Es soll Leute geben, die David Fincher's "Fight Club" nicht für einen der genialsten und beeindruckendesten Filme der letzten Jahre halten. Diese Leute befinden sich in der vorteilhaften Position, des Regiemeisters
am Set von "Panic Room" |
neuestem Streich relativ gelassen
entgegen
zu sehen, während die enthusiastische Fangemeinde beim Namen
Fincher nichts weniger als einen der cineastischen
Überschocker
des Kinojahres erwartet. Dass eine solch extreme Erfahrung
im Falle
von "Panic Room" ausbleibt, ist jedoch leicht
nachzuvollziehen:
Fincher, einer der begabtesten und visuell kreativsten
Regisseure,
die im Laufe der 90er Jahre aus dem Werbe- und Videobusiness
auf die
große Leinwand schwappten, ist ein Inszenator und hat noch
nie
ein eigenes Drehbuch geschrieben, soll heißen: Der Mann ist
immer nur so gut wie sein Material. Nicht umsonst
bezeichnete der
amerikanische Kritikerpapst Roger Ebert Fincher's
Erstling
"Alien 3" damals als "one of the best-looking bad movies
ever". Wenn's an seinen Filmen hapert, ist das für
gewöhnlich
nicht die Schuld des Regisseurs. Dies als Warnung an alle
"Fight
Club"-Enthusiasten, deren Erwartungshaltung in ungesunde
Dimensionen
aufzusteigen droht. Denn "Panic Room" ist ein wirklich guter
und packender Thriller, aber halt auch nicht mehr.
Die Grundidee ist dabei so einfach, dass man sich fast
fragen mag,
wie damit fast zwei Kinostunden gefüllt werden sollen:
Frisch
von ihrem schwer reichen Gatten getrennt befindet sich die
New Yorkerin
Meg Altman (Jodie Foster) zusammen mit ihrer Tochter Sarah
(Kristen
Stewart) auf Wohnungssuche an der schicken Upper
Foster in ihrem persönlichen Panic Room. |
West Side und stößt mit viel Glück
auf einen wahren Immobilientraum: Ein vierstöckiges, sehr
geräumiges
Wohnhaus mit schönem Ausblick, sechs offenen Kaminen -
und einem sogenannten "Panic Room". Dieser neueste Trend
zum Schutz vor ungewollten Eindringlingen beherbergt die
Hausbewohner
hinter mehrere Zentimeter dickem Stahl in einem Raum mit
Nahrungsvorräten
und Überwachungsmonitoren fürs ganze Haus sowie unabhängiger
Strom- und Luftversorgung. Da fühlt man sich gleich viel
sicherer.
Natürlich bleibt das Teil nicht lange ungenutzt: Schon in
der
ersten Nacht bekommen Meg und Sarah Besuch von einem
Einbrecher-Trio
(deren Informationen zufolge das Haus eigentlich noch leer
stehen
sollte) und flüchten sich in ihre Sicherheitszelle. Problem:
Dass, was die Gangster suchen, befindet sich im Panic Room,
und so
entsteht die delikate Situation, dass Meg und Sarah hinter
der Tür
darüber rätseln, wie sie Hilfe rufen können, während
die drei Gauner vor der Tür Pläne schmieden, wie sie die
beiden dazu bringen könnten, raus zu kommen.
Bei einem sowohl räumlich als auch personell sehr eingeschränkten Szenario wie diesem sind die Möglichkeiten sehr eingegrenzt, dass Interesse des Zuschauers wach zu halten, weshalb zunächst einmal ein deutliches Lob an Autor David Koepp gehen muss: Der zeichnete nämlich auch die Figuren der Einbrecher mit genug Sorgfalt, um drei eigenständige Typen zu entwickeln, deren Gruppendynamik der angespannten Situation weitere Würze gibt. In Filmen wie diesen ist es essentiell, dass das Publikum Interesse an den Charakteren gewinnt, denn nur dann kann es auch voll mitgehen. Vorbildlich ist in dieser Hinsicht dann auch das Zusammenspiel zwischen Mutter und Tochter: Wenn Meg zu Anfang des Films Sarah ermahnt, nicht so
und Kompagnon müssen improvisieren. |
viele böse "four letter words" zu benutzen,
und später dann von ihrer Tochter genau solche Ausdrücke
diktiert bekommt, um in den Verhandlungen mit den
Gangstern überzeugender
zu wirken, so ist das nicht nur amüsant, sondern auch
glaubwürdig.
