Das Imperium der Wölfe

Originaltitel
L'empire des loups
Land
Jahr
2005
Laufzeit
128 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Patrick Wellinski / 10. Juni 2010

Vielen Krimi- und Thriller-Fans dürfte der Name Jean-Christophe Grangé ein Begriff sein: Mit "Der Flug der Störche" gelang ihm Anfang der 90er der Durchbruch als Autor, und im Laufe der nächsten Jahre konnte er eine weltweite Fangemeinde um sich scharen. Doch auch Filmfreunden ist Grangé kein Unbekannter, denn neben seiner Beteiligung an mehr als 20 Dokumentationen (unter anderem über Formel-1-Star Michael Schumacher) schrieb er 1999 das Drehbuch des Fantasy-Krimis "Vidocq" und arbeitete 2001 am Drehbuch der Verfilmung seines Thrillers "Die Purpurnen Flüsse" mit. Mit "Das Imperium der Wölfe" kommt nun eine weitere Umsetzung eines seiner Romane in die Kinos. Den Zuschauer erwartet dabei erneut ein ungemein spannender Thriller, der für den miserablen "Die Purpurnen Flüsse 2: Die Engel der Apokalypse" durchaus zu entschädigen weiß.

Der junge Kommissar Paul Nerteaux (Jocelyn Quivrin) hat noch nicht allzuviel Erfahrung, und doch will er sich mit der Jagd auf einen Serienmörder im Pariser Türkenmilieu Ruhm und Anerkennung verschaffen. Sehr schnell muss er feststellen, dass er ohne fremde Hilfe die Wand des Schweigens, der er sich im Zuge seiner Ermittlungen gegenübersieht, nicht durchbrechen kann. Er wendet sich trotz der Warnungen seiner Kollegen an den reichlich abgehalfterten Jean-Louis Schiffer (Jean Reno), der sich als ehemaliger Undercover-Cop zwar bestens im Türkenviertel auskennt, aber aufgrund zwielichtiger Machenschaften unehrenhaft aus der Polizei entlassen wurde. Parallel dazu sucht Anna Heymes (Arly Jover), die bildhübsche Frau eines hochrangigen Polizisten, nach den Ursachen einer rätselhaften Amnesie, die sie immer wieder zeitweise heimsucht. Doch was wie ein ruhiger Psychothriller beginnt, entpuppt sich rasch als knallharter Politkrimi, der auch in Sachen Action nicht geizt.

Grangés Bücher zeichnen sich vor allem durch recht komplexe, aber zugleich wohldurchdachte Hintergründe sowie eine Vielzahl überraschender Wendungen aus. Chris Nahon, vor allem durch Werbe- und Kunstfilme bekannt, gelingt es gar trefflich, diese Atmosphäre der Unsicherheit und der Bedrohung in seinem Film einzufangen. Dass er sich dabei von David Finchers Meisterwerk "Sieben" inspirieren lässt, möge ihm der wohlwollende Betrachter verzeihen. Das regnerische und triste Paris gemahnt so stark an den modernen Klassiker von 1995, dass man meint, jeden Moment würde Brad Pitt um die nächste Ecke kommen.
Anstatt sich aber auf solche Reminiszenzen zu verlassen, ist sich der Regisseur (wie viele ehemalige Werbefilmer) völlig bewusst, wie wichtig Detailaufnahmen für das Erzeugen einer unheimlichen Stimmung sind und welches Potential in seinen Schauspielern steckt. Die Kamera bleibt extrem dicht an den Akteuren und scheut nicht davor zurück, nur ein Gesicht zu zeigen, so dass man stets das Gefühl hat, mittendrin in der Handlung zu stecken. Umso eindrücklicher wird dies in der beklemmenden und fremdartigen Subkultur der Türken in Frankreichs Hauptstadt. Zusammen mit dem jungen Kommissar steigt man in eine ganz andere Welt hinab, die von einem Außenstehenden kaum zu durchschauen ist.
Der Führer auf diesem unbekannten Terrain ist Jean Reno in seiner Rolle als zwielichtiger Bulle, den der Tanz mit dem Teufel über lange Jahre von Grund auf korrumpiert und verdorben zu haben scheint. Reno beweist dabei echten Mut zur Hässlichkeit: Er hat für diesen Film offenkundig nicht nur eine ganze Menge abgenommen, sondern ließ sich auch noch mit äußerst geschmacklosen Tätowierungen bemalen. In der Rolle des Schiffer ist Reno somit eine sehr viel schmächtigere und abstoßendere Figur als in den meisten seiner Filme.
Anstatt diese reizvolle Idee weiter auszubauen, kommt es allerdings zu einigen Actionszenen, die nicht ganz zu dem abgehalfterten Ex-Bullen passen wollen. Reno kann (oder darf) anscheinend "nicht aus seiner Haut", so dass der eigentlich höchst interessante Schiffer hin und wieder etwas aufgesetzt und fehl am Platze wirkt. Die hervorragende Leistung der anderen Schauspieler weiß dieses kleine Manko aber glücklicherweise auszugleichen. Quivrin versprüht in seiner Rolle nicht nur einen ungeheuren Tatendrang, sondern auch Charme und Ausstrahlung; man kann gar nicht anders, als ihn sympathisch zu finden. Ähnlich verhält es sich mit Jover: Die aus "Blade" auch international bekannte Schauspielerin zeichnet ein wunderbares Psychogramm einer schwer erschütterten Frau, und weiß auch mit den Wendungen und Kniffen des Films extrem sicher umzugehen.

Wie es sich für einen guten Thriller gehört, hält "Das Imperium der Wölfe" einige solcher Twists bereit, um den Zuschauer immer wieder zu verunsichern und auf neue Fährten zu locken - wobei, wie bei den "Purpurnen Flüssen", leider auch desöfteren die inhärente Logik auf der Strecke bleibt. Gerade die teilweise gänzlich unerwarteten Tempowechsel halten den Kinogänger trotz der Länge des Films bei der Stange; einzig am Ende geht dieses Konzept nicht ganz auf. Nichtsdestotrotz ist "Das Imperium der Wölfe" ein solider und sehenswerter Thriller, der sowohl Jean Reno-Fans als auch Freunde des Politkrimis zufrieden stellen dürfte.


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