
Dem von bösen
Zungen geäußerten Vorwurf, Brian de Palma sei ein Zweitverwerter,
ist ein gewisser Wahrheitsgehalt nicht abzustreiten. Es gibt wohl
keinen anderen zeitgenössischen Regisseur, der sich gleichermaßen
ehrlich zu den Einflüssen von Michelangelo Antonioni, Jean-Luc
Godard und (vor allem) Alfred Hitchcock bekennt und in den eigenen
Werken unübersehbar die Grammatik
besagter Altmeister zum Ausdruck kommen lässt. Seiner Popularität
tat der ihm förmlich vorauseilende Ruf als "Hitchcock-Epigone"
indes zu keiner Zeit einen Abbruch, vielmehr erarbeitete sich de Palma
mit Filmen wie der Stephen King-Adaption "Carrie" (1976),
dem (inoffiziellen) "Vertigo"-Remake "Schwarzer Engel"
(1976) oder dem mit Referenzen an "Psycho" (1962) versehenen
"Dressed to Kill" (1980) den Ruf eines stilsicheren Spezialisten
für psychologische Thriller.
Mit "Femme Fatale" erfolgt nun der Versuch einer Rückorientierung
an den Glanz vergangener Tage, zumal de Palmas Stern zuletzt verblasste
und gerade in der jüngsten Vergangenheit sowohl seine "Mission:
Impossible" (1996) wie auch die "Mission to Mars" (2000)
als Ausflüge in andere Genregefilde eher als gescheitert zu betrachten
waren.
Beim Filmfestival von Cannes raubt die überaus hübsche Laure
( Rebecca Romijn-Stamos ) mit einem perfiden Plan den millionenschweren
Schmuck eines Filmstars. Doch der scheinbar perfekte Coup misslingt
in letzter Sekunde. Während ihre Kollegen ins Gefängnis
wandern, gelingt Laure die Flucht mit der Beute.
Sieben
Jahre später hat sie es zur Frau des französischen UN-Botschafters
(Peter Coyote) gebracht und führt unter dem Namen Lily ein neues
Leben in Paris. Als dem Paperazzo Nicolas (Antonio Banderas) jedoch
ein Photo von ihr gelingt, und dieses wenige Tage danach auf dem Titelbild
einer Illustrierten erscheint, ist die neue Identität der Diamantendiebin
gefährdet. Die Vergangenheit holt Laure wieder ein, und bald
sieht sie sich von den ehemaligen Komplizen gejagt und von einem reumütig
verliebten Fotografen verfolgt. Doch wie es sich für eine Femme
fatale gehört, verfolgt sie längst einen eigenen Plan ....
Bei de Palmas neustem Projekt handelt es sich - der Titel weist bereits
unmissverständlich darauf hin- um einen Tribut an den Film Noir
der vierziger und fünfziger Jahre. Die Tradition dieser sich
am deutschen Expressionismus und der bildenden Kunst (unter anderem
an den Gemälden Edward Hoppers) orientierenden Filme, welche
teilweise auch unter den Bezeichnungen "Noir Style" oder
"Schwarze Serie" bekannt sind, wird in ihren wesentlichen
Elementen vom Regisseur aufgegriffen, um nach dem klassischen Muster
eine moderne Geschichte zu entwickeln.
Die Figur der Laure, die ihre wahren Absichten hinter wechselnden
Identitäten verbirgt, den Fotographen Nicolas mittels einer unwiderstehlichen
Mischung aus Charme und Erotik in ihren Bann schlägt, um ihn
als willfährigen Erfüllungsgehilfen zu instrumentalisieren,
steht repräsentativ für das zentrale Frauenbild des amerikanischen
Film Noir. Um diese Parallele zu untermauern, spiegelt sich schon
während des Vorspanns Laures Silhouette im Fernseher ihres Hotelzimmers,
während sie sich einen Ausschnitt aus Billy Wilders "Double
Indemnity" (1944) anschaut; ein früher Klassiker der Schwarzen
Serie, welcher mit der verspielt-bedrohlichen Barbara Stanwyck wohl
den ersten weiblichen Todesengel der Kinogeschichte auf die Leinwand
brachte.
De Palmas Verbundenheit mit dem Film Noir beschränkt sich allerdings
allein auf die inhaltliche Ebene und ist nicht formal bestimmt. Einzig
der stilisierte Einsatz von Licht erinnert an die schwarzweißen
Hollywood-Filme, ansonsten verlässt die Regie die Pfade des typischen
Noir Style zugunsten einer weitschweifigen optischen Verspieltheit.
