Alle anderen

Jahr
2009
Laufzeit
119 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Patrick Wellinski / 30. Mai 2010

 

Gitti (Birgit Minichmayr) und Chris (Lars Eidinger) machen Urlaub auf Sardinien. Das Paar ist jung. Chris will gerade als Architekt durchstarten und Gitti ist PR-Managerin in einem Musikverlag. Nach Außen ist daher alles in Ordnung. Doch als Chris und Gitti eher unverhofft dem Pärchen Hans (Hans-Jochen Wagner) und Sana (Nicole Marischka) begegnen, werden die Risse in ihrer Beziehung deutlich. Unter der flirrenden Mittelmeersonne liefert sich das Pärchen schon bald einen schonungslosen Schlagabtausch, der das Ende ihrer Liebe bedeuten könnte.

Nach dem erfolgreichen Debütfilm "Der Wald vor lauter Bäumen", ist "Alle Anderen" der zweite Film der jungen deutschen Regisseurin Maren Ade. Ästhetisch lassen sich ihre Filme zur "Berliner Schule" zählen, also jener Gruppe von jungen deutschen Regisseuren wie Valeska Grisebach, Ulrich Köhler, Benjamin Heisenberg oder auch Christoph Hochhäusler, die mit ihren leisen introvertierten Filmen auf Festivals bereits viel Aufmerksamkeit erlangt haben. Und tatsächlich standen Ade bei der Produktion von "Alle Anderen" ihre Kollegen Griesebach und Köhler helfend und unterstützend zur Seite. Diese Hilfe merkt man im Film wohl am deutlichsten in der Arbeit mit den hervorragenden Schauspielern. Denn Ades Zweitwerk ist vor allem geniales Schauspielkino, das eine unglaubliche formale Reife an den Tag legt.
Besonders Birgit Minichmayr brilliert als Gitti. Die erfahrene Theaterdarstellerin spielt diese Rolle mit völlig entwaffnender Offenheit. Gitti ist kein leichter Mensch. Sie ist extrovertiert, ein bisschen verrückt und hat den Drang ständig in Bewegung zu bleiben. Sie spricht mit Kindern so wie mit Erwachsenen und mit Erwachsenen so wie mit Kindern. Dagegen erscheint Chris fast als komplettes Gegenteil. Ruhig und besonnen lässt er sich vor allem von rationalen Grundsätzen leiten. Es ist eigentlich von vornherein ausgeschlossen, dass diese beiden ein Paar werden könnten. Und dennoch sind sie es. Gegensätze ziehen sich bekanntlich an.
Doch Beziehungen sind wie Kartenhäuser, sie bauen sich Schritt für Schritt auf und drohen bei kleinen Erschütterungen in sich zusammenzufallen. Diese Gefahrstellen deckt "Alle Anderen" mit schonungsloser und schmerzhafter Ehrlichkeit auf. Chris und Gitti sagen sich in den zahlreichen grandiosen Wortgefechten, dass sie sich eigentlich nichts zu sagen haben. Chris hätte lieber eine ruhigere, weniger ausgeflippte Frau an seiner Seite und Gitti einen etwas lässigeren Mann an ihrer. Es geht oft hin und her.

