Wir erinnern uns: "Elling",
der Oscar-nominierte Erstling aus dem Jahr 2001, erzählt die
Geschichte eines frisch aus der Psychiatrie entlassenen Mitdreißigers.
Der erheblich lebensuntüchtige Elling lernt in der Stadt Oslo,
was Alltag bedeutet.
"Elling - Nicht ohne meine Mutter" ist die zweite Romanverfilmung
des norwegischen Schriftstellers Ingvar Ambjörnsen. Sie zeigt
einen
Teil der Vorgeschichte zu "Elling" -Teil 1, setzt also
zu einem früheren Zeitpunkt in Ellings Leben an. Zu einer Zeit,
als die Titelfigur sich noch bequem hinter Mutters Rock verstecken
konnte. Ein unselbständiger Stubenhocker, dominiert von seinen
Hemmungen und Neurosen. Ellings Leben spielt sich zwischen dem allmorgendlichen
Rasierritual, Mutters Frikadellen und seinen Sammelordnern mit Bildern
der Ministerin Gro Harlem Brundtland ab. Eine Insel ohne jegliche
Eigenverantwortung oder gar Lebensplanung: "Ich bin etwas schwach.
Elling muss auf mich aufpassen!", behauptet Ellings Mutter.
Doch sie ist es, die den Einkauf erledigt, ans Telefon geht, und
Bücher für den Sohn aus der Bibliothek leiht. Und nun,
nach all den Jahren der stillen Führsorge, möchte sie
sich einen Traum erfüllen: Ellings Mutter beschließt,
dass sie einen Blick auf die Welt werfen will und bucht zwei Reisen
nach Mallorca. Eine Woche, Frühstück inklusive.
Das
ist zuviel für Elling. Seine gemütliche Idylle wird aufs
empfindlichste gestört. Denn weshalb muss man woanders hinfahren,
um Spaß zu haben?: "Den meisten Spaß haben wir
doch zu Hause." Und wenn man sich das erst einmal recht durch
den Kopf gehen lässt. Urlaub auf Mallorca - was bedeutet das
eigentlich: "Nichts weiter als wüste Sauforgien in Hotelzimmern
und hemmungsloser Sex in gigantischen Doppelbetten." Andererseits
ist es doch wohl so, dass die Frauen auf Mallorca: "für
ihre sinnliche Ausstrahlung berühmt sind. Wenn man mit den
Fingern schnippt, bringen sie Obst und Wein. Mit breitem Lächeln
und Hüftschwung..und im Allgemeinen nackt." Also entschließt
sich Elling, auch einen kleinen Blick auf die Welt zu riskieren
- seiner Mutter zu Liebe, versteht sich.
Die
Reise ist für Elling eine einzige Qual. Die alltäglichsten
Prozeduren des Reiseunternehmens und der Flugabfertigung stellen
Elling vor unüberwindbare Herausforderungen. Immer wieder wird
er mit seiner Unerfahrenheit, seinen Schwächen konfrontiert.
Er überspielt diese Extremsituationen mal mit stichelnder Bösartigkeit,
mal mit unkontrollierten Wutausbrüchen, mal mit hilflosen Fluchtversuchen
- gilt es doch, seine Mutter vor den Avancen ihres neuen Verehrers,
Oberst a.D. Bugge- Høvig, zu schützen, und sich selbst
vor der erotischen Ausstrahlung der Bikini-Schönheiten am Strand.
Solch
einen liebenswerten Psychotiker zu spielen, ist wahrlich nicht einfach.
Dem Norweger Per Christian Ellefsen gelingt das allein durch den
Ausdruck seiner Augen, durch ein Runzeln seiner Stirn. Seine Gesichtszüge
haben von Natur aus etwas clownesques. Und so wie Clowns von Natur
aus ambivalent sind, zwischen Trauer und Lachen schwanken, schwer
zu durchschauen sind und nicht immer liebenswert wirken, so ist
auch Ellefsens "Elling". Er ist eine Figur, die man mögen
und gleichzeitig unsympathisch finden, meisten aber nur bemitleiden
kann. Und für all diese charakterlichen Untiefen ist Per Christian
Ellefsen -der den Elling bereits in der ersten Verfilmung und in
Theaterstücken spielte - die perfekte Rollenwahl.
Mit dem Film selbst verhält es sich ähnlich wie mit dem
Gesicht des Hauptdarstellers: Man weiß nie so recht, ob man
lachen oder weinen soll. Unter der Regie von Eva Isaksen gerät
der zweite Elling-Film düsterer als unter ihrem Vorgänger
Petter Næss. Die mallorquinischen Bettenburgen wirken trotz
vereinzelter Palmen und Sonnenstrahlen so trist wie die heimische
Plattenbauwohnung. Es gibt keinen Ausweg, keine Lösungen, weil
Elling keine Ahnung von Problembewältigungen oder schlicht
vom Leben hat. Für ihn gibt es keinen Ort, an den er passen
würde. Diese beklemmende, manchmal schwer nachvollziehbare
Situation setzt Regisseurin Isaksen teilweise zu seicht um. Zu oft
verlässt sie sich auf das simple ‚Alte Mutter mit neurotischem
Sohn auf Odyssee'-Prinzip. So schwankt man zwischen schwerer Kost
und kleinen trivialen Drehbuchhängern hin und her. Und wir
nähern uns Ellings Seelenzustand immer dichter an ....
Originaltitel
Mors Elling
Land
Jahr
2003
Laufzeit
78 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
Bilder: Copyright
Arsenal Film
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