In
erster Linie ist "Femme Fatale" daher ein Erlebnis für
die Augen, zumal de Palma zusammen mit seinem französischen Kameramann
Thierry Arbogast gleich reihenweise virtuos inszenierte Sequenzen
gelingen, in denen filmische Extravaganzen wie die perfekt geplanten
Kamerafahrten oder der Einsatz von Split Screen nur einen kleinen
Teil des cineastischen Kompendiums darstellen. Der Regisseur erweist
sich hierbei erneut als penibler Konstrukteur, der mittels einer ausgefeilten
Bildsprache szenische Willkürakte bereits im Keim erstickt und
jedem Detail seinen zugedachten Platz in der Gesamtwirkung zukommen
lässt (man betrachte nur den fünfzehnminütigen Diebstahl
der Diamanten, der durch den sparsamen Dialog wie ein Echo aus vergangenen
Stummfilmzeiten anmutet).
Neben diesen optischen Auffälligkeiten handelt es sich dazu um
einen Film, der seinem Publikum einen gleichsam touristischen Blick
in die Welt des Kinos gewährt. Für de Palma beinahe idealtypisch,
strotzt "Femme Fatale" vor Zitaten aus der Filmgeschichte
und Verweisen auf das Schaffen Alfred Hitchcocks: Der Fotograf Nicolas,
der Laure voyeuristisch mit seiner Kamera nachspürt, erinnert
an James Stewart in "Das Fenster zum Hof", derweil sich
Laures Anziehungskraft auf Nicolas bei umfassender Betrachtung wie
eine Variation des "Vertigo"-Motivs liest. Demzufolge fallen
zuerst einmal Kinofreaks mit einem Faible für filmische Apercus
in die anvisierte Zielgruppe, da sich in dem Herausdestillieren der
intelligent in die Handlung integrierten Anspielungen (das Spektrum
umschließt Luis Bunuel ebenso wie Frank Capra) der besondere
Reiz des Filmes manifestiert.
Als Regisseur muss man de Palma mithin Respekt zollen, allerdings
zeichnet er sich in vorliegendem Fall ebenso für das Drehbuch
verantwortlich, welches dann leider weit weniger überzeugt:
Selbst wenn Rebecca Romijn-Stamos und Antonio Banderas eine starke
Leinwandpräsenz aufweisen und alles andere als fehlbesetzt
sind, können sie nicht über die eklatanten Mängel
des Scripts hinwegtäuschen. Die kaum nachzuerzählende
Handlung (die dem Publikum kurz vor Ende des Films eine neue Sichtweise
auf das bisher Geschehene anbietet) verliert sich in bizarren Zeitsprüngen
und endlosen Plot Twists, was einerseits zwar auf die ironische
Distanz
hinweist, mit der de Palma seiner Geschichte und den Charakteren
begegnet, andererseits aber zu einer bruchstückhaften Dramaturgie
führt, in welcher sich der Regisseur ohne roten Faden lediglich
von einer brillant inszenierten Szene zur nächsten hangelt.
Ferner bleiben die Versuche, den Figuren Profil zu verleihen, zu
oberflächlich und stereotyp, was ganz einfach daran liegt,
das für de Palma das Kino hauptsächlich aus dem Visuellen
besteht und "Femme Fatale" demgemäss mit sehr wenig
Dialog auskommt. Das ist grundsätzlich nicht verkehrt, aber
wenn die knappen Zeilen dann stellenweise Gefahr laufen, in der
Drittklassigkeit zu versanden (man achte auf die Szene, in der ein
eifersüchtiger Banderas nach einem wenig sinnstiftenden Soft
Core-Strip von Romijn-Stamos einen sie umgarnenden Rocker vermöbelt),
führt dies schlichtweg dazu, dass der Film niemals den analytischen
Verve seiner Vorbilder erreicht.
Zwar muss man den Film Noir, wenn man ihn aus der Vergangenheit
in die Gegenwart transferieren will, auch im Hinblick auf seine
Protagonisten ironisch überhöhen (gleiches taten die Coen-Brüder
mit "The man who wasn´t there" aus dem Jahre 2001),
ein Deut mehr an inhaltlicher Bodenständigkeit und informativen
Hintergrund hätte es jedoch schon sein dürfen, um die
Charaktere mangels individueller Tiefe nicht haarscharf am Reißbrettentwurf
vorbeischrammen zu lassen.
Dem ungeachtet ist der abseits von Hollywood produzierte "Femme
Fatale" das Werk eines visionären Regisseurs, dem in technischer
Hinsicht nur wenige aus dem aktuellen Filmgeschäft das Wasser
reichen können. Und aufgrund seiner überzeugenden Optik
und den liebevoll verwobenen Querverweisen zählt dieser Film
über Filme mit Sicherheit zu den interessantesten Erscheinungen
des noch jungen Kinojahres.
Allerdings sollte sich de Palma beim nächsten Mal dazu durchringen,
das Drehbuchschreiben in andere Hände zu legen, um alsdann
sein visuelles Talent mit einer emotional involvierenden Geschichte
zu verbinden. Dass er dazu in der Lage ist, hat er bereits mehr
als einmal bewiesen.
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