„The Purge: Anarchy“: Interview mit Produzent Jason Blum
„Paranormal Activity“, „Insidious“, „Sinister“ oder „The Purge“ - was diese Filmreihen gemeinsam haben, ist ihre Zugehörigkeit zum Horror-Genre sowie die Tatsache, dass sie alle für relativ wenig Geld produziert wurden und dann ein Vielfaches dieser Herstellungskosten wieder einspielten. Und verantwortlich zeichnet dafür in jedem dieser Fälle die Firma „Blumhouse Productions“ unter der Führung von Jason Blum. Anlässlich des Starts des zweiten „The Purge“-Films sprach Filmszene mit dem Erfolgsproduzenten über das Geheimnis seines Erfolges – und warum es andere gar nicht so einfach kopieren können.
Filmszene: Mr. Blum, Ihr neuer Film „The Purge: Anarchy“ ist diesmal keine 3 Millionen-Dollar-Produktionen, oder?
Jason Blum: Definitiv nicht, der Film kostete diesmal 9 Millionen Dollar – was aber immer noch sehr günstig ist. Es bleibt dabei, dass alle unsere Filme Low Budget-Produktionen sind, aber die Sequels werden dann normalerweise etwas teurer. Man könnte sagen, dass unsere Originalfilme stets eine Art Piloten darstellen und wenn die Idee funktioniert und ankommt, dann wird bei den Fortsetzungen entsprechend mehr investiert.
Aber Sie müssten das ja nicht so machen, sondern könnten doch theoretisch ganz bequem bei den günstigen 3 Millionen-Dollar-Produktionen bleiben.
Doch, ich denke, um das Publikum bei der Stange und das Interesse hoch zu halten, müssen wir den Blickwinkel erweitern und beim zweiten oder dritten Mal etwas mehr bieten. „The Purge“ war in der Tat beim ersten Teil im Grunde nur eine Art „Home Invasion“ - Horrormovie. Und damit würden wir nicht ein zweites Mal davonkommen. Deshalb sagen wir nun: Okay, jetzt zeigen wir Euch auch was außerhalb der vier Wände auf den Straßen passiert.
Das war in der Tat ja einer der Kritikpunkte zum ersten Teil: Dass der Film nicht ganz das lieferte, was in der Ankündigung versprochen wurde, da man das interessante Konzept nur als Hintergrund benutzte. Aber ist es für Sie als Geschäftsmann überhaupt relevant, wie die Kritik Ihre Filme bewertet?
Ich könnte jetzt behaupten, dass mich die Kritik wirklich nicht kümmert, aber ehrlich gesagt: Doch, das tut sie. Ich lese praktisch alle Rezensionen meiner Filme, denn ich möchte wirklich gute und interessante Filme abliefern. Manchmal gelingt uns das überzeugend, wie etwa bei „Sinister“, manchmal weniger. Wenn es mir nur darum gehen würde möglichst viel Geld zu verdienen, dann würde ich an den großen 100 Milionen Dollar- Blockbustern mitwirken, wie ich das früher mal getan habe. Ich mache aber lieber kleinere Filme, um die Möglichkeit zu haben auch mal etwas Neues probieren und etwas riskieren zu können – das ist nämlich bei den großen Hollywood-Produktionen heute so gut wie unmöglich.
Überrascht es Sie manchmal welche Ihrer Filme groß einschlagen und welche nicht?
Oh ja, immer aufs Neue. Ich bin sogar immer wieder regelrecht geschockt, wenn die Zahlen reinkommen und einer unserer Filme steht nach dem ersten Wochenende mit einem Einspiel von 20-30 Millionen Dollar auf Platz Eins. Bei anderen klappt das nicht und ich bin nach wie vor nicht in der Lage das vorherzusagen. Natürlich nicht, denn sonst wäre ja jeder Film automatisch ein Riesenhit. Den sicheren „Homerun“ gibt es aber nicht.
Obwohl Sie stark auf die Kosten achten müssen, hört man immer wieder, dass Sie Ihren Regisseuren einen großen kreativen Freiraum einräumen. Ist das nicht etwas riskant?
