Sin City

Originaltitel
Sin City
Land
Jahr
2005
Laufzeit
123 min
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Simon Staake / 30. Januar 2011

"Geh durch die richtige Seitenstraße in Sin City und du findest alles". Vor allem Sex, Gewalt und aller Voraussicht nach einen baldigen unnatürlichen Tod. Frank Millers brillante, in stark stilisiertem Schwarz und Weiß gezeichnete Comic-Reihe "Sin City" redefiniert seit 1992 den Begriff ‚hartgesotten' im hartgesottenen Noir-Genre. Seine alle in der titelgebenden Stadt Basin City spielenden Geschichten um harte Jungs, leichte Mädchen und brechende Knochen stehen in der Tradition der hartgesottenen Detektivgeschichten von Dashiel Hammett, Raymond Chandler und Mickey Spillane, drehen aber den Sex- und vor allem den Gewaltfaktor ganz nach oben, bis zum Anschlag. Wo ein Mickey Spillane schon gewaltgeil und pornographisch war, legt Miller noch mal eine Schippe drauf, und seine knallharten Kerle benehmen sich wie Mike Hammer auf Amphetaminen.
Logischerweise sind eben jene Geschichten nur bedingt geeignet für eine Hollywood-Verfilmung, und trotzdem hat es "Sin City" jetzt auf die Leinwand geschafft. Hauptverantwortlich dafür ist einer, den man eigentlich schon abgeschrieben hatte: Robert Rodriguez. Der begann mit einigen der besten, energiereichsten B-Filme, die man in den 1990ern zu sehen bekam ("El Mariachi" und dessen Quasi-Remake "Desperado", "From Dusk Till Dawn"), um sich dann mäßig interessanten Kinderfilmen (die "Spy Kids"-Reihe) zu widmen. Das schien auch seine ‚erwachsenen' Filme zu beeinflussen, denn seine Rückkehr zum Knarrenschwingen, "Irgendwann in Mexiko", war eine einzige Enttäuschung. Und nun macht er den Phoenix und legt locker seinen besten Film seit vielen Jahren vor.

"Sin City" adaptiert drei von Millers graphic novels (plus die Kurzgeschichte "The Customer is always right" als Teaser) in drei Erzählsträngen: In "The Hard Goodbye" (basierend auf der allerersten, anfangs unbetitelten Miniserie) nimmt der grobschlächtige, psychopathische Marv (Mickey Rourke) die Unterwelt Sin Citys auseinander, auf der Suche nach dem Mörder der Prostituierten Goldie (Jaime King). Seine Suche führt ihn auf die Spur des psychopathischen Massenmörders Kevin (Elijah Wood).
In "The Big Fat Kill" legt sich Dwight (Clive Owen) mit Jack (Benicio del Toro), dem gewalttätigen Exfreund seiner Freundin Shellie (Britanny Murphy) an. Als Jack daraufhin Old Town, Basin Citys Rotlichtviertel, einen Besuch abstattet und die Dinge dort eskalieren, kommt der mühsam aufrechterhaltene Waffenstillstand zwischen Basin Citys korrupter Polizei und den Prostituierten dort ins Wackeln. Dwight und Gail (Rosario Dawson), die Anführerin der Old Town-Mädchen, versuchen Schlimmeres zu verhindern.
Und in "That Yellow Bastard" versucht der alternde Cop Hartigan (Bruce Willis) über Jahre hinweg, das Leben der jungen Nancy (Jessica Alba) vor dem perversen Kinderschänder Junior (Nick Stahl) zu retten. Dieser ist leider der Sohn von Senator Roark (Powers Boothe), dem mächtigsten Mann in Basin City. Und so wird Hartigan alles abverlangt...

