Bereits in den 40er Jahren einmal fürs Kino und in den 70ern auch fürs Fernsehen verfilmt, gehört der "Brandner Kaspar" zu den klassischen deutschen bzw. vor allem bayerischen Sagen. Das bedeutet zwar nun nicht, dass die gesamte Geschichte heutzutage noch zur allgemeinen Grundbildung gehört, aber von dem listigen Bauern, dem es gelingt den Tod zu überlisten und beim Kartenspiel zu betrügen, dürfte doch der Eine oder Andere schon mal etwas gehört haben. Trotzdem sicher nicht gerade der Stoff, der sich von vornherein für einen Kinofilm des Jahres 2008 anbietet und auch für den in der Umsetzung historischer deutscher Stoffe erfahrenen Joseph Vilsmaier ("Herbstmilch", "Stalingrad") eine eher ungewöhnliche Wahl.
Der Brandner Kaspar (Franz Xaver Kroetz) führt ein eher bescheidenes
und zudem nicht ganz legales Dasein als Wilderer inmitten des bayrischen
Berglands. Die Ehefrau ist früh verstorben und wenn er seine
Enkelin Nannerl (Lisa Maria Potthoff) nicht hätte, bliebe eigentlich
nicht mehr allzu viel Freude im Leben des Griesgrams. Doch als eines
Tages der leibhaftige Tod, den man im Bayern dieser Zeit auch "Boanlkramer"
nennt, vor der Tür steht, da weigert sich der störrische
Kasper doch recht hartnäckig mitzugehen. Ganz im Gegenteil
verlockt er den doch ziemlich einsamen und einer kurzweiligen Unterhaltung
nicht abgeneigten Sensenmann zu einem Kartenspiel um sein Leben.
Der zuvor großzügig ausgeschenkte Kirschgeist trägt
dann nicht gerade unwesentlich dazu bei, dass sich der pflichtvergessene
Tod im wahrsten Sinne des Wortes über den Tisch ziehen und
vom Brandner weitere 21 Lebensjahre abluchsen lässt. Die Freude
über diesen Triumph wird allerdings getrübt durch die
Intrigen der örtlichen Honoratioren, die dem Kasper nur zu
gern sein Grundstück abnehmen würden, und durch den offenen
Streit gleich zweier Verehrer um die Hand von Nannerl. Und während
der schuldbewusste Gevatter Tod versucht seinen Faux Pas vor den
himmlischen Offiziellen tunlichst zu verbergen, spitzen sich die
Ereignisse drunten auf der Erde erneut dramatisch zu.
Womit
haben wir es hier zu tun? Mit einer Mischung aus Drama und Komödie,
die im tiefsten Bayern des späten 19. Jahrhunderts angesiedelt
ist und in der durchgehend mit einem entsprechenden Dialekt gesprochen
wird. Also genau der Film, den die jugendlichen Fans von Bully nach
dem "Schuh des Manitu" und dem "(T)Raumschiff Surprise"
als Nächstes sehen wollten. Nein, im Ernst, Michael Herbig
als Gevatter Tod zu besetzen ist auf den ersten Blick natürlich
eine gewagte Entscheidung. Dessen außerordentliche Popularität
könnte allerdings in der Tat dazu führen, dass sich eine
Menge Leute den "Brandner Kasper" ansehen werden, die
sämtliche sonstigen Zutaten ansonsten doch eher abschrecken
würden. Und die bekommen hier eine Version ihres Idols zu sehen,
die fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt und so im Grunde nur
an ihrer Stimme zu erkennen ist.
Wenn man über den anfänglichen "Das ist ja der Bully"-Effekt
aber erst einmal hinweg ist, kann man dies im weiteren Verlauf sogar
ganz langsam vergessen und sich stattdessen an der Spielfreude des
Herrn Herbig erfreuen, der seinen "Boanlkramer" zu einem
zwar reichlich naiven, aber nichts desto trotz äußerst
liebenswürdigen Erfüllungsgehilfen macht. Dieser "Tod"
ist zwar ein ziemlicher Trottel und so wurde er in früheren
Adaptionen, sei es nun im Film oder im Theater, keinesfalls immer
dargestellt, aber er
ist dabei einfach umwerfend komisch. Wozu auch die drollige Sprache
und eigenwilligen Formulierungen ein Stück beitragen. "Es
ist Dir aber so aufgesetzet" beharrt der den Vorschriften verbundene
Fuhrunternehmer gleich mehrfach und wirkt mitunter wie ein trotziges
Rumpelstilzchen.
"Bully" wäre also der erste Coup, der den Film schon
mal grundsätzlich etwas interessanter macht, und auch der zweite
findet sich im Bereich der Besetzung. Als Gegenspieler und verschlagener
Brandner Kaspar agiert nämlich Franz-Xaver Kroetz, und dessen
Mitwirkung ist eigentlich sogar die noch weit größere
Sensation. Nach seinem Massenerfolg mit der TV-Serie "Kir Royal"
in den 80er Jahren zog sich Kroetz fast als direkte Reaktion darauf
weitestgehend aus der Schauspielerei zurück. Vor einigen Jahren
erklärte er dann auch das Ende seiner schriftstellerischen
Laufbahn und bezeichnete sich selbst als "depressiv" und
"ausgebrannt". Und nun sehen wir ihn plötzlich hier
als Brandner Kasper, wie er sich fast die Seele aus dem Leib spielt
und absolut überzeugend einen Mann zwischen Lethargie, wiedererwachender
Lebensfreude und größter Tragik verkörpert.
Dass
dieser Wechsel zwischen den komödiantischen, leichten Szenen
mit dem Tod sowie im bayrischen Himmel hin zum unvermeidlichen Drama
im Nebenstrang um die Wilderei und das Schicksal der geliebten Enkelin
mitunter nur schwer gelingt, ist zwar eine der Schwächen des
Films, aber an Franz-Xaver Kroetz liegt dies sicher zuletzt. Neben
den beiden Vollblutschauspielern bleibt demzufolge auch wenig Platz
zur Entfaltung der Nebenrollen, die dankbarsten Parts haben da noch
Detlev Buck als steifer Preuße und ein köstlicher Herbert
Knaup als mosernder Erzengel abgestaubt.
So malerisch die Landschaft und so sichtbar um Authentizität
bemüht die Ausstattung und Kostüme in den "irdischen"
Szenen, so merkwürdig künstlich, kitschig und eher an
eine Theaterbühne erinnernd gibt sich aber die hier präsentierte
Version eines bayrischen Himmels. Das hätte man anders lösen
können, aber auch für diese Sequenzen gilt: Allein aufgrund
der köstlichen Dialoge und der völlig hemmungslosen Veralberung
des christlichen Personals doch sehr amüsant. "Wir haben
der heiligen Maria die Geschichte erzählt und sie lacht jetzt
noch" heißt es da leicht respektlos.
Es ist noch nicht sicher, ob denn auch der typische Bully-Fan bei
diesem etwas ungewöhnlichen neuen Werk mit dem Meister entsprechende
Lachanfälle bekommen oder sich doch eher im falschen Film wähnen
wird. Aber Ersteres ist durchaus möglich.
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