The Holdovers

Land
Jahr
2023
Laufzeit
133 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Matthias Kastl / 30. Januar 2024

Nach einem kleinen kreativen Hänger mit “Downsizing“ in 2017 war es in den letzten Jahren ja etwas ruhig geworden um Regisseur Alexander Payne. Für das Kinopublikum eine durchaus ärgerliche Kreativpause angesichts von Paynes unbestrittenem Talent für wundervolles Charakterkino (“About Schmidt“, “Sideways“, “Nebraska“). Umso erfreulicher, dass dieser nun nicht nur mit vertrauten Stärken wieder auf die große Leinwand zurückkehrt, sondern mit “The Holdovers“ auch noch gleich fünf Oscar-Nominierungen einheimst (darunter “Bester Film“, “Bestes Originaldrehbuch“ und “Bester Hauptdarsteller“). Trotz sehr vertrauter Storyelemente sind die Lobeshymnen auf den Film dabei nicht unverdient, gelingt hier doch ein sehr warmherziger und unterhaltsamer Blick auf das langsame Kennen- und Mögenlernen eines sehr ungleichen Figurentrios.

Im Mittelpunkt steht dabei der etwas verschrobene Paul (Paul Giamatti, “Das Mädchen aus dem Wasser“, “Barneys Version“), der Anfang der 1970er Jahre als Professor für alte Geschichte an der privaten Highschool Barton Academy unterrichtet. Genauso alt und verstaubt wie sein Fachgebiet wirken auch seine Unterrichtsmethoden, mag Paul doch nichts lieber als den in seinen Augen meist verzogenen Schülern fehlende Disziplin durch Strenge und Kompromisslosigkeit einzutrichtern. Davon sieht er auch nicht ab,  als er dazu verdonnert wird über die Weihnachtsferien in dem fast menschenleeren Internat ein paar zurückgebliebene Schüler zu beaufsichtigen. Vor allem der rebellische Angus (Dominic Sessa) scheint für Pauls Politik der harten Hand geradezu prädestiniert zu sein. Eigentlich nur ihre Ruhe haben möchte derweil die ebenfalls anwesende Küchenchefin Mary (Da'Vine Joy Randolph, “The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt“), die noch immer mit dem tragischen Tod ihres Sohnes kämpft. Klingt nicht gerade nach einem Rezept für entspannte Feiertage, aber vielleicht findet sich ja doch ein Weg, wie diese bunte Truppe noch richtig in Weihnachtsstimmung kommt.
 


Um seine Stärken möglichst gewinnbringend ausspielen zu können, setzt Payne in “The Holdovers“ auf ein ihm vertrautes Gesicht vor der Kamera. Angesichts des Rollenprofils ist es allerdings auch schon sehr naheliegend, dass man die Hauptfigur hier mit dem Charaktermimen Paul Giamatti besetzt hat. Die Ähnlichkeiten zu dessen Figur in Paynes “Sideways“ liegen auf der Hand, haben wir es doch auch hier wieder mit einem ähnlich sympathisch-verschrobenen Nerd zu tun. Und ohne Giamatti nahetreten zu wollen: es ist dann eben auch dessen Paraderolle, sozial leicht unbeholfen wirkende Gesellen zu spielen, die beim Publikum eine Art liebevolles Mitleid auslösen.

Doch es ist komplett egal, dass man Giamatti schon so oft in dieser Art von Rolle gesehen hat. Dank seinem verschmitzten Lächeln, wundervoll eingefangenen kleinen Charaktermarotten und dem mühelosen Wechsel von Momenten trauriger Nachdenklichkeit zu fast slapstickhaftem Chaos wächst auch diese Figur einem dank Giamatti wieder in kürzester Zeit so richtig ans Herz.   

Dazu gesellt sich Paynes wundervolles Gespür für Figuren und die wichtige Entscheidung, sich sowohl in Sachen Drehbuch als auch Inszenierung über weite Strecken viel Zeit für eine genauso bedächtige wie liebevolle Charakterentwicklung zu nehmen. Auch wenn hier und da die inneren Konflikte mancher Figuren angesichts deren sonstiger Zurückhaltung von diesen fast schon etwas unnatürlich offen das erste Mal kommuniziert werden. Für die gegenseitige Annäherung der Akteure nimmt der Film sich aber sehr viel Zeit und schildert dabei ordentlich Reibungspunkte zwischen den Protagonisten und viele kleine Blicke in deren Innenleben, so dass diese jede Menge liebevoller Ecken und Kanten erhalten. Gerade die sich ganz langsame verändernde Dynamik zwischen unseren drei zentralen Figuren fängt “The Holdovers“ dabei wundervoll ein, so dass man für deren “Schwächen“ mit der Zeit immer mehr Verständnis und Mitgefühl aufbringt.
 


So gewinnt “The Holdovers“ vor allem an Fahrt, als nach einer halben Stunde ein paar Nebenfiguren die Bühne verlassen und man sich ganz auf Paul, Angus und Mary konzentrieren kann. Dass sich dabei ein so wohliges Gefühl beim Zuschauen einstellt, liegt nicht nur an den allesamt überzeugenden Darstellern und Darstellerinnen oder der schon angesprochenen liebevollen Inszenierung. Auch das Umfeld hat seinen Anteil daran, da das nostalgisch angehauchte 1970er-Jahre-Setting gepaart mit dem alten verschneiten Gemäuer des Internats einen irgendwie fast automatisch gedanklich ein kleines Lagerfeuer errichten lässt, an dem man sich mit den Figuren gemeinsam wärmen möchte.

Und wie das dann eben so mit Filmen ist, die sviel Mühe und Liebe bei der Ausgestaltung ihrer Figuren investieren, den Lohn dafür kassiert man am Ende. Da ist die emotionale Verbundenheit zwischen uns und den Internatsbewohnern nämlich so groß, dass Payne beim Finale leichtes Spiel hat, uns die eine oder andere kleine Träne zu entlocken. Auch wenn man natürlich zugeben muss, dass hier keine großen Überraschungen warten und viele der Storyfäden auf ähnliche Art und Weise schon in vielen anderen Filme geknüpft und aufgelöst wurden. Aber für einen unterhaltsamen und wohligen Filmabend muss man ja nicht gleich das Kino neu erfinden, und so bietet “The Holdovers“ einfach eine schöne Gelegenheit an einem kalten Winterabend sich in einem Kinosessel eine ordentliche Portion Wärme abzuholen. 

Bilder: Copyright

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