Glaubwürdigkeit ist ohnehin das große Plus von "Panic
Room", der sich - bei aller Abwegigkeit der
Ausgangssituation
- nie weit von nachvollziehbaren und realistischen
Reaktionen und
Szenarien weg bewegt. Die geschmiedeten Pläne auf beiden
Seiten
der dicken Stahltür sind zwar recht einfallsreich, jedoch
nie
so außergewöhnlich, dass man als Zuschauer das Gefühl
verliert, in gleicher Lage auf die selbe Idee zu kommen.
Und wenn
einer der Beteiligten während des Showdowns meint "Warum
zum Teufel haben wir da nicht dran gedacht?", dann spricht
er dem Betrachter zwar aus der Seele, lässt das
entsprechende
Versäumnis aber auch gleich so verständlich erscheinen
wie es in der Tat ist. Geht es darum, mögliche Logiklöcher
präventiv selber zu stopfen, kann man "Panic Room"
nicht viel vormachen (ein Vorbild, von dem sich
zweitklassige Thrillerware
wie z.B. "Sag kein Wort" mal
eine Scheibe abschneiden sollte).
Auch die Schauspieler gefallen: Forest Whitaker ist mit
seinem unverwechselbaren
Teddybär-Augen in der komplexesten der drei
Gangster-Figuren
perfekt aufgehoben, Jodie Foster weiß auch in dieser ihr
etwas
fremden Filmware zu überzeugen (dass sie gegen Ende des
Films
einen weiten Pulli über ihr Tank Top streift hat übrigens
sehr pragmatische Gründe: Die Dreharbeiten dauerten länger
als erwartet, und dank Fosters zweiter Schwangerschaft
wäre
ihr Bauch unter dem knappen Oberteil nicht mehr zu
verbergen gewesen).
Besondere
Jung-Teenie Sarah Altman. |
Erwähnung verdient sich zudem auch
die
zwölfjährige Jungdarstellerin Kristen Stewart, schon allein
weil sie die unkonventionellste Casting-Lösung für die
Tochterrolle
darstellt: Kein süßes kleines Engelchen, aber auch keine
angehende Schönheitskönigin, ist Stewart mit ihrem
jungenhaften
Haarschnitt und den Punk-Shirts wahrscheinlich der normalste
Teenager,
den man in letzter Zeit auf der Leinwand zu sehen bekam -
und gerade
darum für die Effektivität des Films so wirkungsvoll.
Natürlich ist "Panic Room" immer noch ein Fincher-Film.
Das erkennt man vor allem an den gewohnt virtuosen
Kamerafahrten,
von denen die beeindruckendste im Inneren des Hauses den
Bewegungen
der Gangster folgt, während diese draußen einen
Weg rein suchen: Drei Stockwerke runter und später wieder
hoch,
in Schlüssellöcher hinein und hinaus, durch Türen,
Durchreichen und Kaffeekannenhenkel fliegt das Auge des
Betrachters.
Fincher versteht es erneut vorzüglich, seiner Vorlage die
interessantesten
visuellen Reize zu entlocken, stellt seine trickreichen
Gimmicks aber
immer in den Dienst des Plots, so dass der Film nicht
"überinszeniert"
wirkt. Wie viel Wert er auf das passende Set Design legt
wird auch
in "Panic Room" deutlich, so dass das Urteil gewohnt positiv
bleibt: Die Atmosphäre funktioniert, und David Fincher hat
wieder
einmal das beste Ergebnis abgeliefert, dass die Vorlage zu
ließ.
Was allerdings immer noch keinen außergewöhnlichen Film
ergibt: Trotz der geschickt konstruierten Handlung, dem
konstanten
und effektiven Spannungsbogen und den für Genre-Verhältnisse
überraschend guten Charakterzeichnungen bleibt "Panic Room"
letztlich doch an seinen Wurzeln hängen. Am Ende steht ein
unterhaltsamer
und größtenteils makelloser Film, dem schlichtweg dieser
besondere Funken Andersartigkeit fehlt, um es mit den
letzten drei
Werken seines Regisseurs aufnehmen zu können. So bietet sich
durchaus der Vergleich mit Steven Soderbergh's "Ocean's
Eleven" an: Dort als auch hier ein meisterlich
inszeniertes
Stück Standardkino ohne sonderlichen Anspruch oder Tiefgang,
eine Fingerübung des Inszenators als Zwischenstopp auf dem
Weg
zu (hoffentlich) aufregenderen Dingen. Es muss ja nicht
immer gleich
ein "Fight Club" sein.
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