Das Haus aus Sand und Nebel

Originaltitel
House of sand and fog
Land
Jahr
2003
Laufzeit
126 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Eva Herrmann / 1. Juni 2010

Wie viel ist Besitz wert, wie viel das eigene Zuhause? Kathy Lazaro (Jennifer Connelly) wurde vor acht Monaten von ihrem Mann verlassen. Sie lebt allein in einem Haus am Meer. Sie verdient sich ihren Lebensunterhalt als Putzfrau. Eines morgens steht die Polizei bei ihr vor der Tür, unter ihnen Deputy Sheriff Lester Burdon (Ron Eldard). Sie müsse ihr Haus räumen, sie habe trotz zahlreicher Mahnungen ihre Gewerbesteuer nicht gezahlt. Kathy behauptet, nie ein Gewerbe angemeldet zu haben, die entsprechenden Schreiben habe sie demnach einfach ignoriert. Nur, wenn der Amtsschimmel einmal rennt, ist ein Gespräch erst mal zwecklos: Kathy muss räumen. Während sie in ein Motel zieht und versucht bei den entsprechenden Institutionen etwas zu erreichen, wird ihr Haus verkauft, an Oberst Massoud Amir Behrani (Ben Kingsley), der es zu einem Spottpreis erwerben kann und hofft, es zum mehrfachen Preis wieder verkaufen zu können. Behrani musste mit seiner Familie aus dem Iran fliehen. Obwohl er fließend Englisch spricht und trotz des Besitzes der US-Bürgerschaft begegnet man ihm in Amerika nicht immer freundlich. Da wird schon mal der Name falsch ausgesprochen, da fragt der Parkwächter doch gerne zweimal, ob es wirklich sein Wagen sei, der da vor dem Gebäude stehe. Er arbeitet hart, um seine Familie zu ernähren, vor allem auch, weil sie weit über ihre Verhältnisse leben, um sich in Amerika einen Lebensstandard aufrechtzuerhalten, der mit ihrem früheren Leben im Iran mithalten kann. Der mögliche gewinnträchtige Verkauf des Hauses erscheint ihm da wie ein Geschenk des Himmels. Je mehr Behrani nun an seinem Glück arbeitet, um so mehr rutscht Kathy im Bemühen, ihr Zuhause zurückzuerhalten, ab. Der Streit um das Haus wird jeweils zum verzweifelten Kampf um die eigene Existenz.

Was "Haus aus Sand und Nebel" so faszinierend und gleichzeitig so bedrückend macht, ist die Möglichkeit des Geschehens und das Verständnis, das der Zuschauer für beide Parteien entwickelt. Ein Fehler in der Steuerbehörde und eine Frau verliert ihr Haus. Im Motel, in dem sie sich einmietet, kann sie nicht bleiben: die Miete wird sofort verlangt, ihr Gehaltsscheck kommt erst am Ende der Woche. Drei Jahre lang hatte sie aufgehört zu trinken, jetzt fängt sie wieder an. Auf der anderen Seite eine Flüchtlingsfamilie mit wahnsinniger Sehnsucht nach ihrer alten Heimat, die hier in Amerika einfach auf ihr gutes Recht pocht. Formal betrachtet wurde das Haus rechtmäßig erworben. Es stand zum Verkauf, Behrani hat den vollen Preis dafür bezahlt. Im Hinblick auf den baldigen Gewinn gibt er sogar seinen Job auf, in dem er seinem Empfinden nach respektlos behandelt wurde. Er steht also selbst extrem unter Druck.
Eine Frage, die der Film sicher stellt, ist die nach einem humaneren Miteinander, jenseits aufgestellter Regeln und Gesetze. Vernünftiges Verhandeln könnte für alle Beteiligten eine friedliche Lösung herbeiführen. Aber genau immer dann, wenn eine Annäherung stattfindet, bricht der mit Wut und Verzweiflung getränkte Wille einer der Figuren, ihr Recht einfach mit Gewalt durchzusetzen, wieder in das Geschehen ein und der Strudel tragischer Ereignisse gerät erneut in Bewegung.

