Bad Girl

MOH (25): 5. Oscars 1932 - "Bad Girl"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 9. Dezember 2023

Das die Wahrnehmung eines Filmes stets subjektiv ist muss man ja eigentlich nicht erwähnen, ist aber bei unserem heutigen Beitrag der fünften Academy-Awards des Jahres 1932 dann doch irgendwie angebracht. Jeder hat ja so seine emotionale Achillesverse bei Filmen und die von mir tritt heute mit einem Riesensprung aus dem Schatten. Warum ein von der Filmgeschichte komplett vergessener Film in dieser Reihe eine höhere Wertung als manch berühmter Filmklassiker erhält (liebe Grüße an F.W. Murnau) muss dann schon genauer erläutert werden. Oder eigentlich auch wieder nicht. Es folgt hier nun auf jeden Fall eine kleine Liebeserklärung an Frank Borzages "Bad Girl".


Bad Girl

Land
Jahr
1931
Laufzeit
90 min
Genre
Release Date
Oscar
Nominiert für "Outstanding Production"
Bewertung
9
9/10

Manchmal ist es gar nicht so leicht zu erklären, warum man sich in einen Film verliebt. Versuchen wir es trotzdem. "Bad Girl“ von Regisseur Frank Borzage, der bereits in "Im siebenten Himmel“ seine Vorliebe für Dramen rund um „einfachere kleine Leute“ gezeigt hat, schildert hier die Beziehung zwischen dem grundanständigen Eddy (James Dunn) und der nicht minder integren Dorothee (Sally Eilers). Von deren erstem Kennenlernen über die Hochzeit bis hin zur Geburt des ersten Kindes ist hier alles dabei, wobei die dabei auf dem Weg entstehenden zahlreichen Konflikte nie durch Bösartigkeit, sondern stets nur durch unglückliche Missverständnisse geschaffen werden. Meistens dadurch, dass keiner dem jeweils anderen rechtzeitig mitteilt, dass angesprochene Probleme doch bereits schon längst voller Hingabe und ganz im Interesse des anderen in Bearbeitung sind.

Das klingt nach ganz schön viel pathetischem und unglaublich naivem Herz-Schmerz. Könnte kaum auszuhalten sein, ist hier aber, die richtige Grundeinstellung vorausgesetzt, einfach wundervoll. Weil Frank Borzage mal wieder seine große Stärke zeigt, zwischenmenschliche Beziehungen mit unglaublich viel Wärme und Feingefühl auf die Leinwand bringen zu können. Auch holt er das Maximum aus seinem Schauspielensemble heraus, denn weder Dunn noch Eilers liefern zwar großes Kino, doch für die Rolle des niedlich-naiven Liebespaares sind ihre schüchternen Hundeblicke und zurückhaltenden Darbietungen ziemlich passend.
 


Angesichts des reichhaltigen Zuckergusses auf deren Beziehung ist der Film clever genug, die Story immer wieder mit leicht bissigem Humor anzureichern – ob durch die schlagfertigen und wundervoll spitzzüngigen Kommentare von Dorothees Freundin Edna oder auch die deutlich satirische Überspitzung mancher Geschehnisse. Der Film ist sich bewusst, dass er ein hemmungslos naives Bild von Liebe zeigt und genau darum ist es leicht sich darauf für 90 Minuten einzulassen – und die eigenen (realistischeren) Lebenserfahrungen in dem Bereich lieber mal kurzzeitig zu verdrängen.

Wem das gelingt, dem wird angesichts der Gutherzigkeit nahezu aller Protagonisten hier das Herz aufgehen. Das zeigt exemplarisch der Auftritt eines grimmigen Preisboxers, zu dem der hoffnungslos unterlegene Eddy aus Geld- und Beziehungssorgen in den Ring steigt. Mitten im Kampf erfährt Eddys furchteinflößender und haushoch überlegener Gegner von dessen Problemen und wandelt sich direkt vom Saulus zum Paulus. Mensch, warum hast du das nicht gleich erzählt, von dir lasse ich mich jetzt gerne zusammenschlagen – bin ja schließlich kein Unmensch und junges Liebesglück muss gefördert werden.
 


So geht das hier die ganze Zeit. Immer wenn man glaubt ein Antagonist taucht auf, entpuppt sich dieser im nächsten Schritt als Besitzer eines schier unendlich großen Herzens. Das macht “Bad Girl“ zum Albtraum eines jeden Zynikers und einem klassischen Kaminfeuerfilm, für den man aber natürlich schon in der richtigen Stimmung sein muss. Wer die aber mitbringt, der wird hier mit einem Dauerlächeln vor dem Bildschirm sitzen. Und der kann auch ganz gut darüber hinwegsehen, dass gefühlt hier am Ende eigentlich keine Figur sich irgendwie weiterentwickelt hat und man nur der Auflösung schon sehr künstlich generierter Konflikte beigewohnt hat.

Ach, was soll's, “Bad Girl“ hat sein Herz am rechten Fleck, liebevolle Figuren, eine wundervolle Portion leichten Humor und eine so unglaublich ansteckend naiv-optimistische Grundhaltung, die man in dieser Art heute nicht mehr antrifft. Und die man in einem modernen Film vermutlich deutlich schwieriger akzeptieren würde, als in einem knapp 100 Jahre alten Schwarz-Weiß Streifen. Was dann eben auch den besonderen Charme dieses Filmes ausmacht und wofür ich den Zyniker in mir doch nur zu gerne für 90 Minuten in den Keller sperre.

"Bad Girl" ist aktuell leider nicht als DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar. Alternativ ist der Film aber auf der Webseite des Internet Archive kostenlos abrufbar.
 

Zeit für nur nette Menschen in diesem Ausschnitt von "Bad Girl"


Ausblick
In unserer nächsten Folge sind ein alter Preisboxer und dessen Sohn gemeinsam auf Tour und bieten gleich die nächste Gelegenheit für eine Portion ordentlichen Herz-Schmerz.


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