Es war eine Szene mit Symbolcharakter: Als Steven Seagal 1996 im Action-Reißer "Einsame Entscheidung" nach nur zwanzig Minuten aus einem Flugzeug geschleudert wurde, verabschiedete er sich mit diesem überraschend frühen Abgang auch vom größeren Kinopublikum. In den Folgejahren sah man Seagal, den gute Freunde wegen seiner erstaunlichen schauspielerischen Fähigkeiten auch liebevoll "Stoneface" nennen, nur noch in grauenvollen B-Filmen
asiatischen Mitbürgern bei ihren Dehnübungen. |
oder schlechten TV-Produktionen. Die Leinwand schien endlich
vor ihm sicher zu sein. Doch dann kam Mega-Produzent Joel Silver,
der wohl von einer zweiten Karriere als Sozialarbeiter geträumt
hat, und besetzte Seagal für seinen neuen Kracher "Exit Wounds".
Eine großer Schritt für Seagal, ein großer Schritt zurück für
den guten Action-Film.
Sieht man sich die restliche Besetzungs- und Stabsliste an,
so bekommt man schnell den Eindruck, daß der Film eigentlich
eine Fortsetzung von "Romeo must die"
werden sollte, bis auf einmal der Hauptdarsteller weg lief.
Produzent, Regisseur und drei Akteure sind identisch mit dem
letztjährigen Hit mit Jet Li. Da verwundert es nicht weiter,
daß sich "Exit Wounds" qualitativ auf etwa der selben Ebene
bewegt. Also ziemlich weit unten.
Handlung ist mal wieder totale Nebensache: Im ersten Satz der
Inhaltsangabe, die sich im Presseheft findet, werden 50 Kilo
Heroin erwähnt, die aus der Aservatenkammer eines besonders
verruchten Polizeireviers in Detroit gestohlen werden. Bis zu
diesem Diebstahl vergehen im Film gut 50 Minuten. Da hat man
die Suche nach einem vernünftigen Plot ohnehin längst
Steven Seagal und DMX bei einer Talent-Diskussion. |
aufgegeben. Im Groben geht es um den Cop Orin Boyd, der zum
Dank für die Rettung des Vizepräsidenten in besagtes Revier
strafversetzt wird und dort ohne großes Nachdenken (schließlich
wird er von Steven Seagal gespielt) in eine undurchsichtige
Verschwörung hinein schlittert, in der sich so ziemlich jeder
Bulle als korrupt entpuppt. Bis auf unseren standhaften Helden
und seinen einen, getreuen Partner, versteht sich. Auf der anderen
Seite steht der mysteriöse Drogendealer Latrell Walker (Rap-Star
DMX), der ganz andere Motive verfolgt, als zunächst angenommen,
und mit Boyd ein Zweckbündnis gründet.
Wir wollen gar nicht erst so tun, als ob das alles sonderlich
relevant wäre, und auch Regisseur Bartkowiak macht bereits in
der ersten Sequenz klar, worum es hier gehen soll: Hauptsache,
es kracht. Logik ist schlichtweg nicht gefragt, ein Auto hat
spektakulär zu explodieren, sobald es angerempelt wird, das
kommt so einfach geiler. Schwarze und Asiaten sind grundsätzlich
böse und kriminell, wenn's passt auch noch strunzdoof, und kriegen
ordentlich
was vor die Omme. Frauen spielen sowieso keine bedeutende Rolle:
80% alle auftretenden weiblichen Figuren sind Tänzerinnen, die
sich in einem Nachtclub gegenseitig Farbe auf die nackten Brüste
schmieren. Sehr stimulierend.
Also eigentlich Business as usual. Es gibt Action-Filme, die
nicht rassistisch, sexistisch, völlig platt, unlogisch, und
vollkommen over-styled sind, und bei denen man zwischen den
Schlägereien nicht vor Langeweile einschläft. Doch
so etwas will die ehrliche Macho-Seele nicht sehen, wenn sie
sich ins Kino begibt. Jeder Zielgruppe ihren Film. Aber irgendwie
erscheint es nicht sonderlich löblich, wenn sich ein Film damit
zufrieden gibt, den Bodensatz der an ihn gestellten Erwartungen
zu erfüllen.
Ein paar Dinge kann man "Exit Wounds" zugute halten: Er verzichtet
Gott sei Dank auf lächerliche Kampfszenen, wie sie seinen Quasi-Vorgänger
ruiniert haben, die Action-Sequenzen sind durchweg spektakulär
und schwungvoll inszeniert
|
und warten mit ein paar wirklich coolen Ideen auf. Es gibt ein
witziges Zitat bei einer Verhaftung ("Don't treat me like I'm
Tupac!"). Und während des Abspanns läuft eine Szene mit Tom
Arnold und Anthony Anderson (dem nervigen Dicken aus "Romeo
must die"), in der die beiden völlig hohl über Masturbieren,
Bettnässen und Körperpflege diskutieren, daß es fast schon wieder
komisch ist. Nichts weiter als eine Frechheit hingegen ist eine
Szene, in der einer der Bösewichte das wohl berühmteste Zitat
aus "Die üblichen Verdächtigen"
anbringt. Sich auch nur ansatzweise auf eine Stufe mit einem
der besten Filme des letzten Jahrzehnts stellen zu wollen ist
für eine Hirnlos-Produktion wie "Exit Wounds" eigentlich nur
noch dreist.
Es gibt sicher eine Menge Leute, für die ist ein Film saugeil,
solange die Autos echt fett sind, die ganzen coolen Niggaz fesche
Sonnenbrillen tragen, die scharfen Hasen möglichst wenig anhaben
und alle Viertelstunde irgendeiner richtig derbe aufs Maul bekommt.
Denen hat "Romeo must die" gefallen, und sie werden auch diesen
Film mit Höchstwertungen bejubeln. Für manche reicht das. Aber
wirklich gute Actionfilme haben einiges mehr zu bieten. Und
deshalb gehört dieser eindeutig nicht dazu.
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