film ist ja eher ein kleines Projekt, in dem nur wenige Schauspieler auftreten. Im Gegensatz zu meinen vorherigen Filmen gab es deshalb auch keinen langwierigen Casting-Prozess. Auch für Kamprad hatte ich sofort Björn Granath im Sinn und erfreulicherweise hat er zugesagt. Das war wirklich das einfachste Casting meiner gesamten Karriere.

Wie viel Mut gehört denn dazu, sich einfach eine reale, noch lebende Person zu nehmen und sie auf ganz eigene Art darzustellen? Es gibt Länder, in denen steht in solchen Fällen gleich eine Armada von Anwälten bereit – gab es also irgendeine Reaktion von IKEA oder Kamprad selbst?

Nun, man hat uns zwar nicht innerhalb der IKEA-Gebäude drehen lassen, aber das kann ich nachvollziehen. Zur Entscheidung Ingmar Kamprad zu einer zentralen Figur des Films zu machen gab es aber natürlich Diskussionen, mit allen Beteiligten, auch mit mir selbst. Aber ich hatte ja zu keinem Zeitpunkt vor ihn einseitig dumm oder böse darzustellen. Wir haben einfach das verwendet, was Kamprad selbst in diversen Interviews über die Jahre selbst erzählt hat, über sich, seine Ansichten und seine Vergangenheit. Daher kann sich unser Film-Kamprad dann auch entsprechend mit genau diesen Worten verteidigen. Was die rechtliche Seite angeht, haben wir uns da offenbar nichts zu Schulden kommen lassen, jedenfalls gab es keine Proteste oder Beschwerden. Man hat sich da von SeiSeiten IKEAs ziemlich „neutral“ verhalten und sich nicht direkt geäußert.

Der im Film gezeigte Ingvar Kamprad ist eine ziemlich ambivalente Figur, wie ich finde. Er ist sicher kein Engel, aber auch kein grundsätzlich übler Kerl.

Nein, und so soll und muss es auch sein, schließlich ist er ein menschliches Wesen mit allen Stärken und Schwächen. Er ist einerseits unglaublich erfolgreich, lebt aber trotzdem sehr bescheiden, fährt lieber Bus als Taxi und besucht keine teuren Restaurants, obwohl er einer der zehn wohlhabendsten Menschen der Erde ist. Er hat die kurzen Bleistifte eingeführt, weil die Kunden sie praktisch nur einmal benutzen. Das sind bekannte Fakten und die wollten wir nicht verfälschen, zumal das Ganze ja auch etwas sehr Komisches und Liebenswertes hat.

Wie ist denn der Blick auf IKEA in Skandinavien? Kauft dort wirklich jeder seine Möbel oder sieht man den Konzern auch kritisch?

Sie werden wohl in fast jedem norwegischen Haushalt Möbel von IKEA finden. Der Konzern ist schon sehr präsent und sorgt natürlich auch für eine Menge Jobs. Auf der einen Seite fühle ich zwar mit Harold, der beklagt, dass Möbel etwas mehr auf Haltbarkeit ausgelegt sein sollten. Andererseits haben IKEA und Kamprad es ermöglicht, dass auch Leute mit wenig Geld sich ordentlich aussehende und schön designte Möbel leisten können. Und deshalb ist IKEA schon ziemlich beliebt in Norwegen und Schweden.

Ihr Film trägt bei uns den Titel „Kill Billy“ und wird in erster Linie als Komödie vermarktet. Das trifft zwar zu, aber die Geschichte ist schon auch oft sehr traurig und deprimierend, schließlich will sich Harold zunächst das Leben nehmen.

Ja, aber das liegt daran, dass sich die wahre, echte Komödie immer aus dem realen Leben speist. Manchmal ist das Leben eben so absurd, dass man nur entweder darüber lachen oder sich von der Klippe stürzen kann. Ich hab mich bei diesem Film dann doch für die erste Variante entschieden und hoffe, das Publikum wird das auch tun.


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