"Tapdogs", "Riverdance", "Lord of the Dance" - Steptanz-Shows ziehen seit einiger Zeit auch in Deutschland ein Massenpublikum an, Stars wie Michael Flatley füllen die ganz großen Hallen. Vielleicht war es da zu erwarten, dass eine klackernde Steppertruppe irgendwann auch mal auf der Leinwand zu sehen sein wird. Jetzt ist es so weit, und man kann nur allen Kinogängern raten: Kopf einziehen, lieber zu Hause bleiben, lieber mal wieder in der Nase bohren, lieber mal was Sinnvolles tun.
Dabei hat Steptanz eine so grandiose filmische Tradition: Fred Astaire, Sammy Davis Jr., Dean Martin - große, schwarz-weiße Kinounterhaltung. "Bootmen" hätte, was die Tanzeinlagen angeht, durchaus mithalten können, sind doch neben Adam Garcia ("Coyote Ugly") einige echte "Tapdogs"-Leute am Werk. Das Problem des Films: Er will viel mehr sein als ein Tanzfilm. Das gelingt ihm. Viel mehr als Steptanz, ist er bis unter den Deckel voll mit grenzdebilem, amateurhaftem Handlungsmüll. Was die Details angeht:
Da ist zunächst einmal der junge Sean Okden (Adam Garcia). Er lebt in einer australischen Industriestadt und ist leidenschaftlicher Stepper - logo. Und weil er begabt, rebellisch und verdammt ehrgeizig ist, will er möglichst schnell raus aus dem Kaff, Karriere als Tänzer machen und damit endlich seinen lausigen Job im Stahlwerk an den Nagel hängen. Als er dann endlich ein Engagement für ein Ensemble in Sydney bekommt, ist seine Laufbahn nur von kurzer Dauer: Sean ist ja so ein Rebell (wir erinnern uns), wird gefeuert und kommt mit eingezogenem Schwanz in seine Heimatstadt zurück. Was tun jetzt gescheiterte Tänzer, damit es ein gescheiter Tanzfilm wird? Genau, sie stellen eine eigene Steppertruppe auf die Beine. Schön, schön soweit.
Doch unglücklicherweise gibt es da noch die Klischees:
Klischee I: Der missratene, aber dennoch geliebte Bruder. Er klaut Autos und verscherbelt die Einzelteile, was ihm immer wieder Haue vom
Klischee II: Boss der hiesigen Automardergang einbringt. Ärger mit Bruder Sean gibt es wiederum wegen
Klischee III: Linda, Seans frischgebackener Freundin, die letzterer während seiner Abwesenheit (er ist ja in Sydney, wir erinnern uns) immer wieder anruft, aber nie durchkommt, weil besetzt ist. (Immer). Deshalb landen Freundin und Bruder zusammen im Bett, und als Sean dann irgendwann zurückkommt (eingezogener Schwanz), - oh Gott, nicht auszudenken und bereits hier unglaublich originell. Unglaublich originell auch
Klischee IV: Seans Daddy, der früher mal Rugbyspieler war und nun überhaupt nichts für Sohnemanns Tanzallüren übrig hat. Ein sensitives Gegengewicht in der Familie fehlt, denn Mama ist
Klischee V: tot.
Dazu kommen jetzt noch die Klischees VI, VII, VIII und so weiter, namentlich der pöbelnde Mob, der nur allzugern Stepper auf der Straße vermöbelt (alles Schwuchteln), ein Sonnenuntergang (!), ein romantisches Schiffswrack, ein tragischer Todesfall, eine Schwangerschaft etc. pp.
Die fortlaufend durchnumerierten Klischees werden nun unerträglich ausgiebig miteinander kombiniert und erzielen tragische Synergieeffekte, erkennbar an selten dagewesenen Dialoghülsen à la "Mom wäre stolz auf Dich gewesen". Jemand sagt "Ich liebe Dich" oder "Ich würde gern für Dich und das Baby sorgen", jemand weint für Rührung - wenn hier immer wieder ein ganzer Kinosaal vor Lachen birst, wenn das Publikum sarkastischen Szenenapplaus spendet, dann ist mit Sicherheit was falsch gelaufen.
Und falsch gelaufen ist vor allem eines, auch wenn hier wahrscheinlich keine so eindimensionale Erklärung zieht: Man kann einfach keinen Choreographen (auch keinen guten) alleine Regie führen lassen - denn dieser hat womöglich keinen Schimmer, wie man eine Geschichte glaubwürdig inszeniert. In unserem Fall ist das Dein Perry (nicht *mein* Perry, Dein ist der Vorname). Perry ist der Frontmann von "Tapdogs", demnach ein begnadeter Stepper und noch begnadeterer Choreograph - mit seinem Spielfilmdebüt aber geht er unter. Wobei die Frage ist, was ein besserer Regisseur aus einer derart beknackten Drehbuchvorlage hätte machen können - autobiographische Züge hin oder her.
Was am Ende bleibt, sind einige wirklich beeindruckende Tanzeinlagen, mit selbstgeschmiedeten Eisenbeschlägen an den Arbeiterstiefeln, stampfende Schritte auf Eisenplatten, unterlegt von harter Rockmusik. Leider viel zu kurz und immer wieder kaputt gemacht von dem Erzählungswrack, das "Bootmen" sein Gepräge gibt. Tragisch.
Neuen Kommentar hinzufügen