"Watermark" ist ein Film über die zentrale Bedeutung des Elements Wasser für die Entstehung des Lebens, wie es unseren Planeten formt, wie wir es uns zunutze machen und wie töricht und kurzsichtig wir Menschen dabei oftmals vorgehen. Und das Schöne an "Watermark" - neben seinen unglaublich beeindruckenden Bildern - ist die Tatsache, dass er dies alles transportiert ohne einen mahnenden Zeigefinger zu heben und seinem Publikum mit einer oberlehrerhaften Öko-Attitüde auf Teufel komm raus ein besseres Bewusstsein dafür einzutrichtern, wie wertvoll Wasser ist und wie wenig wir diesen Wert zu schätzen wissen. "Watermark" kann sich darauf verlassen, dass diese Botschaft sein Publikum auch so erreicht, denn seine Bilder sprechen viel mehr als es irgendein belehrender Off-Kommentar könnte. Den es hier dann konsequenterweise auch nicht gibt.
Fünf Jahre lang bereiste die kanadische Regisseurin Jennifer Baichwal zusammen mit dem renommierten Natur-Fotografen Edward Burtynsky den gesamten Planeten, um Material für einen Bildband Burtynskys und für diesen Film zu sammeln. Aus insgesamt 199 Stunden Rohmaterial schnitten sie schließlich dieses 92-minütige Kondensat zusammen, das an gut 20 verschiedenen Beispielen die mannigfaltigen Aspekte der Wassernutzung auf unserem Planeten illustriert. Schon die Auswahl dieser "Erzählstränge" wirft ein Licht darauf, dass es den Filmemachern um mehr geht als 'nur' eine ökologische Botschaft über die verheerenden Folgen der Wasserverschwendung durch kurzsichtige Landwirtschaftsprojekte. Der Film zeigt auch, welch unbändigen Kräfte im Wasser liegen, wie wir uns diese zunutze machen können, wie es als Quell des Lebens religiöse und rituelle Bedeutung für die Menschen annimmt, und wie es uns aus der Geschichte unseres Planeten erzählen kann.
Wir sehen Impressionen von zwei gigantischen Staudamm-Projekten in China, die aktuellsten und monumentalsten Beispiele dafür, wie menschliche Ingenieurskunst sich die Kraft des Wassers zunutze macht. Wir sehen jedoch auch, welche Folgen eben diese Nutzbarmachung des Wassers durch moderne Ingenieurskunst haben kann. Wie beispielsweise die Bewässerung riesiger Wüstenflächen in Kalifornien und damit die Bewirtschaftung von Landflächen, die dafür von Natur her eigentlich gar nicht geeignet wären, unwiederbringlichen Schaden für die Menschen flussabwärts haben - in Mexiko, wo das Flussbett des Colorado ausgetrocknet ist, weil das Wasser durchs "Abzapfen" viele Kilometer flussaufwärts gar nicht mehr bis hierhin kommt. "Watermark" nutzt sehr viel diese bildlich starken Kontraste zwischen natürlicher Wüste und der Fruchtbarkeit, welche von Menschenhand dort künstlich geschaffen wird. Es ist einerseits ein Dokument der Kraft des Wassers - wo es ist, dort beginnt das Leben zu sprießen - als auch andererseits ein verstörend deutliche Veranschaulichung, wie sehr der Mensch in die natürliche Ordnung der Welt eingreift.
Wir sehen Eindrücke von einem der größten Festtage im Hinduismus, zu dem sich alle zwölf Jahre zigmillionen Inder am Ganges versammeln, um sich im heiligen Fluss von ihren Sünden rein zu waschen. Es ist indes derselbe Fluss, von dem wir auch wissen, dass er alles andere als sauber ist, haben wir doch zuvor gesehen, wie krude die Abwasserentsorgung auf dem indischen Subkontinent funktioniert in den Gerbereien, die für die Modemärkte der westlichen Welt Leder herstellen und dabei nicht nur ihre Arbeiter, sondern auch Unmengen von Wasser tagtäglich vergiften.
Wir sehen die Arbeit engagierter Wissenschaftler, die in Grönland nach millionenjahrealten Eiskernen bohren, um so mehr über die Geschichte des Erdklimas zu erfahren; die amerkanischen Surfmeisterschaften, die an einem Strand aus der gemeinsamen Begeisterung für den Wassersport ähnliche Menschenmassen versammeln wie wir sie kurz zuvor am Ganges gesehen haben; Abalonezüchter in China, die durch ihre Arbeit am und mit dem Wasser ein Kollektiv geformt haben, weil sie sich gegenseitig brauchen; aber auch einen jungen Mann auf den Reisterrassen in Chinas Innenland, dessen Arbeit es ist, die Felder seiner Familie zu überwachen, damit niemand ihr Wasser stiehlt und es von den Feldern ablaufen lässt.
All diese unterschiedlichen Facetten beleuchtet "Watermark", und lässt sich dabei wie ein Wasserstrom frei umherfließen zwischen seinen unterschiedlichen Schauplätzen. Manch einen mag es stören, dass der Film seinen Zuschauern keine klare Gedankenlinie aufdrängt, kaum Erklärungen abgibt und nur sperrliche Interviewmomente mit den betroffenen Menschen einstreut, sondern sich ebenso treiben lässt, wie sein Subjekt es tut, und damit viel mehr poetisch als didaktisch daher kommt. Man kann aber auch genau das als eine Wohltat empfinden und sich einfach mitnehmen lassen von den grandiosen Bildaufnahmen dieses Films, die mal faszinierend, mal verstörend und oft beides gleichzeitig sind. Man könnte es lapidar bezeichnen als eine "National Geographic"-Sonderausgabe in Filmform. Doch damit wird man der außergewöhnlichen Leistung des Films nicht gerecht. "Watermark" lässt einen staunen, er lässt einen nachdenken, aber vor allem lässt er einen ganz sicher nicht unberührt.
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