Einmal kauft sich Gitti ein furchtbar konservatives Kleid, obwohl sie es total verabscheut. Sie kauft es für Chris. Sie sagt: "Ich wünschte ich könnte mehr so sein wie du mich gern hättest". Mit dem Kleid will sie es vielleicht versuchen. Das ist ihr Opfer für diese Liebesbeziehung, die sie retten möchte. Doch mit dem Kleid muss sie auch bestimmte Verhaltensweisen ablegen. Sie müsste sich fast komplett ändern. Aber will sie das? Was nun im Film beginnt ist ein Spiel. Ein Spiel, das viele Ebenen umfasst und am besten mit dem Motto "Was wäre wenn?" beschrieben werden kann.
Maren Ade inszeniert ihren Film äußerst akkurat und mit besonders viel Sinn für Einzelheiten. Es ist erstaunlich, wie sie alltägliche Objekte und Gegenstände, wie z.B. das Kleid oder eine Ingwerknolle, immer wieder zweckentfremdet und ihnen in dem Beziehungsstreit zwischen Chris und Gitti eine neue Bedeutung verleiht.
Für Romantik gibt es in dieser Beziehung jedenfalls keinen Platz. Sie ist was für die Anderen. Zum Beispiel für Pärchen wie Hans und Sana, die zu Herbert Grönemeyer tanzen könnten. Nein, Chris und Gitti haben nie eine solche Beziehung geführt. Sie wollten sich nie dieser spießigen Vision der Liebe unterwerfen. Im Film kämpfen sie daher auch für ihre Vorstellung einer idealen Liebesbeziehung. Eine weitere wichtige Rolle spielt der Sex. Der Sex zwischen Gitti und Chris nimmt schon einige Streitpunkte und Konfliktlinien vorweg. Und auch der Sex ist hier Spiel. So wie es der Sex in Andy Warhols "Blue Movie" war. Ein Werk, das die junge Regisseurin maßgeblich bei ihrer Arbeit inspiriert hat.

In seiner brutalen Präzision in der Beschreibung von zwischenmenschlicher Befindlichkeit erinnert der Film unter anderem auch an Mike Nichols' "Hautnah". Auch dort wurden Beziehungskriege mit eiskalter Offenheit geführt. Doch liegt in "Alle Anderen" noch eine Wucht, die man in dieser Form nur aus Ingmar Bergman-Filmen kennt. Besonders "Szenen einer Ehe" kommt einem da in den Sinn. Natürlich sind solche Vergleiche immer etwas zu mächtig, aber nichts beschreibt "Alle Anderen" besser.

Was am Ende bleibt ist Stille und eine enorme Prise Unsicherheit. War's das jetzt für die beiden? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Wo in diesem fantastischen Film das Spiel endet und der ernste Beziehungsstreit beginnt, verschwimmt mit der Zeit. "Alle Anderen" ist virtuos, weil er dem Moment des Scheiterns einer Beziehung näher kommt als die meisten Filme, die vorgeben dieses Thema zu behandeln. Eine im deutschen Kino eher seltene Erfahrung.

Bilder: Copyright

1
1/10

Mir wird immer schlecht bei diesem deutschen selbstverliebten Autorendreck. Kein Wunder, dass hier kein Mensch mehr ins Kino will.

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Verallgemeinerungen sind generell scheiße...

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9
9/10

Die Dialoge und Szenen wirken noch nach. Hat mir sehr gut gefallen!

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2
2/10

Deutsche Filme und ihr Hang, immer das zu zeigen, was wir auch in unserem eigenen Leben finden... Sie sind immer sooo saurealistisch, dass man sich fragt, wozu man eigentlich noch ins Kino geht. Sicherlich gibt es Leute, die solche Filme mögen, die will ich auch nicht beschimpfen oder so, aber ich finde solche Filme einfach nur langweilig! Meine Vorstellung von "Kino" ist, dass man in eine andere Welt gezogen wird, etwas sieht, was man zuvor nie gesehen hat, dass man alles um sich herum vergisst und in diese Welt eindringt. Wie kann man das, wenn ein Film wie "Alle anderen" daherkommt, der solche Alltagsprobleme behandelt? So was hätte in ein Buch oder eine Dokumentation gepasst, aber fürs Kino sind diese Ambitionen doch etwas zu gering... Ich wage zu behaupten: In 2 Jahren erinnert sich kaum mehr einer dran.

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Hmm Mir hat der Film sehr gut gefallen, meiner Partnerin überhaupt nicht...was sagt das jetzt aus? ;-)

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1
1/10

Nach einigen guten Kritiken (u.a. auch hier) war ich doch neugierig und habe den Film gesehen: 120 Minuten Ödnis und Langeweile. Sicher ist die Beziehung realistisch dargestellt - aber will ich sowas im Kino sehen? Irgendwo habe ich gelesen, dass er auch Komik enthält, welcher Art, ist mir schleierhaft. Ärgerlich war, dass ich den Film bis zum Ende gesehen habe, in der Hoffnung, es möge doch mal interessant werden - vergebens.