Nach diesem Film dürften andere Comic-Verfilmungen eigentlich gar nicht mehr existieren, denn "Sin City" gibt dem Wort Comic-Verfilmung eine neue Bedeutung. Anstatt einfach ein paar Figuren oder eine Geschichte zu übernehmen, verfilmt Rodriguez Frank Millers Vorlage quasi 1:1. Jede Filmeinstellung hat eine Entsprechung in den Comics, jedes Wort Dialog ist dort wiederzufinden. Authentischer geht's nicht. Erreicht wurde dies durch Rodriguez' Entscheidung, Millers Zeichnungen als Vorlagen für animatronische Storyboards zu nehmen und dann komplett im Greenscreen-Verfahren zu verfilmen.
So lässt sich übrigens auch der Co-Credit für Frank Miller (der ein Cameo als krimineller Priester hat) verstehen, der an reiner Regiearbeit wohl nicht so viel getan hat, dessen künstlerischer Einfluss aber dank der hundertprozentigen Adaption so groß war, dass Verehrer Rodriguez ihm die Nennung als Co-Regisseur förmlich aufzwang. Rodriguez hingegen war wieder alles in einem: Produzent, Drehbuchautor, Regisseur, Kameramann und Cutter. Zusammen ergeben Millers geniale ursprüngliche Bildkompositionen und Rodriguez' kongeniale filmische Umsetzung einen visuellen Genuss, der dem Lesegefühl einer graphic novel so nah kommt wie wohl kein Film zuvor.

Nun haben diese vollständig virtuellen Kulissen bisher nur künstlerische Flops ("Sky Captain and the World of Tomorrow", "Immortal") hervorgebracht, doch "Sin City" rettet - wie erhofft - zumindest vorerst die Ehre dieser neuen Produktionsweise. Ein warnendes Wort sei trotzdem erlaubt: "Sin City" wird wohl ein einmaliger Coup bleiben, denn immer noch sehen die animierten Kulissen arg künstlich aus. Aber: Was den anderen beiden Filmen neben inhaltlichen Schwächen zum Verhängnis wurde, wird für "Sin City" zum Glücksfall, denn die Stilisierung des Comics wird gerade durch die immer etwas unnatürlich wirkende, hier dargestellte Welt perfekt eingefangen. Anders gesagt: "Sin City" als künstliche Comicwelt voller entsprechender Charaktere funktioniert gerade wegen der noch nicht abgestellten Kinderkrankheiten des Greenscreen-Verfahrens.

Auch brillant genutzte Greenscreens wie hier helfen natürlich nur, wenn man auch vernünftige Darsteller zum Davorstellen hat. Und was Rodriguez hier aufzubieten hat ist schlicht der Hammer, ein imposantes Ensemble aus Jung- und Altstars. Für die männlichen Hauptrollen gab er sich nur mit den coolsten der Coolen zufrieden, und die Herren Willis, Rourke, Owen und del Toro enttäuschen nicht. Komplettiert wird die Besetzung durch ein paar heiße weibliche Co-Stars (Rosario Dawson, Jessica Alba, die fast ausnahmslos kleiderlose Carla Gugino, Alexis Bledel) und sogar altgediente Kultrecken wie Powers Boothe und Rutger Hauer. Dazu kommen noch mit Josh Hartnett und Eliijah Wood zwei männliche Jungstars in ungewöhnlichen Rollen.
Gerade Wood betreibt hier massivsten Imagewechsel. Wem er als knopfäugiger naiver Hobbit zum Schluss nur noch auf die Nerven ging, dem kann hier geholfen werden, denn sein beseelter stiller Killer lässt einen schon ein wenig frösteln. Die andere positive Überraschung ist natürlich ‚Comeback Kid' Mickey Rourke, der seine Rückkehr als ernst zu nehmender Schauspieler schon leise mit grandiosen Cameos in "Das Versprechen" und "Animal Farm" andeutete. Hier ist er unter seinem Marv-Make Up zwar kaum zu erkennen (wobei man damit nur ein zerschossenes Gesicht gegen das andere eintauscht), liefert aber trotzdem seine beste Vorstellung seit seiner Glanzzeit in den 1980er Jahren ab.
Ein Cameo der besonderen Art legt in "Sin City" allerdings ein anderer hin, nämlich Gastregisseur Quentin Tarantino, der für den symbolischen Preis von einem Dollar eine Szene (Dwight und Jack im Auto) drehte, als Gegenleistung für Rodriguez' Score für "Kill Bill Vol. 2", der ihn ebenfalls einen Dollar kostete. Allerdings ist die ganze Aufregung um Tarantinos Gastspiel mehr ein wirkungsvoller Werbegag, denn seine Szene fällt (Gott sei dank) nicht groß auf, wohl auch weil QT nicht mit Millers Dialog herumspielen durfte.

