Sophie (Ruby Barnhill) lebt eher freudlos in einem Londoner Waisenhaus und treibt sich daher nachts gerne mal in den verwinkelten Straßenzügen umher. Als sie bei einem ihrer Ausflüge eine riesige, mehrere Meter hohe Gestalt (Mark Rylance) beobachtet, ergreift sie zwar umgehend die Flucht, doch da ist es bereits zu spät. Der Gigant schnappt sie und flieht mit ihr über viele Meilen, Berge und Felder in ein unbekanntes Land. Obwohl der Riese sie nicht wieder gehen lassen will, da sie ihn schließlich gesehen hat und seine Existenz verraten könnte, stellt Sophie schnell fest, dass sie keine Angst vor ihm zu haben braucht, denn im Grunde ist der „Big Friendly Giant“ genau das: sehr freundlich. Das gilt allerdings nicht für seine aggressiven und noch deutlich größeren Artgenossen, denn die würden sich das Menschenkind liebend gerne einverleiben. Und so versteckt BFG das Mädchen so gut es geht, freundet sich schließlich sogar mit ihr an. Doch als die Situation immer bedrohlicher wird, beschließen beide doch lieber Hilfe von außen zu holen und machen sich gemeinsam auf in Richtung Buckingham Palace.
Die phantasievollen Geschichten von Roald Dahl dienten bereits mehrfach als Vorlage für Kinofilme, am Erfolgreichsten schlug sich dabei bisher Tim Burtons „Charlie und die Schokoladenfabrik“ und die beste Adaption ist wohl Wes Andersons „Der fantastische Mr. Fox“. Jetzt hat sich auch Steven Spielberg einer Kurzgeschichte von Dahl gewidmet und es wird kaum verwundern, dass das ewige Kind Spielberg sich dabei auf eine gestürzt hat, die sich bestens als Gute Nacht-Geschichte für die Kleinen eignet.
Der „Big Friendly Giant“ ist dabei dann auch ganz klar die Hauptattraktion seines Films, wird der doch sehr imposant in Szene gesetzt und beeindruckt mit fließenden Bewegungen sowie herrlichen Gesichtsausdrücken. Verstärkt wird die Wirkung noch durch das Spiel von Mark Rylance, denn Spielberg hat seine Entdeckung aus „Bridge of Spies“ gleich ins nächste Projekt mit rüber geholt. Das erweist sich als hervorragende Wahl, verleiht der gelernte Theatermann Rylance seiner Figur doch allein mit seiner Stimme eine faszinierende Persönlichkeit, zu der auch dessen eigenwillige Sprache gehört. Der BFG spricht nämlich „Gobblefunk“, eine dem Englischen zwar sehr ähnliche, jedoch mit diversen kreativen Abweichungen und Eigenschöpfungen gespickte Zunge (in wie weit diese Sprache auch in der deutschen Fassung angewendet wird und wie sie dort funktioniert können wir allerdings hier nicht bewerten).
Nachdem man sich an dem toll animierten Riesen sowie seinen geschickten Schattenspielen mit der Umgebung, in der er sich immer wieder unsichtbar macht, aber irgendwann satt gesehen hat, bleibt leider nicht mehr so wahnsinnig viel übrig was das Interesse des Zuschauers dauerhaft aufrecht erhalten kann, und das gilt sowohl für den Erwachsenen als auch den ganz kleinen Betrachter.
Die Geschichte vom „BFG“ erschien erstmals 1982, dem gleichen Jahr in dem auch Steven Spielbergs im besten Sinne zeitloser Klassiker „E.T. der Außerirdische“ auf die Leinwand kam, und auch diese Dahl-Adaption wirkt heute ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Wie schon mit Hergés „Tim und Struppi“ hat Spielberg hier einfach erneut einen Kindertraum verwirklicht bzw. einen weiteren Film über die Lieblingslektüre seiner eigenen Kinder inszeniert. Doch „BFG“ lief an den amerikanischen Kinokassen sogar noch ein ganzes Stück schwächer als das Abenteuer des legendären Reporters. Es scheint, als hätte der Altmeister entweder das Gespür für das verloren, was beim Publikum ankommt, oder als stelle er diesen Aspekt einfach nur hinten an, solange er halt für sich selbst seine Herzensprojekte umsetzen kann. Was ja nichts Schlechtes sein muss. Solange es zu überzeugenderen Filmen als diesem hier führt.
„BFG“ bietet eine sehr biedere, vom Handlungsverlauf her auch absolut überraschungsfrei verlaufende Geschichte, die im Grunde – neben der ansprechenden visuellen Umsetzung - nur von einzelnen netten Ideen und Gimmicks lebt, wie z.B. der erwähnten Fantasie-Sprache. Die weiteren Riesen sind extrem eindimensional gezeichnet und besitzen nicht mehr als die beiden Charaktereigenschaften „böse“ und „dämlich“. Im letzten Drittel, als schließlich das britische Königshaus mit der Queen als eine Art dritter Hauptfigur in den Vordergrund drängt, wird es zeitweise ziemlich grotesk, alberne Furz-Witzchen inklusive. Auch Sophie-Darstellerin Ruby Barnhill gehört bedauerlicherweise zu den anstrengenderen Kinder-Schauspielern der letzten Zeit und strapaziert mit ihrer nassforschen Klugscheißer-Attitüde schon ein wenig die Nerven.
Wir haben halt doch nicht mehr 1982 und es genügt heute eben nicht mehr, so eine Geschichte auf die gleiche betuliche, rührselige Art zu erzählen wie man es vor mehreren Dekaden getan hat. Ob der anerkannte Meister auf dem Regiestuhl diese Erkenntnis schlicht verweigert oder ob sie ihn womöglich einfach nicht weiter interessiert, weiß allein Steven Spielberg selbst. Allzu viele gute Argumente sich für sein neuestes Werk ins Kino zu begeben bietet er mit „BFG“ jedoch nicht.
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