Nein, eigentlich nicht. Weil es eben immer noch sehr günstige Filme sind, die wir finanzieren, so hoch ist die Fallhöhe dann eben selbst bei einem eventuellen Flop nicht. Im schlimmsten Fall kommt einer unserer Filme dann in dem einen oder anderen Land halt nicht ins Kino sondern erscheint direkt auf DVD, aber das ist dann auch keine Katastrophe. Unser System ist dabei eher ein europäisches als das typisch amerikanische, da wir unseren Regisseuren in der Tat sehr viel kreative Eigenständigkeit zugestehen und sie meist sogar das Recht auf den „Final Cut“ haben. Im Gegenzug arbeiten die dann auch gerne mal für etwas weniger Geld. Viele Hollywood-Regisseure können mit dieser Freiheit aber auch gar nicht umgehen, da sie die überhaupt nicht gewohnt sind.
Aber warum kopieren dann andere Studios Ihre Erfolgsformel nicht einfach?
Weil die Leute dort so große Egos haben. 99 Prozent aller Produzenten möchten dann unbedingt immer größere und teurere Filme machen, sobald sie einmal mit einem Erfolg hatten – dann nehmen Ego und Gier oft überhand. Mir fehlt die aber offensichtlich, denn ich möchte gar keine größeren Filme machen, ich liebe die Low Budget-Produktionen. .
Für Sie persönlich scheint es jedenfalls genau der richtige Weg zu sein.
Ja, ich lebe zur Zeit den Traum eines jeden Filmfreaks, speziell den eines Genre-Liebhabers. Mein größter Kinoheld aller Zeiten ist Alfred Hitchcock und ich bewege mich gerade selbst in einem Feld, in dem ich diese Art Filme und Ideen verwirklichen kann. Das befriedigt mich deutlich mehr, als meine vorige Arbeit an Großproduktionen und die Entscheidung damals mit „Paranormal Activity“ einen neuen Weg einzuschlagen anstatt an so was wie „World War Z“ mitzuwirken, war für mich genau die Richtige. Zum Glück hat der Film funktioniert und ich konnte diesen Weg weiter gehen.
Hat der Genre- und „Hitchcock“-Fan denn nicht manchmal auch das Bedürfnis, selbst als Autor oder Regisseur aktiv zu werden?
Nein, denn erstens wäre ich darin vermutlich sehr, sehr schlecht und zweitens habe ich wirklich Null Interesse daran. Und das halte ich sogar für einen großen Vorteil als Kopf einer Produktionsfirma. Meine Aufgabe ist es nämlich dafür die bestmöglichen Leute zu verpflichten und nicht mich selbst in den Vordergrund zu drängen. Ich bin wirklich alles andere als ein frustrierter Möchtegern-Regisseur sondern sehr glücklich mit dem was ich tue.
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Filmszene-Redakteur Volker Robrahn beim Interview mit Jason Blum |
Halten Sie die in „The Purge“ geschilderte Gesellschaftsform für einen realistischen Spiegel unserer heutigen Welt? Wie wäre es denn, wenn man Verbrechen und Kriminalität tatsächlich auf diese Art legalisieren würde?
Das wäre zweifellos ganz furchtbar! „The Purge“ ist in diesem Sinne wirklich eher als Warnung gedacht. Der Auslöser für die Idee war ursprünglich der Vorschlag, aufgrund der diversen Schießereien in amerikanischen Schulen eine Art bewaffnete Hausmeister dort einzuführen, die dann über die Gänge patrouillieren. Da stellte ich mir die Frage: „Was kommt dann wohl als Nächstes?“ und das war der Impuls für die „Säuberung“. Nein, das ist ein großartiges Konzept für einen Kinofilm, aber ein schreckliche Vorstellung in der Realität. Zum Glück aber dafür dann doch auch zu unrealistisch. Wenn der Film allerdings einen Dialog über das Thema auslöst, dann ist mir das durchaus recht.
Gibt es denn schon Ideen für einen dritten Film? So ganz scheint mir das Konzept noch nicht ausgereizt.
Es ist noch nicht hundertprozentig sicher, dass es einen dritten Film geben wird, aber ich würde den sehr gerne machen. Wenn, dann gibt es dafür zwei mögliche Ideen: Die eine würde sich um eine „Revolution“ von unten gegen die Herrschaft der „Neuen Gründervater“ drehen. Was aber ebenfalls interessant und sehr reizvoll ist, wäre einen Blick zurück auf die allererste „Purge“-Nacht zu werfen und wie das damals ohne irgendwelche Erfahrungswerte ablief. Aber mal schauen, vielleicht geht es dann doch in eine ganz andere Richtung.
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