Ein neuer Anfang ... - Jetzt auch auf DVD: "Star Trek - Deep Space Nine" - Zweite Staffel

von Frank-Michael Helmke / 13. August 2011

Die traditionell holprige erste Season war 1994 auch für den dritten Ableger des Trek-Universums überstanden, und während sich gleichzeitig die TNG-Crew in ihrer siebten und letzten Staffel langsam vom Fernsehbildschirm verabschiedete, fuhr man dementsprechend bei "Deep Space Nine" den Betrieb nach oben. In mehrfacher Hinsicht.
Die ersten Szenen der zweiten Staffel zeigen eine umtriebige Station, auf der viel los ist. Die menschenleere Müllhalde der Anfangszeit ist endgültig passé, die Station (und damit auch die Serie) hat Fuß gefasst, dies ist ein Ort mit Zukunft. Und diese Zukunft manifestierte sich auch zu Beginn der zweiten Staffel als erstes mit einem weiteren Novum im Trek-Universum: Erstmals wagte man sich an einen Dreiteiler, der zudem nicht - mit integriertem Cliffhanger - am Ende einer Staffel stand, sondern den Anfang der zweiten Season einnahm. Wohl so eine Art Trockenübung für die weitaus größer angelegten Story-Bögen der späteren Staffeln, konnte die Trilogie "Die Heimkehr", "Der Kreis" und "Die Belagerung" schon ganz gut überzeugen: Ein sich langsam entfaltendes politisches Komplott auf zahlreichen Ebenen, das sehr viel zur Zeichnung des gesellschaftlichen Hintergrunds von Bajor beitrug, und mit einer großen Menge Plot auf dichtem Raum überzeugte. Der Dreiteiler schwächelte noch ein bisschen im Vergleich zu den späteren Großtaten der Serie in dieser Beziehung, aber das Potential war hier bereits enorm. Gerade die zweite Episode begeistert mit ein paar grandios geschriebenen Dialogen (unvergleichlich die vermeidliche Abschiedskette für Major Kira in ihrer Kabine) und machte Lust auf mehr, auch von der schon hier verhassten Vedek Winn, gespielt von Louise Fletcher. Deren einzige große Rolle als hinterhältig-gemeine Krankenschwester in "Einer flog übers Kuckucksnest" hatte ihr nicht nur einen Oscar eingebracht, sondern war auch ein hervorragendes Empfehlungsschreiben für die Rolle der intriganten Opportunistin Winn. Der beachtlichere Gaststar in diesem Eröffnungsdreiteiler war indes Richard Beymer als Widerstands-Held Li Nalas, der eine zwar leise, aber durchweg großartige Vorstellung hinlegte und mit seiner Darstellung entschieden beitrug zum Subtext dieses Mehrteilers über den Unterschied zwischen wahrer und geschriebener Geschichte. Und so ganz nebenbei wurde hier auch noch die symbolische Bedeutung von Commander Siskos Baseball etabliert: Solange der noch auf seinem Schreibtisch liegt, ist Sisko nicht wirklich weg. Jedenfalls nicht für lange.

Fing die zweite Season mit diesem Mehrteiler schon recht vielversprechend an, so sollte sie noch viele Höhepunkte folgen lassen. Selbstredend gab es auch in dieser Staffel die üblichen Durchhänger, so kann man sich Episoden wie "Rätselhafte Fenna" ("Second Sight"), "Rivalen" ("Rivals") oder "Der Trill-Kandidat" ("Playing God") getrost sparen, ohne irgendetwas zu verpassen. Bedenkt man jedoch, dass die zweite Staffel von TNG noch in die Annalen einging als die weitaus schlechteste der ganzen Serie, so war der Fortschritt von "Deep Space Nine" im zweiten Jahr mehr als beachtlich, denn die meisten Folgen waren guter Durchschnitt, mit einigen bemerkenswerten Sahnestücken zwischendurch.
Besonders hervorgehoben sei hier vor allem "Die Ermittlung" ("Necessary Evil"), ein geniales Spiel mit den Traditionen des Film Noir, verpackt in einer exquisiten Krimi-Story, die nebenbei noch neue Einblicke in die dunkle Vergangenheit der Station unter cardassianischer Besetzung bietet. Hervorragend inszeniert, und wieder aus der Feder von Co-Produzent Peter Allan Fields, der auch schon den zweiten und besten Teil des Eröffnungsdreiteilers geschrieben hatte.
Ebenfalls Sonderklasse: "O'Brien's Identität" ("Whispers") - einer diesen brillanten Psychokrimis mit genialer Schlusswendung, wie sie die Trek-Autoren an besonders guten Tagen zu Stande bringen, indem sie das kleine Extra an kreativem Freiraum nutzen, das man in einer SciFi-Serie zur Verfügung hat. Das Ende kommt nicht nur einigermaßen überraschend, es verpasst dem Zuschauer auch noch einen leichten Schauer, wenn man sich in den Kopf der Person begibt, die in diesem Moment gar nichts mehr versteht. Creepy.
Andere exquisite Folgen sind u.a. "Das Paradiesexperiment" ("Paradise"), eine intelligente Abhandlung über gut gemeinte Diktatur; "Das Implantat" ("The Wire"), DS9's Beitrag zum Thema Drogensucht und außerdem die äußerst geglückte Einführung vom cardassianischen Schneider Garak, dem vielleicht beeindruckendsten Nebencharakter der ganzen Serie, was seine Komplexität betrifft; sowie die beiden Fan-Favoriten "Der Blutschwur" ("Blood Oath") und "Die andere Seite" ("Crossover"). In ersterer zieht Jadzia Dax mit drei alten Klingonen (die schon in der Original "Star Trek"-Serie aufgetreten waren und hier von denselben Schauspielern gespielt wurden) - Freunde ihres letzten Wirtes - los, um einen offene Rechnung zu begleichen. In letzterer finden sich Kira und Bashir nach einem Shuttle-Unfall in jenem Spiegeluniversum wieder, das einst einmal von Captain Kirk geschaffen worden war. Natürlich sehen da auch die Verhältnisse auf DS9 ein bisschen anders aus: Sisko als kumpelhafter Barkeeper, Kira als hochgradig unmoralische Stationschefin und jede Menge andere lustige Charakterdrehungen erwiesen sich als derart gelungen, dass die Serie noch öfter in dieses Universum zurückkehren sollte.
Bezog man sich in diesen beiden Folgen noch auf die alte Serie zurück, so war doch auch auffällig, dass diese Bezüge auf andere Trek-Ableger sich nur noch im Storyrahmen bewegten: Bekannte Gaststars, wie sie noch in der ersten Staffel auftraten, hatte die Serie nicht mehr nötig, und die einzige Parallele mit der Handlung von TNG fand sich im Zweiteiler "Der Maquis", der sich mit eben jener Untergrundbewegung auseinander setzte, die auch am Ende von TNG eingeführt worden war.
Abgesehen davon fand DS9 schon in dieser Staffel - und damit sehr früh - seine eigene Stimme und legte die bei weitem beste zweite Season der Trek-Geschichte hin. Doch auch das war nur ein Vorgeschmack auf die Höhepunkte, die noch folgen sollten, ihren Anfang nehmend in der Abschlussepisode dieser Staffel - dem ersten Zusammentreffen mit den gefürchteten Jem'Hadar und dem Dominion. Der erste Cliffhanger der Serie war dann auch gleich einer im großen Rahmen: Kein Spannungsaufbau für die nächste Folge, sondern für die gesamten nächsten Staffeln. Denn hier bahnte sich etwas Großes an. So groß, dass es das erzählerische Rückgrat der ganzen Serie wurde, und sie zu dem Epos machte, der sie ist.