Der Titel "Haus aus Sand und Nebel" liefert einen Verweis auf die Lügengebäude, die sich die einzelnen Personen in ihrem Leben errichtet haben. Behrani quält sich jeden Tag nach der Arbeit auf einer öffentlichen Toilette aus seinen schmutzigen Sachen, um frisch gewaschen und rasiert in einem teuren Anzug nach Hause zurückzukehren. Sein tatsächliches Agieren unter dem Schah als Oberst bei der iranischen Luftwaffe lässt er gegenüber seiner Familie im Dunkeln verschwinden. Er habe nur Flugzeuge für den Schah gekauft, behauptet er. Die Brutalität mit der er jedoch in einigen Situationen des Films vorgeht, lässt ganz andere Schlüsse zu. Die einsame Kathy Lazaro hat ihrer Familie verschwiegen, dass ihr Mann sie vor acht Monaten verlassen hat. Auch, dass das Haus inzwischen den Besitzer gewechselt hat, sagt sie nicht. Stattdessen will sie den Besitz unbedingt vor dem 18. des Monats zurückbekommen, der Tag, an dem ihre Mutter und ihre Schwester sie besuchen wollen.
In "Haus aus Sand und Nebel" dreht sich viel um ein Bild, um Eigendarstellung, die um jeden Preis aufrecht erhalten werden muss, sonst glauben die einzelnen Figuren ihre Existenz gefährdet. Genau das Gegenteil ist wahrscheinlich jedoch der Fall, ihre Lügengebäude stürzen sie in die Tragödie. Scheinbelegungen von Begriffen wie Respekt, Ehre, Ansehen spielen natürlich in der iranischen Welt eine noch viel größere Rolle als in der amerikanischen Gesellschaft. Beide Kulturen gegenüber zu stellen, ihre Vorzüge, ihre Nachteile, aber auch ihre Gemeinsamkeiten aufzuzeigen, ist ein Anspruch des Films.
Dennoch ist Gewalt kein Merkmal, das man so einfach in den Nahen Osten verschieben kann. Als ein iranisches Kind auf offener Straße von der amerikanischen Polizei erschossen wird, schieben sich sofort aktuelle Nachrichtenbilder aus umkämpften Gebieten in den Kopf des Zuschauers: der Irak wäre ein Beispiel. Das alles in den USA stattfinden zu lassen, ruft eine realistische Annäherung der Gesellschaften hervor. Sobald mit Waffengewalt agiert wird, sobald es um die eigene Familie, den eigenen Besitz, die eigene Existenz geht, sind sich Menschen in ihrem Verhalten einfach ähnlich.

Sowohl Ben Kingsley als auch Jennifer Connelly brillieren in den ihnen zugedachten Hauptrollen. Bei Kingsley verwundert das kaum, bedenkt man Filme wie "Gandhi" oder "Der Tod und das Mädchen". Der Wechsel zwischen Menschenfreund und Despot ist ihm ein Leichtes. Auffallend gut dargestellt wird die Rolle der Ehefrau Behranis, Nadi, durch die iranische Schauspielerin Shohreh Aghdashloo. Sie und Kingsley waren beide 2004 für ihre Darstellung im Film für einen Oscar nominiert.

Bei "Haus aus Sand und Nebel" handelt es sich übrigens um ein Regiedebüt, und zwar um das des in Kiew geborenen Regisseurs Vadim Perelman, der auch das Drehbuch zum Film verfasste. Sein mitreißendes, psychologisch dicht gewebtes Drama über den Kampf um die eigene Existenz kam in den Vereinigten Staaten schon 2003 in die Kinos. Schön, dass es der Film - trotz langer Wartezeit - jetzt auch noch zu uns geschafft hat.

Bilder: Copyright

10
10/10

wer hier ernsthaft schreibt: langweilig, der hat diesen film eindeutig nicht verstanden und/oder hat kein herz & keinen verstand.

dieser film ist sehr beeindruckend!!
ich habe viele tränen vergossen und war auch danach noch sehr mitgenommen. die darsteller sind fantastisch und es gibt wirklich nichts auszusetzten.

wer hier unterhaltung erwartet wird enttäuscht. dies ist ein film zum nachdenken, an sich heranlassen, eintauchen. gefühl. drama.

einer der besten die ich je gesehen habe.

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10
10/10

Am Anfang steht ein Behördenfehler, am Ende eine ganz furchtbare menschliche Tragödie - wie und warum es durch die Handlungen der beteiligten Personen dazu kommt, erzählt dieser Film auf wirklich atemberaubende Weise und entwickelt dabei einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte. Alle Charaktere handeln absolut glaubwürdig und jeder auf seine Weise auch richtig, das macht das Ende nur umso deprimierender.
Keine leichte Kost, ganz klar, aber ein Film, den man nicht so leicht vergisst. 10 von 10, aus meiner Sicht gerechtfertigt.

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9
9/10

Name des Regieseurs gemerkt ich bin gespannt was nach diesem unglaublich starken ersten Film noch so kommt.
Zum Film selbst bleibt eigentlich nicht zu sagen ausser Ben Kingsley, meisterlich wie immer! Packende Story, rundum gelungener Film.

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