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8
8/10

ein film zum nachdenken
ein offenes ende
ein film, der szenen enthält, die die meisten schon selbst erlebt haben und deshalb gut nachvollziehen können
an manchen stellen war das bild verwackelt, leider weiß ich nicht, ob das gewollt war oder am filmprojektor lag
super gut gespielt von den hauptdarstellern

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8
8/10

Wirklich ein Film zum nachdenken ! Hat mir sehr gut gefallen !

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8
8/10

Entweder man gibt nach den ersten 15 Minuten auf und ist enttäuscht oder man hält durch und findet deutsches Kino gut. Ich gehöre zu letzterem.
Was der Film allerdings vermitteln will, ist mir dennoch nicht ganz klar. Wahrscheinlich wieder die Grundsatztheorie von menschlichen Mann/Frau-Beziehungen: Liebe Dich selbst und Du kannst heiraten, wen Du willst.

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Der Film ist so schlecht, das ich mir wünschte ich sei blind. So einen Mist hab ich lange nicht gesehen, da schau ich mir lieber DSDS an. Langweilig, schlechte Schauspieler, einfach nur zeit und Geldverschwendung....

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4
4/10

Ich fand den Film ganz schrecklich. Dieser Film ist erzählt, als habe Maren Ade nur in Büchern über Beziehungskrisen - den Kern des Filmes - gelesen, besitzt aber kein echtes Verständnis für die Problematik.

Die filmische Umsetzung mit allen Details und der Atmosphäre ist tatsächlich gelungen und vor allem die Darsteller sind ausgezeichnet. Und in jeder Kritik oder Filminhaltsangabe kann man auch alles über die Handlung lesen: Beziehungskrise eines Paares, welches sich auseinanderlebt und sich nichts mehr zu sagen hat. Er, Chris, blüht auf in einer neuen "männlichen" Rolle, die ihm von seinem Studienkollegen "Hans" vorgelebt wird. Es beginnt ein subtiles Spiel der beiden, usw.

Ja, ist oberflächlich alles richtig. Aber der Film kommt einfach nicht zum Punkt, nicht mal am Schluss, als es dann ernst zwischen den beiden wird. Ich habe das Paar auch nicht verstanden. Sein Verhalten ist eher dubios und unverständlich. Er ist ihr gegenüber kühl und es ist eine recht große Überraschung, dass sich am Ende herausstellt, dass er sie tatsächlich liebt. Sie hingegen, stark, direkt und selbstbewusst, kommt nicht einmal auf die Idee, ein ernsthaftes Gespräch zu suchen. Selbst am Ende, wo es dann endlich mal zum Streit kommt, wird nicht an- und ausgesprochen, es wird durch Blödelei wieder zueinander gefunden. Durchweg hatte ich nie das Gefühl, ein echtes Paar, geschweige denn Liebe zu sehen. Insofern sind die beiden und ist das Ende inkonsequent. Es gibt keine Lehre und keine Erklärung aus der Geschichte. Nicht, weil das besonders subtil sein soll, sondern weil die Regisseurin es einfach nicht besser weiß.

Gewundert habe ich mich beim Lesen der Rezension über die Kartenhaustheorie: "(...) Beziehungen sind wie Kartenhäuser, sie bauen sich Schritt für Schritt auf und drohen bei kleinen Erschütterungen in sich zusammenzufallen." Eine sehr unschöne Vorstellung, wenn es allgemeingültig wäre. Hierüber könnte man sicher endlos diskutieren, aber gerade für diesen Film passt es meiner Meinung nicht. Schließlich entscheidet hier eher das Fundament, ob man trotz Krise, nicht erreichter Wunsch-/Lebens-/Berufsvorstellungen etc. die Beziehung wieder aufleben lassen kann/will.

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