Das nun erschienene DVD-Set der zweiten Staffel wartet mit ähnlichen Stärken und Schwächen auf wie das zur ersten Staffel: Die Bildqualität ist bestechend gut und weit über normalem Fernseh-Niveau, der Sound ist satt und kann bei durchschnittlichen TV-Geräten schon mal die Lautsprecher zum wackeln bringen, wenn die tiefen Stationsmotoren brummen.
Leider auch erhalten blieb die suboptimale Menüführung bei den Special Features, bei denen man auch diesmal fast automatisch über die nicht wirklich versteckten "Hidden Files" stolpert. Die sind allerdings recht interessant und bieten u.a. ein paar tiefere Einblicke in einige der besten Episoden der Staffel.
Die schon im ersten Set als Standards eingeführten Hintergrund-Dokus sind auch hier wieder da: Ein Feature zu den Aliens-Maskeraden und eines zu Requisiten-Entwürfen, die dieses Mal durch ein weiteres Feature zu neuen Raumschiff-Designs ergänzt werden. Das ist alles höchstens für die ganz detailverliebten Trek-Fans oder die echten Technik-Freaks von Belang. Die interessantesten Specials sind ganz sicher die anderen: Zum einen "Neue Herausforderungen" - eine Mini-Doku, die u.a. Einblicke in die Charakterkonzeptualisierung der Serie bietet. Hier erfährt man zum Beispiel, dass eigentlich eine Übernahme der Figur Fähnrich Ro aus TNG geplant war, die Darstellerin Michelle Forbes jedoch keine Serienverpflichtung eingehen wollte, und aus dieser Not dann Major Kira erwuchs. Auch lustig, wie Produzent Michael Piller Parallelen zwischen der DS9-Besatzung und einer klassischen Western-Serie zieht: Die Station als Kleinstadt mit Barkeeper (Quark), Sheriff (Odo), Bürgermeister (Sisko) und Greenhorn (Bashir). Und zum anderen gibt es gleich zwei weitere "Crew Dossiers", und zwar über Jadzia Dax (wo unter anderem von der Entwicklungsgeschichte dieses am schwersten festzulegenden Hauptcharakters erzählt wird), und von Quark. Für den heißt das Ganze zwar nicht "Crew Dossier" (weil er technisch betrachtet ja nicht zur Besatzung gehört), sondern "Quarks Geschichte", das Ergebnis ist aber im Prinzip dasselbe: In beiden Fällen wird über Funktion und Entwicklung der Figur gesprochen und über die wichtigsten Folgen für den Charakter resümiert.

Das Fazit ist insgesamt klar: War eine Anschaffung der ersten Staffel auf DVD noch eher eine Chronistenpflicht, ist sie bei der zweiten bereits eindeutig zu empfehlen. Von der technischen Umsetzung sowieso einwandfrei, bietet die zweite Season jetzt auch inhaltlich zum Teil bemerkenswerte Qualität, die sich in den folgenden Staffeln zwar noch weiter steigern wird, doch auch hier eindeutig schon hoch genug ist für ein deutliches "Her damit!".


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