Eines noch: Dies ist ein Jungs-Film. So wie Millers Vorlage reine steroidegetriebene Männerfantasie ist, ist diese so authentische Verfilmung freilich nichts für schwache Nerven oder für ein Date mit der Freundin. Es sei denn, jene steht auf Ultragewalt und hat auch gegen halb- bis ganz nackte Mädels nichts einzuwenden. Jawohl, "Sin City" ist der Vorlage entsprechend ein zum Teil wahnsinnig gewalttätiger Film, dessen Brutalität nur dadurch abgemildert wird, dass sie im künstlichen Stil des Films ebenfalls überzeichnet und irreal wirkt. Dennoch: Hier werden Körperteile durch alle erdenklichen Waffen - und seien es bloße Hände - durchstochen, abgerissen, zerschmettert. Daher darf man auch vermuten, dass die plötzliche Startterminverschiebung in Deutschland auch mit dem Entsetzen der überempfindlichen Zensoren hierzulande zu tun hat, die wohl genug Zeit zum überlegen brauchten, wie sie die im Minutentakt auftretende Gewalt einzudämmen gedenken. Man kann nur hoffen, dass es Millers und Rodriguez' kompromisslose Version ungeschnitten auf deutsche Leinwände schafft, sicher ist dies allerdings keineswegs.

Und obwohl wie hier beschrieben eigentlich alles perfekt ist an "Sin City", verpasst er dennoch die Höchstwertung. Denn eines vermisst man bei diesem Film denn doch, und das ist ein wenig Herz. Nicht Herzblut der Macher, denn die haben alles getan. Aber so cool und beeindruckend und begeisternd "Sin City" auch ist, so richtig emotional mitreißen will er nicht. Was weniger mit der Qualität des Films zu tun hat als mit den Limitierungen des Genres. Denn als knallharter Film Noir ist "Sin City" so großartig, wie ein knallharter Film Noir nur sein kann. Aber er überspringt eben nicht sein Genre. Dies ist nur ein winziger Einwand, aber eben doch ein Einwand.
Sei's drum. "Sin City" ist ein absolutes Muss des Kinojahres, eine technisch perfekt gestaltete düstere Ballade der Gewalt, die das Publikum aus ihren Sitzen hauen wird wie ein Faustschlag von Marv. Dem überlassen wir auch das passende Schlusswort zu diesem derben Spektakel: "Ist das das Beste, was ihr zu bieten habt, Ihr Weicheier?" Sin City-Liebhaber werden wissen, wie es gemeint ist.

Bilder: Copyright

10
10/10

Einfach ein einzigartiger Film.Das sind einfach nur atemberaubende Bilder von unerreichter Wucht die einmal mehr zeigen was mit der heutigen Technik alles möglich ist.Man sollte sich einfach nur zurücklehnen und dieses optische Gesamtkunstwerk genießen,in der sich das Who is Who Hollywoods die Klinke in die Hand gibt.Ein Film voller Gewalt,Leidenschaft und jeder menge Antihelden.Alles was einen Film noire ausmacht.Kultstatus vorprogrammiert.

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top besetzung
top film

etwas blutig ; aber wen es nich stört

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